Gepflegter Sprachgebrauch

Um im Arbeitsalltag kompetent agieren zu können, benötigen Pflegekräfte nicht nur fachliche, sondern auch fachsprachliche Kompetenzen. Für Pflegekräfte aus dem Ausland, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, stellt dies eine besondere Herausforderung dar – zumal Fachsprache in Zukunft für den Berufszugang geprüft werden soll. Zwei Ansätze aus dem IQ Netzwerk Niedersachsen zeigen, wie berufsbezogene Deutschkenntnisse erfasst und auch nach dem Berufseinstieg noch weiter ausgebaut werden können.

Ampullen, Kanülen, Spritzen sind wichtige Tools im Pflegealltag. Gebraucht werden aber auch: Fachtermini, Syntax, Phonetik. Kommunikationskompetenz, das macht auch das neue Pflegeberufegesetz deutlich, nimmt für Pflegefachkräfte eine zentrale Rolle ein, und zwar auf verschiedenen Ebenen: Sie müssen pflegebedürftige Menschen beraten und anleiten können, mit ihren Angehörigen bzw. dem sozialen Umfeld interagieren – und nicht zuletzt im Team und interdisziplinär mit anderen Berufsgruppen fachlich kommunizieren können (vgl. §5 PflBG).

Das gilt auch für Pflegefachkräfte, die ihren Abschluss im Ausland erworben haben und für die Deutsch eine Fremdsprache darstellt: Laut Eckpunktepapier der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom vergangenen Jahr sind „gute fachbezogene Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift“ auf Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) „unerlässlich“ für den Berufszugang (GMK 2019, S. 1). Analog zu den akademischen Heilberufen haben die Länder daher einen einheitlichen Standard für eine Fachsprachprüfung in der Pflege nach 2020 vereinbart. Geplant ist ein dreistufiger Test: (1) ein Gespräch mit Patient*innen, (2) ein Gespräch mit Angehörigen von Gesundheitsberufen und (3) eine berufstypische schriftliche Aufgabe (vgl. ebd., S. 2).

In Niedersachsen hat man bereits Erfahrung mit der Entwicklung und Erprobung von Sprachprüfungen in der Pflege. Dort hat sich die Volkshochschule (VHS) Braunschweig, Träger des IQ Teilprojekts „Berufsbezogenes Deutsch“, vor einigen Jahren mit zwei Pflegeschulen und der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch zusammengetan. Zunächst wurde u.a. auf Basis des Ausbildungscurriculums ermittelt, welche sprachlichen Kompetenzen Pflegefachkräfte mit Niveau B1 und B2 (GER) vorweisen sollten. Daran anknüpfend wurden drei Prüfungsszenarien für die Bereiche Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege entwickelt. Pro Szenario gibt es vier Prüfungsschritte (z.B. Patient*innen betreuen, Situation beschreiben, Team/Angehörige informieren, Bericht erstellen), sodass typische Kommunikationssituationen am Arbeitsplatz möglichst realitätsnah und in ihrer Prozesshaftigkeit simuliert werden. Laut Wilhelmine Berg, Projektleiterin des IQ Teilprojekts „Berufsbezogenes Deutsch“, lässt sich das Format jedoch nicht eins zu eins länderübergreifend übertragen: „Während wir drei Szenarien mit je vier Schritten entwickelt haben, ist für die bundesweit einheitliche Fachsprachprüfung ein Szenario mit drei Schritten geplant.“ Dass die Expertise des IQ Förderprogramms explizit im GMK-Eckpunktepapier benannt ist, freut sie aber sehr. Schließlich kann sie einiges an Erfahrungswerten mitgeben: „Ein transparenter Entwicklungsprozess ist wichtig für die Akzeptanz des Formats, empfehlenswert ist auch ein möglichst konkretes Konzept für die Umsetzung. Vor allem aber ist die enge Zusammenarbeit von Expert*innen für sprachliche Aspekte und Expert*innen für das Fachliche unabdingbar.“ Positiv hervorzuheben sei daher auch, dass die Fachsprachprüfung gemäß GMK-Eckpunktepapier sowohl durch eine*n fachliche*n Prüfer*in als auch eine Person mit sprachwissenschaftlichem Sachverstand abgenommen werden soll.

