"Wir setzen auf einem sehr guten Fundament auf"

Das Förderprogramm IQ hat seit 2015 viele Meilensteine erreicht. In den neuen Förderrunden wird die Zusammenarbeit mit anderen Programmen und Angeboten wichtiger: Anna Wilde, Referatsleiterin im BMAS, blickt zurück auf die IQ Förderperiode 2015 bis 2022 und nach vorn auf den Berginn der neuen Förderung ab 2023.

Welche Rolle spielt das Förderprogramm IQ bei dem ESF-Ziel, die Beschäftigungschancen der Menschen zu fördern?

Anna Wilde: Das Förderprogramm IQ entwickelt und erprobt Modelle mit dem Ziel der Verstetigung. Die Modelle und insbesondere die verstetigten Modelle  unterstützen Menschen ausländischer Herkunft bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Der Auftrag ist, das Potenzial besser zu nutzen und sichtbar zu 
machen, da die formalen, non-formalen und informellen Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt mit hohem Fachkräfte- und auch Arbeitskräftebedarf dringend benötigt werden. 

Welche Themen und Entwicklungen aus den Handlungsfeldern von IQ beschäftigen Sie aktuell besonders?

Wilde: Eine besondere Herausforderung ist der hohe Bedarf an Fachkräften. Hierzu müssen wir die Potenziale der bereits in Deutschland lebenden Zuwandererinnen und Zuwanderer besser nutzen. Und wir müssen die Prozesse der Fachkräfteeinwanderung und die in allen Ländern unterschiedlichen Verfahren 
der Berufsanerkennung verbessern. Hier wäre eine weitere Harmonisierung der Verfahren wünschenswert, damit diese für Menschen ausländischer Herkunft transparenter und attraktiver werden. Sonst bliebe das Risiko erhalten, dass bereits hier lebende Zuwanderer und Zuwandererinnen in nicht bildungsadäquaten Beschäftigungen einmünden und dort ohne weitere Perspektiven bleiben. IQ leistet mit seinen Beratungsstellen und Qualifizierungsangeboten einen wichtigen Beitrag, damit wir dabei besser werden.

Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine, die IQ in der Förderperiode 2015 bis 2022 erreicht hat?

Wilde: Besonders dankbar bin ich für die Entwicklung erster Qualifizierungsmodelle für Anpassungsqualifizierungen, denn diese stehen jetzt dauerhaft über die Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung. Ein weiterer Meilenstein war die Entwicklung der Deutschförderverordnung, die 2016 ins Leben gerufen wurde und auf verschiedensten in IQ entwickelten Modellen basiert. Die in IQ gut miteinander vernetzten Strukturen waren schnell auf die neuen Zielgruppen eingestellt, die durch den Krieg in Syrien 2015 und seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Die hohe Fachlichkeit hat geholfen, damit diese Menschen schnell in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt ankommen.

Der Weg aller Förderprogramme geht von der Entwicklung und Erprobung hin zu Transfer und Implementierung. Wie gut 
ist dies gelungen?

Wilde: IQ hat viele Modelle entwickelt und mit den Mindeststandards eine hohe Qualität umgesetzt. Hierdurch sind viele Modelle früh sichtbar geworden, gerade auch über die Good Practice-Ansätze. Mit den Berufssprachkursen und den Qualifizierungsprojekten, auch mit der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung wurden Modelle entwickelt und zum Teil auch schon verstetigt. Wir treten mit einer Themenkonzentration insbesondere von noch nicht verstetigten Themen wie Anerkennungs-und Qualifizierungsberatung, Faire Integration sowie Qualifizierungsangeboten für eine bildungsadäquate Einmündung in den Arbeitsmarkt sowie Strukturangeboten für Akteure der Verwaltung und der Wirtschaft wieder an. 

Wie hat sich Ihre ganz persönliche Arbeit mit dem Förderprogramm IQ entwickelt?

