Von attraktiven Arbeitsbedingungen in der Pflege profitieren alle

Der Fachkräftemangel in der alten- und Krankenpflege wird sich Prognosen zufolge noch verschärfen. Die Bundesregierung steuert mit der „Konzertierten Aktion Pflege“ gegen. Eine Übersicht über den Arbeitsmarkt Pflege und Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung.

Die Corona-Pandemie hat die enorme gesellschaftliche Bedeutung der Kranken- und Altenpflege hervorgehoben. Und sie hat die Debatte über geeignete Strategien zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und die Behebung der Fachkräftelücke befeuert. In der Pflege besteht bereits jetzt ein Mangel an Fachkräften. Für eine älter werdende Gesellschaft ist es notwendig, eine ausreichende und professionelle pflegerische Versorgung zu sichern. Dies wird nur gelingen, wenn mehr Menschen für eine Beschäftigung in der Gesundheits- und Pflegebranche gewonnen und in diesen Berufen dann auch gehalten werden.

2020 waren in Deutschland 1,9 Millionen Pflegekräfte in der Alten- und Krankenpflege erwerbstätig, die allermeisten davon sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Im Mai 2020 waren es 1,77 Millionen, davon 1,1 Millionen in der Kranken- und 615.000 in der Altenpflege. Die Zahl der Beschäftigten hat in den letzten Jahren beständig zugenommen und ist auch in der Pandemie weiter gestiegen, gegenüber dem Vorjahr um 43.300 Menschen (IAB 2021b). Krankenpflegefachkräfte sind vorwiegend in
Kliniken, Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen beschäftigt. Altenpflegekräfte arbeiten hauptsächlich in stationären Pflegeheimen und in ambulanten Pflegediensten. Jedoch gibt es Überschneidungen, so sind beispielsweise auch Krankenpfle-
ger*innen in der ambulanten Pflege tätig. In deutschen Privathaushalten sind zudem häufig Pflegekräfte in der 24-Stunden-Betreuung beschäftigt, die pflegerische und hauswirtschaftliche Aufgaben übernehmen. Dies sind überwiegend osteuropäische Frauen, die häufig in einem arbeitsrechtlichen Graubereich arbeiten und deren Zahl nicht erfasst ist, Schätzungen liegen zwischen 300.000 und 600.000 (siehe auch Seite 38).  Der Arbeitsmarkt und die Beschäftigungssituation der Alten-
pfleger*innen und Krankenpfleger*innen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht. Das Qualifikationsniveau in der Krankenpflege liegt deutlich über dem in der Altenpflege: Der Anteil der Beschäftigten in der Krankenpflege, die als Fachkraft oder als Spezialisten (Intensivpflege, Anästhesie, Führungskräfte) arbeiten liegt bei über 80 Prozent, während die Helfertätigkeiten mit 16 Prozent aller Beschäftigten gering ausfallen. Hingegen sind von den 615.000 Beschäftigten in der Altenpflege gut die Hälfte examinierte Fachkräfte und knapp die Hälfte sind als Altenpflegehelfer*in mit keiner oder einer maximal zweijährigen Ausbildung beschäftigt (IAB 2021a).

Die Pflege ist mehrheitlich weiblich: Mehr als 80 Prozent der Erwerbstätigen in der Pflege sind Frauen.  Teilzeitbeschäftigung ist sehr verbreitet, 43 Prozent der Beschäftigten in der Kranken- und 55 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege arbeiten in Teilzeit oder sind geringfügig beschäftigt.

Zwischen Alten- und Krankenpflege gibt es zudem ein deutliches Lohngefälle: Der mittlere Bruttolohn einer vollzeitbeschäftigten examinierten Fachkraft in der Krankenpflege lag 2019 bei 3.539 Euro, der einer Altenpflegekraft bei 3.034 Euro. Die Löhne in der Pflege unterscheiden sich erheblich nach Regionen und Art der Einrichtung (IAB 2019). Problematisch ist insbesondere die Situation der Helfer*innen in der Altenpflege, deren Verdienste verstärkt durch eine Teilzeitbeschäftigung häufig im Niedriglohnbereich liegen (Nell 2021).

Ausländische Beschäftigung

Die Pflegebranche bemüht sich seit langem, den Fachkräftebedarf auch durch die Rekrutierung ausländischer Pflegekräfte zu decken, was sich in der Beschäftigtenstruktur spiegelt. Insgesamt hat der Anteil Beschäftigter ohne deutschen Pass deutlich zugenommen: Von 2015 bis 2020 hat sich der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdoppelt. In 2020 arbeiteten 194.000 Beschäftigte mit ausländischer Nationalität in der Pflege, wobei der Anteil in der Altenpflege mit 14,6 Prozent bzw. 91.000 aller Beschäftigten deutlich höher liegt als in der Krankenpflege mit 9,3 Prozent bzw. 103.000 aller Beschäftigten (IAB 2021a).

