"Gegenseitige Unterstützung statt Konkurrenz"

Wie IQ und die Arbeitsagenturen kooperiert haben – Interview mit Rudolf Bünte, Leiter der Koordinierungsstelle Migration in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit
 

Wie hat sich in der Förderperiode 2015 bis 2022 die Zusammenarbeit zwischen der BA und IQ entwickelt?

Rudolf Bünte: Die Zusammenarbeit war schon immer gut und hat sich in den letzten acht Jahren stetig positiv weiterentwickelt. Vor dem Jahr 2015 war das Hauptanliegen, Migration als Chance für Arbeitsmarkt und Gesellschaft überhaupt im Bewusstsein stärker zu verankern. Ab 2015 hat IQ die Bundesagentur für Arbeit (BA) sehr professionell bei vielen neuen Rahmenbedingungen unterstützt – bei der gestiegenen humanitären Migration, bei dem Thema Fachkräftebedarf, zuletzt auch bei der Beratungs- und Netzwerkarbeit im Kontext der Covid-Pandemie oder in Bezug auf Menschen, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind.

In den genannten Zeitraum fällt auch die starke Einwanderung nach Deutschland aus humanitären Gründen. Wie hat IQ die BA bzw. die Jobcenter bei der Beratung zur Integration von Geflüchteten unterstützt?

Bünte: Ich möchte dazu kurz ausholen, wie meine persönliche Perspektive war. Ich kam eher von der Seite der Rechtsanwendung des Ausländerrechts – in der BA Arbeitsmarktzulassung genannt – und habe hier im Jahr 2014 das erste Projekt zur Integration Geflüchteter geleitet. Hier war für mich das Anliegen, dass Geflüchtete stärker Zugang zu den Arbeitsmarktleistungen erhalten sollen, die ihnen kraft Gesetzes zustehen. Bereits zu dieser Zeit haben die Netzwerke, das IvAF1 – Netzwerk (damals noch Bleiberechtsnetzwerk) und IQ die neuen Programme unglaublich aktiv und positiv mit vorangetrieben. Als im Jahr 2015 die humanitäre Migration stark zunahm, wurde das noch weiter ausgebaut, auch mit der Weiterentwicklung in der Gesetzgebung. In der BA besteht immer die Gefahr, dass wir stark in standardisierten Prozessen arbeiten und individuelle Lebenslagen von Migrant*innen nicht ausreichend berücksichtigen können. Hier hat uns IQ unterstützt,  besser zu werden. Auch die BA hat sich da in den letzten Jahren positiv weiterentwickelt. Die Stärke von IQ liegt immer darin, mit dem Ohr und mit dem Herzen vor Ort zu sein und schnell auf neue Kontexte zu reagieren.

Inwiefern profitiert die BA insgesamt von der Arbeit des Netzwerks IQ?

Bünte: Die Beratungszahlen und andere Kennziffern von IQ sprechen da für sich. Allein zwischen Januar 2019 und September 2022 hat IQ 181.175 Personen zur Anerkennung und Qualifizierung beraten. Ein großer Teil der Beratenen sind Kund*innen der BA. Diese Beratungen eröffnen den Menschen Perspektiven in Richtung qualifikationsadäquater Beschäftigung. Mehrere Evaluationen haben konkret die positive Wirkung von Anerkennungsberatung und Anerkennungsverfahren bewiesen. Es gibt noch viele Aktivitäten von IQ, von denen wir profitieren, aber hervorheben möchte ich die Schulungen von BA-Mitarbeitenden zu interkultureller Öffnung. Das war logistisch eine Glanzleistung und hat die BA auch inhaltlich weitergebracht. Gut war auch, wie IQ die verschiedenen Akteur*innen, die am Thema Arbeitsmarktmigration von Migrant*innen arbeiten, an einen Tisch bringt: Verbände, NGOs, Ministerien, Behörden. Die Arbeit der Fachstellen war für uns immer  auch eine Fundgrube an Wissen und interessanten Informationen.

Wie sieht aus Ihrer Sicht die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung der Zukunft aus und wo ist sie angesiedelt?

