Ein Weg mit vielen Hindernissen

Zugewanderte Frauen mit ausländischen Abschlüssen begleitet die Migrant*innenorganisation kargah beim Einstieg in den Arbeitsmarkt – eine anspruchsvolle Aufgabe für die Mitarbeiter*innen des IQ Projekts "Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung", denn gerade zugewanderte Frauen müssen auf dem Weg zum Job viele Hürden überwinden.

Theresa Gese, Laura Heda

Die Migrant*innensorganisation kargah gibt es seit 1982. Zunächst fungierte sie als Beratungsstelle für Geflüchtete. 1986 wurde der Verein kargah als gemeinnützig registriert und hat sich seitdem kontinuierlich um wesentliche Arbeitsbereiche erweitert. Dazu gehören neben einem umfangreichen Beratungsangebot für Geflüchtete und Frauen auch Bildung, Kultur und Begegnung. Heute arbeiten bei kargah rund 70 Hauptamtliche, fünf Auszubildende sowie Honorarkräfte und Ehrenamtliche, die über 20 Sprachen sprechen.

Zielgruppen sind in erster Linie Geflüchtete und Frauen, aber auch Menschen mit Migrationsgeschichte allgemein. Die Herkunft steht dabei nicht im Fokus. kargah ist ein mehrsprachiger interkultureller Verein, der sich sozial und politisch engagiert und unabhängig von Parteien und Religionen ist. kargah setzt sich für eine Wir-Stadtgesellschaft ein, eine Gemeinschaft, die die Akzeptanz aller, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, Weltanschauung, Religion, sexueller Orientierung oder ihrem Geschlecht, Alter und sozialen Status ermöglichen soll. Alle sollen sozial und politisch teilhaben können.

kargah versteht sich als ein Bildungs-, Beratungs-, Kultur- und Begegnungsort, in dem sich alle mit Respekt und Achtung gegenüber ihrer vielfältigen Herkunft begegnen und ihre Unterschiede als Bereicherung wahrnehmen. Die Beratungsstelle zur Anerkennung und Qualifizierung ist an die Bereiche Beratung und Bildung von kargah angebunden. Dies ermöglicht Synergieeffekte. Zum einen durch den engen Austausch zwischen Kolleg*innen mit anderen Beratungsschwerpunkten, wie aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragen, und zum anderen durch die sehr gute Vernetzung mit Bildungsträgern in der Region.

kargah ist zudem über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und verfügt über einen großen Vertrauensvorschuss auf Seiten der Ratsuchenden. Es erreichen viele Menschen die Beratungsstelle, da sie ihnen von anderen Ratsuchenden empfohlen wurde. In der Beratung begegnen dem kargah-Team Frauen, die ganz unterschiedliche Erfahrungen, Wünsche und Voraussetzungen mitbringen. So sind neben dem Berufsfeld, die aufenthaltsrechtliche Situation sowie die persönliche Lebensgestaltung für die Möglichkeiten und Chancen einer qualifikationsgerechten Einmündung in den hiesigen Arbeitsmarkt wichtig.

Zwischen den bisher ausgeübten und den jeweils angestrebten sowie tatsächlich zur Verfügung stehenden Berufen herrscht dabei häufig eine große Diskrepanz. Die Ratsuchenden sind zum Teil gezwungen, in Berufsfelder mit niedriger Qualifikation oder erneute Ausbildungen zu wechseln. So machen beispielsweise ausgebildete Erzieherinnen mit Berufserfahrung oder studierte Lehrerinnen mitunter eine Ausbildung zur Sozialassistentin. Manche wechseln in eine Anstellung im Helferinnenbereich, wie Reinigung oder Gastronomie, um dem Wunsch nach beruflicher Aktivität nachgehen zu können.

Gerade in den sozialen Berufen ist es häufig ein langer Weg, in der erlernten Tätigkeit arbeiten zu können. Der Antrag auf Anerkennung und die danach folgende Gleichwertigkeitsprüfung führen selten zu einer vollen Anerkennung. Lange Wartezeiten und hohe Anforderungen an die Deutschkompetenzen zermürben die Ratsuchenden. Nicht selten spielen das Alter und die Übernahme von familiärer Verantwortung eine Rolle. Diese führen dann dazu, dass Frauen sich gegen eine Anerkennung mit den notwendigen Nachqualifizierungen entscheiden.

