"Miteinander kooperieren ist zentrales Erfordernis unserer Zeit“

Jürgen Schröder leitet die Task Force zur Vorbereitung der Metropolis Konferenz in Berlin. Im Interview erläutert er die Vorbereitung der Veranstaltung, blickt zurück auf die Kooperation zwischen dem Netzwerk IQ und dem Metropolis-Projekt und erklärt, weshalb internationale Zusammenarbeit gerade bei aktuellen und künftigen Migrationsprozessen unabdingbar ist.

Herr Schröder, Sie waren über zehn Jahre in das Förderprogramm IQ involviert und sind seit einiger Zeit auch für Deutschland Mitglied der Steuerungsgruppe von Metropolis International. Für den Herbst 2022 konnten Sie die 25. Internationale Metropolis Konferenz nach Berlin holen. Gewähren Sie uns doch mal einen Einblick in die Vorbereitungen einer solch großen Konferenz.

Jürgen Schröder: Zunächst einmal freue ich mich sehr darüber, dass sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) entschieden hat, dieses international bedeutsame Netzwerk nach Berlin einzuladen und zukunftsorientiert bedeutende Themen im Bereich Migration und Integration zu diskutieren. Ich erinnere mich gut an die Konferenz 2015 in Mexico City. Sie war geprägt vom massenhaften Zustrom Geflüchteter nach Europa und insbesondere nach Deutschland. Wir haben dort viel Bewunderung erleben dürfen, wie Deutschland diese gewaltige Aufgabe bewältigt. Dort wuchs auch die Idee heran, die Konferenz nach Berlin zu holen. Nach 2008 in Bonn ist sie nun zum zweiten Mal in Deutschland.

Was ist nötig, um solch eine Veranstaltung zu planen und zu organisieren?

Schröder: Man nehme ein gutes Team, verlässliche Agenturen, eine ganze Portion Hartnäckigkeit und Durchsetzungswillen, eine solide Finanzierung und die Bereitschaft, für eine Weile auf Freizeit und Privatleben zu verzichten, dann hat man schon mal eine gute Grundlage. Mit der eigens für die Konferenz eingerichteten Task Force haben wir ein ausgezeichnetes Team zusammengestellt.#

Wie setzt sich das Team zusammen?

Schröder: Es setzt sich aus Vertreter*innen des IQ Netzwerkes, des BMAS und der TU Berlin zusammen. Wir stimmen uns eng mit der Steuerungsgruppe von Metropolis International ab. Über 70 Workshops, vier Pre-working groups zu den Hauptthemen der Konferenz, zwei internationale Symposien, ein der Konferenz vorgeschaltetes Doktorand*innen-Forum, Study-Touren, sechs Plenarsitzungen zu migrationspolitischen Schlüsselfragen, ein High-level Forum und ein anspruchsvolles Begleitprogramm zu organisieren, ist für uns alle eine gewaltige Herausforderung. Aber ich bin sicher, es wird eine tolle Konferenz!

Das Netzwerk IQ hat sich schon in der Vergangenheit auf Metropolis-Konferenzen engagiert und war dort zum Beispiel mit Workshops präsent. Wie ist diese Kooperation zwischen IQ und Metropolis International entstanden?

Schröder: Metropolis International ist traditionell ein stark vom wissenschaftlichen Austausch geprägtes Netzwerk. Es versteht sich als unabhängig und dem freien Austausch von Forschung, Politik und Zivilgesellschaft verpflichtet. Mit dem Engagement des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales haben wir dem Blick auf die arbeitsmarktpolitischen Zusammenhänge im Feld der Migration und Integration ein stärkeres Augenmerk verliehen. Deutschland konnte die großen Herausforderungen 2015, und übrigens auch die aktuellen Herausforderungen, nur bewältigen, weil wir über ausgezeichnete Migrations-Netzwerkstrukturen verfügen, mit hoch qualifizierten und engagierten Kolleg*innen. Das Förderprogramm IQ stand und steht immer noch für seine qualitativ hochwertigen Angebote in den zentralen migrations- und integrationspolitischen Handlungsfeldern: der Sprachförderung, und hier insbesondere seit 2016 mit der berufsbezogenen Sprachförderung, der Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, den Qualifizierungsmaßnahmen im Kontext des Anerkennungsgesetzes und den Angeboten in den Bereichen Diversity und Migrant*innenökonomie. Was lag näher, als diese Kompetenzen in das Metropolis-Projekt einzubringen, über unsere Erfahrungen zu berichten, von den internationalen Partnern zu lernen und Kooperationen zu schließen?