Wilde: Ich bin seit Juni 2022 Leiterin des zuständigen Referats im BMAS. Damit hatte ich das Glück, die abschließende Good Practice-Veranstaltung persönlich mitzuerleben. Gleichzeitig ist die neue Richtlinie für die Förderrunde ab 2023 erschienen und ich bin von Anfang an dabei – bei den herausfordernden administrativen Umsetzungsfragen europäischer Förderprogramme, der Freude die Richtlinie zu veröffentlichen, der Freude der neuen Projekte, auch bei dem Frust der Projekte, die nicht ausgewählt wurden. Ich war und bin sehr dankbar, wenn ich sehen konnte, wie viel wir mit dem Programm erreichen und hoffe, dass dieses auch in Zukunft erfolgreich sein wird. Und ich habe auch gesehen, dass das nur geht, weil viele Leute mit sehr viel Engagement das Programm unterstützen. 

Was sind die wichtigsten Schwerpunkte und Ziele des Förderprogramms in den kommenden Förderrunden?

Wilde: Viele der bisherigen Schwerpunkte bleiben erhalten: Arbeitsmarktintegration von Menschen ausländischer Herkunft insbesondere im Bereich bildungsadäquater Beschäftigung ist unser Hauptthema. Fragen der Berufsanerkennung und der Fachkräftegewinnung zum Beispiel durch Kooperation mit der 
Bundesagentur für Arbeit mit den Angeboten der Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung oder der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung bleiben auch wichtig. Kernaufgabe für Beratungen und Qualifizierungen wird die virtuelle Weiterentwicklung und die stärkere Ausrichtung auf die Nutzung von Kompetenzen für eine bildungsadäquate Einmündung, auch wenn keine Berufsanerkennung formaler Qualifikationen möglich ist. 

Was beutetet die inhaltliche (Neu-) Ausrichtung des Programms für die Arbeit der Akteurinnen und Akteure?

Wilde: Themen werden konzentrierter angegangen. Hierdurch wird die Zusammenarbeit mit anderen Programmen und Angeboten wichtiger, zum Beispiel mit den Berufssprachkursen oder durch Weiterleitung an Existenzgründerservices der Länder, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir wollen uns stärker auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer konzentrieren und weniger Strukturförderung machen. Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn das Thema Fachkräfte ganzheitlich gedacht wird, mit allen Potenzialen wie Frauen, Menschen mit Behinderungen, Arbeitslosen. Die Menschen ausländischer Herkunft bleiben natürlich weiter wichtig – die die bereits da sind und die die noch angeworben werden. Hier braucht es neben IQ weitere Aktivitäten und Player vor Ort, wie zum Beispiel die Länder oder die Wirtschaft. Das Thema ausländische Fachkräfte muss mehr und mehr auch das Halten von Fachkräften in den Blick nehmen, hier braucht es Angebote außerhalb von IQ. Faire Integration wird zentraler, weil wir mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz weitere Personen und Qualifikationsniveaus ansprechen. Hierdurch muss die Vorsorge vor Ausbeutung zentral mitgedacht werden. Die IQ Akteure, die sich den wichtigen Themen der Arbeitsmarktintegration widmen, werden sich voraussichtlich stärker auf die bildungsadäquate Einmündung in den Arbeitsmarkt konzentrieren als bisher. Dieses wird möglich durch die Themenkonzentration und dadurch, dass künftig Vernetzung keine Hauptaufgabe mehr sein wird. Es sind also alles neue Herausforderungen mit neuen Lösungen neuer Projekte und dennoch wird vieles wiedererkennbar sein, da wir ja auf einem sehr guten Fundament aufsetzen. 


Die Fragen stellte Markus Fels.

Dr. Anna Wilde

ist Leiterin des Referats I6 "Grundsatzfragen der Migrations- und Integrationspolitik" in der Abteilung I "Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung und Fachkräftesicherung" im Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

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