Die Top 5 Herkunftsländer der in Deutschland beschäftigten ausländischen Pflegekräfte sind Polen, Bosnien und Herzegowina, Türkei, Kroatien und Rumänien. In 2020 sind etwas weniger als die Hälfte der Pflegekräfte (84.000) aus den EU-Staaten und weitere 34.000 kommen aus Ländern des Westbalkans.
Zudem waren 13.000 Personen aus dem acht zuzugsstärksten Asylherkunftsländern in der Pflege sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Der Ausländeranteil in der Pflege liegt mit insgesamt elf Prozent etwas unter dem Ausländeranteil aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, der bei 13 Prozent liegt (IAB 2021). Gründe dafür sind, dass die Berufe Alten- und Krankenpfleger*in reglementiert sind und die notwendige Anerkennung der Abschlüsse eine hohe Hürde darstellt. Ausländische Fachkräfte müssen für ihre Anerkennung in der Regel Vorbereitungslehrgänge absolvieren und gute Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 nachweisen. Der Arbeitsmarkt durch migrantische Live-in-Betreuungskräfte in der häuslichen Pflege ist hier nur dann zahlenmäßig erfasst, wenn eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland vorliegt.

Fachkräftebedarf und Arbeitssituation

Der Fachkräftebedarf in der Pflege ist bundesweit hoch. Bei den Agenturen für Arbeit waren 2020 über 35.000 Stellen in der Kranken- und Altenpflege gemeldet. Arbeitgeber können ausgeschriebene Stellen oft nur schwer besetzen. Gesucht werden vor allem examinierte Fachkräfte, während die Situation bei >> den Helfer*innen etwas entspannter ist (IAB 2021a). Der Bedarf an Pflegekräften wird in Folge einer wachsenden Zahl älterer Menschen und einer besser werdenden medizinischen Versorgung bis 2035 weiter steigen. Schätzungen über den zukünftigen Bedarf an Pflegekräften variieren je nach getätigten Annahmen. Das Institut der deutschen Wirtschaft prognostiziert für das Jahr 2035 einen wachsenden Bedarf in der stationären Versorgung von rund 307.000 Pflegekräften und eine Versorgungslücke im Pflegebereich insgesamt von knapp 500.000 Pflegekräften (IW 2018, Stat. Bundesamt 2021)

Die Arbeitsbelastung in der Alten- und Krankenpflege ist hoch und zeigt sich in überdurchschnittlichen Krankheitsraten und Frühverrentungen. Auch der hohe Anteil in Teilzeit beschäftigter Pflegekräfte kann als Strategie im Umgang mit Arbeitsbelastung gesehen werden. Durch die Pandemie sind die Pflegekräfte zusätzlich belastet und haben zudem ein erhöhtes Risiko, an Covid 19 zu erkranken. Eine aktuelle Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen zeigt, dass durch attraktivere Arbeitsbedingungen die Bereitschaft, wieder in den Beruf einzusteigen oder die Stundenzahl zu erhöhen, deutlich gesteigert werden könnte (Auffenberg, Heß 2021). Zentral sind dabei mehr Zeit für eine qualitative Pflege, mehr Wertschätzung durch Vorgesetzte und eine angemessene Bezahlung.

Maßnahmen zur Fachkräftesicherung

Vor dem Hintergrund des Pflegenotstands haben das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Bundesministerium für Familie, Soziales, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2018 die Konzertierte Aktion Pflege (KAP) ins Leben gerufen. Es wurden seither verschiedene Maßnahmen mit dem Ziel angestoßen, das Berufsfeld Pflege attraktiver zu machen und bereits dort Beschäftigten zu halten (BMG 2020), unter anderem:

  • Die Zahl der Auszubildenden und der ausbildenden Einrichtungen soll bis 2023 um jeweils zehn Prozent gesteigert werden. Mit der neuen generalistischen Pflegausbildung zur „Pflegefachfrau“ bzw. zum „Pflegefachmann“ erhofft man sich zusätzliche Popularitätseffekte.
  • Die Bemessungsgrundlagen für die Personalplanung soll verändert und die Personalsituation verbessert werden. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz von 2019 können 13.000 zusätzliche Stellen für Pflegepersonen und 20.000 zusätzliche Stellen für Pflegehilfs- und Assistenzpersonen geschaffen werden.
  • Die Entlohnung soll durch eine Stärkung der Tarifbindung oder einen Mindestlohn verbessert werden.
  • Die Arbeitsbedingungen sollen verbessert werden, unter anderem durch den Ausbau eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, verlässliche Dienstpläne und mehr Angebote zur Fort- und Weiterbildung von Führungskräften in der Pflege. Zudem sollen unter Einbeziehung digitaler Lösungen in der Pflege die Beschäftigten entlastet werden.