Wann war IQ das erste Mal auf einer Konferenz präsent und in welcher Form?

Schröder: IQ war das erste Mal 2009 auf der Internationalen Metropolis Konferenz in Kopenhagen vertreten. Wir haben dort verschiedene Workshops in den Handlungsfeldern Sprachförderung, interkulturelle Kompetenzentwicklung und Migrant*innenökonomie angeboten.

Welche inhaltlichen Schnittmengen gibt es zwischen Metropolis International und dem Netzwerk IQ?

Schröder: Die Diskussionen im Rahmen der Metropolis Konferenzen waren immer stark von den Entwicklungen im Bereich der Fluchtmigration und den Auswirkungen insbesondere in den Zielländern geprägt. Dabei wurden natürlich die unterschiedlichen Herangehensweisen und Lösungskonzepte sichtbar. Diese reichten von Abschottung und Isolation bis hin zu einer ausgeprägten Integrationskultur und einer starken Rolle der Non-Profit-Organisationen wie zum Beispiel in Kanada und Australien.

Beides klassische Einwanderungsländer…

Schröder: In der Tat. Deutschland musste erst in die Rolle eines Einwanderungslandes hineinwachsen. Die Schnittstellen lagen auf der Hand. Die Entwicklung von sprachlichen Kompetenzen hat in Deutschland einen hohen Stellenwert. Lange Zeit standen die Integrationskurse im Mittelpunkt. Die Entwicklung und Förderung von interkulturellen Kompetenzen, insbesondere bei den zentralen Arbeitsmarktakteuren, gewann zunehmend an Bedeutung und auch die Anerkennung von im Herkunftsland erworbenen Berufsabschlüssen rückte immer mehr in den Fokus der Diskussionen und des Erfahrungsaustausches im Rahmen der Metropolis Konferenzen.

Welche Impulse gingen für das Netzwerk IQ von der Zusammenarbeit mit Metropolis International und der Präsenz auf den Konferenzen aus? Gab es zum Beispiel IQ Projekte, die durch Metropolis-Konferenzen inspiriert und dann in Deutschland umgesetzt wurden?

Schröder: Wir konnten sowohl als Bundesregierung als auch als Netzwerker*innen sehr viel Nutzen aus der Kooperation ziehen und verschiedene Impulse für unsere Arbeit mitnehmen. Ich würde das gerne an drei Beispielen festmachen: Ein IQ-Projekt der Tür an Tür – Integrationsprojekte gGmbH aus Augsburg hat sich schon sehr früh im Metropolis Projekt engagiert. Mit der Brain Waste-Studie hat es einen wichtigen Grundstein für das spätere Anerkennungsgesetzt gelegt. Hier sind die Erfahrungen anderer Länder und Organisationen mit eingeflossen. Diese hatten oft ihren Ursprung in der Zusammenarbeit im Rahmen von Metropolis. Seit 2016 haben wir die berufsbezogene Sprachförderung gesetzlich verankert. Eine wichtige Rolle hat dabei die Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch des IQ Netzwerkes gespielt. Auch sie hat sich sehr im Metropolis Projekt und auf den Konferenzen engagiert und die Erfahrungen anderer Länder in ihrer Arbeit berücksichtigt. Und schließlich: Während die Gründung von Unternehmen durch Migrant*innen in Deutschland leider oft nur ein Randthema ist, hat sie in anderen Ländern traditionell einen anderen, deutlich höheren Stellenwert. Hier konnte die Fachstelle Migrantenökonomie viel Honig für ihrer Arbeit saugen und mit viel Geduld und Engagement dafür sorgen, dass diesem Handlungsfeld in Deutschland arbeitsmarktpolitisch mehr Beachtung geschenkt wurde.