Bünte: Dass die Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung notwendig ist, steht außer Zweifel. In der letzten Förderrichtlinie wurde klar gesagt, dass mittelfristig eine Überführung weg aus der Projektstruktur hin in eine Regelstruktur ansteht. Bevor die Frage beantwortet wird, welche Organisation dieses Regelgeschäft übernehmen soll, muss zunächst die Aufgabe genau beschrieben werden. Die Anerkennungsberatung muss Menschen Zugang zu dem Anerkennungsverfahren schaffen, sie auf das Verfahren vorbereiten, bei Bedarf auch durch das Anerkennungsverfahren begleiten. Möglichst viele sollen von der Möglichkeit der Anerkennung ihrer Qualifikation – und damit ihrer Lebensleistung – profitieren. Gleiches gilt für die Qualifizierungsberatung. Bei Drittstaatsangehörigen enden die Verfahren häufig in einer Teilanerkennung. Hier muss insgesamt die Qualifizierungslandschaft noch ausgebaut werden, um auf diesem Weg die Vollanerkennung zu erreichen. Zu diesen Angeboten muss die Qualifizierungsberatung geleiten, möglichst im Zusammenhang einer übergreifenden Qualifizierungsplanung. Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung muss die Organisation übernehmen, die hierfür am besten aufgestellt ist. Die Entscheidung muss noch nicht heute getroffen werden, hierfür sollten sich die Entscheidungsträger*innen auch die notwendige Zeit nehmen.

Ein Schwerpunkt des Förderprogramms ist die Unterstützung der Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, dies geschieht an vielen Orten Hand in Hand mit der BA. Welche gemeinsamen Potenziale sehen Sie in diesem Bereich für die Zukunft?

Bünte: Zum jetzigen Zeitpunkt liegt das Momentum der Weiterentwicklung bei der Bundesregierung. Sie hat den konkreten politischen Willen bekundet, das Recht der Arbeitsmigration weiter zu entwickeln. Die BA hat diese Entwicklung immer gutgeheißen. Wenn das Recht so weiterentwickelt wird, wie es sich abzeichnet, wird die Zahl der Menschen, die zum Zweck der Erwerbstätigkeit nach Deutschland einwandern, stark zunehmen. Die Themen, die wir dann weiter gemeinsam begleiten,
sind weiterhin Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung, Faire Integration, Zusammenarbeit in regionalen Integrationsnetzwerken und überregionalen Projekten und Unterstützungsstrukturen.

Im Zuge des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nahm auch die Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) ihre Arbeit auf. Sie berät  Anerkennungsinteressierte, die noch im Ausland leben, und ist bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der BA angesiedelt. Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen der ZSBA und IQ?

Bünte: Wir haben ca. 5.000 Kund*innen, die Stand November 2022 von der ZSBA beraten und durch die Verfahren begleitet werden. Wir wissen nicht genau, wie  viele, die wir schon beraten haben, eine Teil- oder Vollanerkennung erreicht haben – im laufenden Kundenkontakt besteht aber der Eindruck, dass der Prozess der Anerkennungsverfahren gut unterstützt wird. Wie immer hat IQ sehr schnell die Bereitschaft gehabt, mit uns zusammenzuarbeiten. Sehr bald nach Etablierung der ZSBA im Jahr 2020 hatten wir mit den Landesnetzwerken Zusammenarbeitsstrukturen geschaffen, die sich sehr bewährt haben.

Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die nächste Förderperiode von IQ?

Bünte: In der nächsten Förderperiode werden die IQ Projekte noch stärker als bisher mit der BA zusammenarbeiten. Das war ja auch in der Förderrichtlinie als Erwartung formuliert worden und auch in der Projektplanung in diesem Jahr hat sich gezeigt, dass sich IQ und BA als gegenseitige Unterstützung und nicht als Konkurrenz verstehen. Es ist für mich auch ein gutes Gefühl, IQ in den nächsten Jahren an der Seite der BA zu haben, um auf Situationen zu reagieren, die wir vielleicht jetzt noch nicht vorhersehen können – sei es bei der Frage der Zuwanderung von Arbeitskräften, Geflüchteten, Familienangehörigen, sei es bei der Integration von Migrant*innen, die hier schon leben. Ich freue mich echt schon auf die weitere Zusammenarbeit, die mich auch persönlich immer bereichert hat.

1Integration von Asylbewerberinnen, Asylbewerbern und Flüchtlingen (IvAF)


Die Fragen stellte Markus Fels.

Dr. Rudolf Bünte

ist Leiter der Koordinierungsstelle Migration in der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit.

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