Netzwerk IQ: Mit Kompetenz und Leidenschaft beraten

Seit 2005 unterstützt das Netzwerk IQ Menschen mit Migrationshintergrund bei der beruflichen Integration. Das Beratungsprofil des Programms wurde kontinuierlich weiterentwickelt und erweitert – und ist in Deutschland einzigartig.

Beratung wurde bereits seit der Gründung des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ 2005 als zentrales Instrument definiert, um die berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu unterstützen. Verschiedene Beratungsfelder mit Arbeitsmarktbezug wurden pilotiert und das Profil der IQ Beratung wurde in der Folge kontinuierlich und aktiv durch die Netzwerkmitglieder und deren Kooperationspartner weiterentwickelt.

Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung aus einer Hand

Einen ersten Meilenstein stellt die Formulierung von  Qualitätsmerkmalen einer migrationsspezifischen beschäf -tigungsorientierten Beratung in IQ 2011 dar. Die allmähliche Fokussierung auf Anerkennungsberatung gewann schließlich mit der Einführung des „Anerkennungsgesetzes“ (BQFG) 2012 deutlich an Bedeutung. Ratsuchende mit ausländischen Qualifikationen finden seitdem in der IQ Anerkennungsberatung unabhängig von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus Information und Begleitung zu Verfahren der Gleichwertigkeitsfeststellung. Schnell wurde deutlich: Für einen nachhaltigen qualifikationsadäquaten Arbeitsmarkteinstieg der Ratsuchenden bedarf es auch über den Teilanerkennungsbescheid hinaus professioneller Unterstützung. Das Profil der IQ Beratung wurde darum um die Qualifizierungsberatung erweitert, die eine Hilfestellung beim Finden von geeigneten Qualifizierungen zum Ausgleich wesentlicher Unterschiede und Brückenmaßnahmen anbietet. Es hat sich dabei bewährt, Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung in einem Beratungsvorgang zu verbinden und beides aus einer Hand anzubieten.

Seit 2018 gibt es zusätzlich die Beratung „Faire Integration”

Auf dem Weg zu einer ganzheitlichen, prozessorientierten Anerkennungsberatung hat sich das Fachwissen des Netzwerks stetig verbreitert: Beratung zu möglichen Förderinstrumenten im Anerkennungsverfahren und die Betrachtung der Anerkennungsverfahren im aufenthaltsrechtlichen Kontext wurden Teil des Modells. Mit den im letzten Jahr gemeinsam erarbeiteten einheitlichen Mindestanforderungen an Konzeption, Setting und Evaluation der IQ Anerkennungsberatung wird eine bundesweit hohe Qualität der Beratung gewährleistet. Ergänzend zur Anerkennungsberatung gibt es seit 2018 die Beratung Faire Integration: Geflüchtete und andere Migrant*innen, die nicht aus der EU kommen, erhalten hier Unterstützung zu arbeits- und sozialrechtlichen Fragestellungen. Ziel ist hier, über die in Deutschland geltenden Rahmenbedingungen zu informieren und so vor prekären Beschäftigungsbedingungen zu schützen.

Die Kraft des Netzwerks

Das IQ Netzwerk umfasst mittlerweile 74 feste und 100 mobile Anerkennungsberatungsstellen. Insgesamt wurden seit August 2012 über 300.000 Personen beraten, die meisten davon aus Syrien, der Russischen Föderation, der Türkei, dem Iran und Polen. Wie die häufigsten Herkunftsländer wandeln sich auch die häufigsten Referenzberufe mit der Entwicklung des Einwanderungsgeschehens. Über die Jahre hinweg lässt sich jedoch festhalten, dass Ingenieur*in, Arzt/Ärztin, Gesundheits- und Krankenpfleger*in sowie Lehrer*in insgesamt die häufigsten Referenzberufe sind, mit denen sich Ratsuchende an die IQ Beratungsstellen gewandt haben. Dabei konnte sich die IQ Anerkennungsberatung als Schnittstelle zwischen verschiedenen Akteuren etablieren, die für Anerkennungssuchende auf dem Weg zu bildungsadäquater Arbeitsmarktintegration relevant sind. Die enge regionale Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen, Beratungs- und Bildungsträgern, Ausländerbehörden, Sozialämtern, Arbeitgebern, Arbeitsagenturen und Jobcentern sorgt für kurze Klärungswege und einen aktuellen Informationsstand.

Diese verschiedenen Perspektiven werden in einem auf den individuellen Fall konzentrierten Beratungsprozess vereint. IQ ergänzt so die lokale Beratungslandschaft durch eine Expertise, die besonders in schwierigen Fallkonstellationen gefragt ist. Durch ihre Schnittstellenfunktion kann die IQ Anerkennungsberatung auch Hürden im Anerkennungsprozess identifizieren, an die jeweiligen Akteure spiegeln und die Optimierung der Verfahrensabläufe in einer vertrauensvollen Zusammenarbeit unterstützen. Die Wirkung der Beratung bleibt somit nicht auf individueller Ebene, sondern kann Strukturen mitgestalten und Einfluss nehmen auf den
 Weiterentwicklungsprozess, in dem sich zum Beispiel zuständige Stellen und die Arbeitsverwaltung seit Einführung des Anerkennungsgesetzes befinden.