Einige Berufsfelder lassen sich aufgrund unterschiedlicher Ausbildungsstandards nicht auf Deutschland übertragen. Eine Ratsuchende aus Südkorea zum Beispiel, die chinesische Medizin studiert hat, hat hierzulande keine Aussicht in ihrem Fach zu arbeiten. Für Berufsausbildungen werden in den Herkunftsländern oft keine Zertifikate und Zeugnisse ausgestellt. Hat die Bewerberin sich ihre beruflichen Kenntnisse in einem verwandtschaftlichen Betrieb angeeignet, so gilt dies nicht als Qualifikation.

Versuche, auch solche Kompetenzen in Deutschland sicht- und nutzbar zu machen, verlaufen bisher eher schleppend. Hinzu kommt, dass die Arbeitsmärkte in den Heimatländern anders sind und sich Bewerbungsverfahren grundlegend unterscheiden. Die Anerkennunsgberater*innen von kargah stellen zudem fest, dass Ratsuchende teilweise durch Traumata stark belastet sind, was sich während der Beratung in emotionaler Instabilität niederschlägt.

Auch eine nicht gesicherte Finanzierung stellt eine enorme psychische Belastung dar. Die langwierigen Anerkennungsverfahren und ständigen Verzögerungen bei dem Eintritt in den Arbeitsmarkt führen nicht selten zu Resignation. Neben der Beratung ist daher die Begleitung und Unterstützung in diesem Prozess ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit in der Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung.

kargah verfolgt den Ansatz des Empowerments. Der Begriff steht für Arbeitsansätze in der psychosozialen Praxis, die Menschen zur Entdeckung der eigenen Stärken ermutigen und ihnen Hilfestellungen bei der Selbstbestimmung und Lebensautonomie vermitteln. Ziel ist, die vorhandenen, wenn auch verschütteten, Fähigkeiten zu stärken und Ressourcen freizusetzen, mit deren Hilfe die Beratenen die eigenen Lebensräume selbstbestimmt gestalten und eigene Stärken erfahren können.

Beziehungs- und Gesprächskompetenzen, sprachsensible Beratung, Anti-Diskriminierung als Grundsatz, Wissen über Bildungssysteme der Herkunftsländer, Sensibilität und Netzwerk-Kenntnisse für Ratsuchende mit traumatischen Erfahrungen sowie spezifische Methoden zur Einschätzung der formell wie informell erworbenen Kompetenzen stellen essentielle Kompetenzen der Berater*innen dar.

Insbesondere seien hier auch die Erfahrungen in der mehrsprachigen Kommunikation mit Ratsuchenden anderer Muttersprachen genannt, wenn es um komplexe und differenzierte Sachverhalte geht. Außerdem leistet kargah durch ergänzende Angebote einen Beitrag dazu, strukturellen Schwierigkeiten entgegenzuwirken.

Seit vielen Jahren ist kargah in der Frauenarbeit und Stärkung von Frauen aktiv. So gibt es die Beratungsstelle SUANA für Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und das Krisentelefon gegen Zwangsheirat. kargah hat kostenlose Angebote entwickelt, bei denen sich Frauen zwanglos begegnen können, wie zum Beispiel das Frauencafé La Rosa, wechselnde Kreativ- und Freizeitangebote, Sport und Gesundheit (Yoga, Nordic Walking, Fitness), Deutschlerngruppen, PC-Kurse für Migrantinnen und kulturelle Angebote.

Darüber hinaus ist der Verein Mitbegründer und aktives Mitglied in Netzwerken wie dem MigrantInnenSelbstOrganisationen- Netzwerk Hannover e.V. (MiSO-Netzwerk) und NeMiA - Netzwerk Migrantinnen und Arbeitsmarkt . Außerdem arbeitet kargah mit anderen Beratungsstellen zusammen wie zum Beispiel Frau und Beruf, einer Initiative, die Frauen beim beruflichen Wiedereinstieg unterstützt, der Arbeitsagentur (Gleichstellungsbeauftragte), der gemeinnützigen Pro Beruf GmbH, die Angebote zur schulischen, beruflichen und sozialen Integration junger Menschen bereitstellt, sowie dem Projekt "AZF3 - Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge".

Über die Autorinnen

Theresa Gese ist seit 2019 in dem IQ-Projekt "Zugewanderte Frauen im Anerkennungsverfahren" als Beraterin und sozialpädagogische Betreuerin tätig.

Laura Heda ist zuständig für Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit im Team Kultur & Begegnung bei kargah e.V.

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