Die Anwerbung von internationalen Pflegekräften aus dem Ausland ist eine weitere Strategie der Fachkräftegewinnung, die von einer Arbeitsgruppe im Rahmen der KAP bearbeitet wurde. Zielrichtung ist es, die Abläufe bei der Anwerbung, bei Anerkennungs- und Visaverfahren und bei der Integration zu verbessern und zu beschleunigen. Dafür wurde 2019 die Deutsche Fachkräfteagentur für Gesundheits- und Pflegeberufe (DeFa) gegründet, die Prozesse rund um die Berufsanerkennung und Arbeitserlaubnis von internationalen Pflegefachkräften unterstützen soll. Das Deutsche Kompetenzzentrum für internationale Fachkräfte soll die Anwerbe- und Integrationsprozesse unterstützen und die Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde eingerichtet, um die noch im Ausland lebenden Fachkräfte zur Anerkennung und Einreise zu beraten.

Die Wirkung der Maßnahmen ebenso wie die des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das die Möglichkeiten der Einwanderung von beruflich qualifizierten Personen aus Drittstaaten und damit auch solcher aus der Pflege erleichtert, kann aktuell noch nicht abgeschätzt werden. Die Corona-Pandemie hat die Einwanderung von Fachkräften deutlich abgebremst. Auch die Länder Philippinen, Mexiko, Brasilien und Vietnam, die Schwerpunkte der Fachkräftegewinnung sind, kämpfen mit den Folgen der Pandemie.

In der Aufwertung und Professionalisierung der Pflege liegt ein wichtiger Schlüssel, um die Attraktivität des Pflegeberufs und die Qualität der pflegerischen Leistungen zu verbessern. Dafür notwendig ist auch eine stärkere Akademisierung der Pflegeausbildung verbunden mit mehr Verantwortung für die Pflege bei einer Aufweichung ärztlich geprägter hierarchischer Strukturen. Dies korrespondiert mit der Erfahrung von ausländischen Pflegekräften, die in der Regel über eine akademische Ausbildung verfügen und in ihren Herkunftsländern Tätigkeiten mit einem größeren Kompetenzbereich ausüben. Im schlechtesten Fall verlassen sie Deutschland wieder und nehmen eine attraktivere Beschäftigung in Skandinavien, der Schweiz oder England an. Von einer professionellen und attraktiveren Pflege profitieren die beschäftigten Pflegekräfte aus dem In- und Ausland – und letztlich wir alle. (sc)

Literaturverweise

Auffenberg, Heß (2021): Arbeitnehmerkammer Bremen und SOCIUM der Universität Bremen, „Pflegekräfte zurückgewinnen – Arbeitsbedingungen und Pflegequalität verbessern“ Bericht zur Studie „Ich pflege wieder, wenn...“. Jennie Auffenberg, Moritz Heß. Kurzfassung.

BMG 2020: Konzertierte Aktion Pflege – Erster Bericht zum Stand der Umsetzung der Vereinbarungen der Arbeitsgruppen 1-5, hrsg. vom Bundesministerium für Gesundheit.

IAB 2021b: Presseinfo Nr. 19: Tag der Pflege – Mehr Beschäftigte in Pflegeberufen.

IAB 2021a: Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2021: Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt– Arbeitsmarktsituation im Pflegebereich, Nürnberg Mai 2021.

IW 2018: „Fachkräfteengpasse in der Altenpflege“, Institut der deutschen Wirtschaft, IW Trends 2/2018, Regina Flake, Susanna Kochskämper, Paula Risius, Susanne Seyda.   

Nell 2021: Studien zur Sozialpolitik „Das kann es doch gar nicht geben: Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit unter den Pflegekräften.(…)“. Werner Nell.
aktuelle-sozialpolitik.de/2020/08/26/pflegeberufe-arbeitslosigkeit-und-loehne/ Aufruf am 01.07.21.

Statistisches Bundesamt 2021:

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172651/umfrage/bedarf-an-pflegekraeften-2025/ Aufruf am 01.07.21.

TAZ 2021: Interview mit Christine Vogler, Leiterin des Berliner Bildungscampus und Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats. Die taz vom 05/06.06.21.

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