Nachtrag: Zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht offiziell, inzwischen aber schon: Das neue Prüfungsformat für die Pflege soll ab Sommer 2021 in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg zum Einsatz kommen. Entwickelt und erprobt wird es von der passage gGmbH – Träger der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch – unter Beteiligung der VHS Braunschweig, dem Klinikum Braunschweig, dem Paritätischen Bildungswerk Bremen, der Szenariendidaktikerin Anne Sass sowie der Technischen Universität Berlin. Stellvertretend für die Gesundheitsministerien der genannten Bundesländer liegt die fachliche Aufsicht beim Norddeutschen Zentrum zur Weiterentwicklung in der Pflege in Kiel.

Mit erfolgreich abgelegter (fachsprachlicher) B2-Prüfung ist – neben weiteren Voraussetzungen – zwar der Berufszugang möglich. Doch die kommunikativen Herausforderungen hören damit nicht automatisch auf. Betriebsinterne Abkürzungen, (regional geprägte) Redewendungen und abrupte Themenwechsel sind für Pflegefachkräfte aus dem Ausland nicht immer nachvollziehbar, zumal angesichts des raschen Arbeitstempos oft keine Zeit für Rückfragen bleibt. In der Folge werden sie im Kollegium zum Teil als nicht hinreichend kompetent wahrgenommen. Hier setzt ein weiteres IQ Teilprojekt der VHS Braunschweig an: das Sprachmentoring in der Pflege. Das Angebot unterstützt Mitarbeitende aus Pflegeeinrichtungen, die Kolleg*innen aus dem Ausland einarbeiten bzw. betreuen. „Die Teilnehmenden benötigen keinen sprachwissenschaftlichen Hintergrund, sollten aber sicher im Umgang mit der deutschen Sprache sein“, erläutert Kathrin Schomburg, die das Projekt gemeinsam mit einer Kollegin umsetzt. Kursinhalte seien grundlegende Aspekte im Kontext Sprache und Spracherwerb, wie beispielsweise der GER. Vor allem aber gehe es um eine Sensibilisierung der Teilnehmenden für den eigenen Sprachgebrauch und um Herangehensweisen wie den kontrollierten Dialog. Dabei können die Mentor*innen ihre ausländischen Kolleg*innen zum Beispiel durch bestimmte Fragetechniken im Prozess des beruflichen Ankommens unterstützen – im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe. Und der Bedarf ist hoch: „Wir befinden uns aktuell im siebten Durchgang und haben das Angebot schon an mehreren Orten durchgeführt. Die Teilnehmenden kommen aus Krankenhäusern, Seniorenheimen und Pflegeschulen und aus unterschiedlichen Hierarchieebenen: von der Einrichtungsleitung über Integrationsbeauftragte und Pflegepersonal bis hin zum Küchenpersonal.“ Dabei gebe es auch schon erste Transfererfolge: Nachdem mehrere Praxisanleiter*innen einer Pflegeschule in Braunschweig den Kurs besucht haben, bieten diese inzwischen ein eigenes Format für ihre Auszubildenden an. Auch aus anderen Bundesländern häufen sich die Anfragen. Daher wird im IQ Teilprojekt „Berufsbezogenes Deutsch“ nun ein Formblatt entwickelt, das den Transfer weiter unterstützt. Materialien sind teilweise bereits über die Homepage des IQ Netzwerks Niedersachsen verfügbar. Ausschlaggebend für die Umsetzung des Angebots ist laut Kathrin Schomburg qualifiziertes Personal: „Die Kombination einer Lehrkraft aus dem Bereich Deutsch als Zweitsprache und einer Person mit Coaching-Erfahrung hat sich bewährt. So können die Tools kompetent eingesetzt und auch die für das Mentoring notwendige Haltung vermittelt werden.“

Lesetipps:

Beitrag von Laura Roser für den Newsletter 4/2020 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung – basierend auf Interviews mit Wilhelmine Berg und Kathrin Schomburg, VHS Braunschweig/IQ Netzwerk Niedersachsen.

Quellen: 

Gesundheitsministerkonferenz (GMK) (2019): Eckpunkte zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse in den Gesundheitsfachberufen. URL: https://www.gmkonline.de/documents/anlage-top86_92gmk--eckpunkte_1570622947.pdf (letzter Aufruf: 16.12.2020)

IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch (2020): Transfer des IQ Know-how. Entwicklung und Erprobung eines Prüfungsformats B2 für Pflegeberufe im Auftrag des Norddeutschen Zentrums zur Weiterentwicklung der Pflege (NDZ). URL: http://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fachstelle/aus-der-fachstelle/transfer-iq-know-how.html (letzter Aufruf: 16.12.2020)

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