Gab es umgekehrt IQ Angebote, die dann von anderen Staaten oder Akteuren kopiert und umgesetzt wurden?

Schröder: Dazu liegen uns leider nicht allzu viele Informationen vor. Wir wissen aber insbesondere von unseren kanadischen und australischen Kolleg*innen, dass die in Deutschland entwickelten Konzepte im Bereich der Sprachförderung, der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen und der interkulturellen Kompetenzentwicklung mit großem Interesse verfolgt wurden. In einer gemeinsamen Broschüre haben zudem kanadische Netzwerker*innen und das Netzwerk IQ die jeweiligen Integrationskonzepte gegenübergestellt und über die Erfahrungen und Ergebnisse berichtet.

Auf welche Resonanz stieß das Netzwerk IQ mit seinen Angeboten auf den Metropolis-Konferenzen?

Schröder: Die Resonanz war und ist sehr positiv. Das wird unter anderem darin sichtbar, dass Anne Güller-Frey von Tür an Tür in Augsburg als Vertreterin des IQ Netzwerkes und ich selbst, als Vertreter des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, im Jahr 2015 eingeladen wurden, in der Steuerungsgruppe von Metropolis International mitzuwirken. Ein Meilenstein der Zusammenarbeit war ein gemeinsames, internationales IQ Symposium mit dem Titel „Arbeitsmarktintegration von Eingewanderten in Deutschland und Europa. Herausforderungen, Perspektiven, Chancen“, das 2016 in Berlin in Kooperation zwischen dem IQ Netzwerk und Metropolis International ausgerichtet wurde und große nationale sowie internationale Beachtung gefunden hat. Viele Teilnehmer*innen der Internationalen Metropolis Konferenzen sind für dieses Symposium nach Berlin gekommen. Darüber hinaus war Metropolis International mit mehreren Vertreter*innen auch in beide IQ Kongresse in den Jahren 2014 („Gekommen, um zu bleiben - Zur Zukunft der Integration in Deutschland“) und 2016 („Migration bewegt – Menschen I Gesellschaft I Politik“) involviert.

Was kann Deutschland von anderen Ländern und vergleichbaren Förderprogrammen lernen?

Schröder: Voneinander lernen ist wichtig, miteinander kooperieren ist mindestens genauso wichtig und ein zentrales Erfordernis unserer Zeit. Wir stehen im Bereich der internationalen Migration vor gewaltigen Herausforderungen, die wir, meines Erachtens, derzeit in ihrer Tragweite nur erahnen können.

Welche Faktoren werden sich auf internationale Migrationsbewegungen auswirken?

Schröder: Multiple Krisen werden das Geschehen genau so nachhaltig beeinflussen, wie die klimabedingten Wanderungsbewegungen und die technologischen Veränderungen in unserer Lebensumwelt. Wie können die damit verbundenen Prozesse nachhaltig und fair gestaltet werden, fair für die betroffenen Menschen, ihre Herkunftsländer und die aufnehmenden Gesellschaften? Wie können Fehler der Vergangenheit vermieden werden, als Arbeitskräfte geholt wurden und Menschen gekommen sind? Diese Fragen bedürfen einer gemeinsamen Strategie, sie brauchen den Austausch, Kooperation und Vernetzung. Deutschland ist gut beraten, den internationalen Austausch zu suchen, voneinander zu lernen und aufeinander zuzugehen. Metropolis International bietet dafür eine hervorragende Plattform: transnational, interdisziplinär und unabhängig. Die 25. Internationale Metropolis Konferenz 2022 in Berlin kann dafür ein Türöffner sein und wichtige Akzente setzen. Sich dafür als Team einzusetzen, ist alle Mühe wert!

Die Fragen stellte Markus Fels.

Jürgen Schröder arbeitet im Referat "Grundsatzfragen der Migrations- und Integrationspolitik" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Er ist Leiter des Organisationsteams der Internationalen Metropolis Konferenz 2022 – Berlin.

X