16 Landesnetzwerke, übergreifend arbeitende Fachstellen und vielfältige Projektträger

Diese Funktion eines beratenden Bindegliedes kann die IQ Beratung nur einnehmen durch die Bündelung von umfassendem fachlichem Know-how: Anerkennungsgesetzgebung, Sozialrecht, Ausländerrecht, Kenntnisse über internationale Bildungssysteme und branchenspezifische Berufsprofile – das Portfolio von IQ Beratenden ist breit. Diese Kompetenz und hohe Professionalität schöpft die IQ Anerkennungsberatung auch aus der bundesweiten Zusammenarbeit. Mit seinen 16 Landesnetzwerken, den übergreifend arbeitenden Fachstellen und der Vielfalt an Projektträgern ist das Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“ selbst seine stärkste Ressource. Der gemeinsame Aufbau von Fachwissen, die Information über gesetzliche und strukturelle Neuerungen auf allen Ebenen und die Weiterentwicklung der Beratung im Netzwerk machen die Arbeit der IQ Anerkennungsberatung erfolgreich. Dies erfordert immer wieder eine richtige Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung, zwischen Einheitlichkeit im Beratungsspektrum und Flexibilität in der regionalen Umsetzung.

Potenziale nutzen

Ausgangspunkt für den Beratungsprozess sind immer die individuellen Potenziale, Interessen und Lebensumstände der Ratsuchenden: Wo stehen sie und welche Ziele haben sie? Das Anerkennungsverfahren wird nicht als Zweck, sondern als Mittel betrachtet und in einen Kontext von verschiedenen Arbeitsmarkteinstiegsmöglichkeiten, Qualifizierungswegen und Finanzierungsoptionen gesetzt. Die Anerkennungsberatung leistet Empowerment, zeigt Streckenpläne zur bildungsadäquaten Beschäftigung auf und unterstützt bei der Weichenstellung zur Hebung und Nutzung von – ggf. bislang unbekannten – Potenzialen. Ratsuchende sollen in die Lage versetzt werden, ihre Ressourcen zu entfalten und ihre Berufsbiografien entsprechend ihren Möglichkeiten möglichst selbstbestimmt zu gestalten. Die Beratungsgrundsätze der Unabhängigkeit und Freiwilligkeit gewährleisten dabei, dass die Anerkennungsberatung selbstmotiviert angenommen werden kann. Dies ist nicht nur eine Voraussetzung für eine vertrauensvolle Beratungsbeziehung: Nur wer frei entscheiden kann, wird die Schritte auf dem Weg zum beruflichen Ziel entschlossen anpacken.

Der Anerkennungsbescheid ist in diesem Prozess mehr als ein Papier für die Bewerbungsunterlagen: Er ist das greifbare Signal, dass eine wichtige Station auf dem Weg zur Wertschätzung der aus dem Ausland mitgebrachten Qualifikationen durch den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft erreicht ist. Eine formale Anerkennung gibt Selbstvertrauen und stärkt das Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen. Mit entsprechender Leidenschaft widmen sich die IQ Beratenden der verantwortungsvollen und komplexen Aufgabe, Ratsuchende auf diesem langen und manchmal hürdenreichen Weg zu begleiten.

Mehrsprachige Beratung – auch vor Ort und online

Die IQ Anerkennungsberatung zeichnet sich auch durch die hohe Migrationssensibilität der Beratenden aus. Wie Karl-Heinz P. Kohn betont: „Beraterinnen und Berater in der Einwanderungsgesellschaft brauchen Migrationskompetenz“. In IQ wird diese Kompetenz geschult, gepflegt und kritisch reflektiert. Die Anerkennungsberatenden wissen um die spezifischen Informations- und Unterstützungsbedarfe der Zielgruppe und um die Herausforderungen, die sich z.B. aus Wissensnachteilen, Deutsch als Zweitsprache und aus Diskriminierungserfahrungen ergeben können. Antworten auf Fragen rund um die Berufsanerkennung, deren Verständnis sprachlich und kulturell voraussetzungsvoll ist, werden Ratsuchenden zugänglich gemacht. Um die Zugangsschwelle zur Anerkennungsberatung so niedrig wie möglich zu halten, werden vielfältige Ansätze verfolgt: von mehrsprachigen Beratungsteams über die aktive Vertrauensbildung in migrantischen Communities bis hin zur Ansprache potenzieller Ratsuchender auch außerhalb der eigenen Beratungsräume (bspw. durch mobile oder virtuelle aufsuchende Beratung, wie der Beitrag von Laura Sajeva schildert).

Anerkennungsberatung soll verstetigt werden

Die Strukturen der IQ Anerkennungsberatung haben sich über lange Zeit entwickelt, das Fachwissen wurde immer umfangreicher und die Netzwerke immer enger. Nun steht das Angebot selbst an einer Weggabelung. Die Anerkennungsberatung hat sich so gut bewährt, dass sie die eigentlich größte Auszeichnung erhält: Sie soll zum Ende der aktuellen Förderrunde verstetigt und als Regelangebot etabliert werden. Diese Entwicklung entspricht genau dem Charakter des Förderprogramms: immer im Wandel begriffen. Allein, auch diese Weggabelung birgt Herausforderungen: Beim Transfer in die Regelförderung muss es gelingen, den Kern der IQ Beratung beizubehalten. Sollen die Gelingensfaktoren der IQ Anerkennungsberatung in ein neues Zeitalter der verstetigten Anerkennungsberatung übertragen werden, muss die vernetzte Struktur der Beratung mit ihrem migrationsspezifischen Know-how und ihrem ganzheitlichen Blick auf den individuellen Arbeitsmarktintegrationsprozess der Ratsuchenden erhalten bleiben. Dabei müssen die regionalen Besonderheiten der Netzwerke ebenso beachtet werden wie die in einem bundesweiten Austausch erarbeiteten Anforderungen an die IQ Beratung. Nur so ist gewährleistet, dass die Anerkennungsberatung auch zukünftig Ratsuchenden helfen kann, die richtigen Weichen zu stellen und ihren persönlichen Weg zu einer nachhaltigen, bildungsadäquaten Beschäftigung zu finden.

 

Über die Autorinnen

Katharina Bock ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb).

Evelien Willems ist Projektleitung der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb).

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