Erfolgreich beraten in turbulenten Zeiten

Das vom deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) initiierte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt ProRecognition bietet Anerkennungsberatung für qualifizierte Fachkräfte im Ausland.

Corona hat die deutsche Wirtschaft hart getroffen. Dennoch werden viele Unternehmen qualifizierten Nachwuchs aus dem Ausland benötigen, zumindest langfristig. Die Lücke zwischen Jobangeboten und tatsächlich vorhandenem Arbeitskräftepotenzial wird hierzulande weiterwachsen, da sind sich Arbeitsmarktexpert*innen weitgehend einig.

ProRecognition wirkt diesem Negativtrend entgegen. 2015 mit acht Ländern gestartet, bietet das vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) initiierte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt Anerkennungsberatung für qualifizierte Fachkräfte im Ausland. An nunmehr 10 AHK-Standorten (Ägypten, Algerien, Indien, Iran, Italien, Polen, Vietnam sowie – neu seit Anfang 2020 – Bosnien und Herzegowina, Brasilien und Kolumbien) werden ausländische Fachkräfte mit akademischem und beruflichem Abschluss von ProRecognition-Berater*innen zu allen Fragen der Anerkennung informiert.

Neue Möglichkeiten durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Im Jahr 2020 ist ProRecognition in die zweite Projektphase bis 2023 gestartet. Zu Recht, denn das im März 2020 verabschiedete Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Unter der Voraussetzung eines vorliegenden Anerkennungsbescheids haben Fachkräfte aus Drittstaaten nun Zugang zum gesamten deutschen Arbeitsmarkt – unabhängig von ihrem Berufsabschluss. Vorher war das nur für bestimmte Engpassberufe möglich. Das Gesetz soll zudem die Einreise und den Aufenthalt für Fachkräfte aus dem Ausland erleichtern.

Den Praxistest beeinträchtigte die Corona-Pandemie leider massiv. Deutsche Unternehmen waren und sind betroffen von den Auswirkungen des Lockdowns und stellten teilweise die Suche nach Fachkräften ein. Reisen funktionierte nicht oder nur eingeschränkt und Deutschkurse werden über die Sprachinstitute meist nur noch online angeboten. Auch die zuständigen Stellen in Deutschland bearbeiteten Anträge eine Zeit lang verzögert und viele Botschaften halten immer noch einen Notbetrieb aufrecht. Das alles hat Auswirkungen.

Diese Situation erschwert die Beratung zur Anerkennung, zumal auch die Beratungsstellen im Ausland, die vom Kontakt zum Kunden leben, über Nacht ins Homeoffice gehen mussten. Erfreulicherweise konnten die Standorte insgesamt die Zahl der Beratungen im Vergleich zum Jahr 2019 halten, das Interesse ausländischer Fachkräfte an einer Beratung zur Anerkennung ist ungebrochen hoch.

Fachkräfte durch das Anerkennungsverfahren begleiten

Es zeigt sich jedoch, dass es gegenwärtig noch mehr Anstrengungen braucht, geeignete Fachkräfte eng durch das Verfahren zu begleiten und hinterher bei den weiteren Schritten in Richtung deutschen Arbeitsmarkt tatkräftig zu unterstützen. So geben die ProRecognition-Berater*innen Hinweise auf Sprachkurse, unterstützen bei der Vorbereitung von Bewerbungsunterlagen und informieren über das Visumverfahren.

Dies alles, weil die gelungene Anerkennung allein nicht ausreicht, um in Deutschland arbeiten zu können. Es braucht mehr denn je ergänzende Angebote vor Ort, um aus gelungener Anerkennung auch Erfolgsgeschichten zu machen, die erst mit der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt enden.

Beratungsnachfrage ungebrochen hoch

Deutschland braucht Fachkräfte und Fachkräfte wollen nach Deutschland. Corona wird beide Trends langfristig nicht bremsen. Die Nachfrage von Fachkräften aus dem Ausland ist bis zum 3. Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast unverändert hoch geblieben. Auf der anderen Seite stellt ProRecognition fest, dass die Zahl der Antragstellungen der in diesem Zeitraum beratenen Personen fast um die Hälfte eingebrochen ist.

Ein Beispiel aus Algerien: Mit Unterstützung und Ausdauer zum Job in Deutschland

Wie eine erfolgreiche Anerkennungsberatung aussehen kann, zeigt der Fall von Billal Allouche aus Algerien. Der ausgebildete Anlagenmechaniker träumte schon als Kind davon, irgendwann in Deutschland zu arbeiten. 2014 kam er als Geflüchteter und arbeitete vier Jahre beim Installateur-Fachbetrieb Janzen im niedersächsischen Wardenburg. Er bekam viel Unterstützung von seinem Arbeitgeber, lebte sich schnell ein und belegte einen Deutschkurs.

Doch dann lief sein Aufenthaltstitel ab. 2018 ging es zurück in die alte Heimat. Seinen Traum, in Deutschland zu leben und zu arbeiten, wollte und konnte er nicht aufgeben. Er hatte aber keinen Plan, wie er diesen realisieren könnte, bis ihm schließlich eine Bekannte aus Deutschland vom Projekt ProRecognition erzählte.

Schnell nahm er Kontakt zur Beratungsstelle an der AHK Algerien auf. Erst hier erfuhr er, dass er ohne einen Bescheid über die volle oder teilweise Gleichwertigkeit seiner beruflichen Qualifikation nicht nach Deutschland kommt. Der bereits gemeinsam mit dem künftigen Arbeitgeber eingereichte Visumantrag war dementsprechend unvollständig. Die Anerkennung war das elementar wichtige Puzzlestück, das fehlte.

Alle Hebel in Bewegung setzen

Jetzt musste es schnell gehen. Das Antrittsdatum mit der Firma in Deutschland war schon vereinbart, viel Zeit blieb nicht mehr. Anerkennungsberater Sofiane Ramdani setzte von Algerien aus alle Hebel in Bewegung und reichte mit ihm den Antrag zur Anerkennung der beruflichen Qualifikation als Anlagenmechaniker bei der zuständigen Behörde – der Handwerkskammer Oldenburg – ein: Vom Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft, das im Netzwerk IQ zu Anerkennung und Qualifizierung berät, erhielt der ProRecognition-Berater parallel die Information, dass Herr Allouche von der HWK nur einen teilweisen Gleichwertigkeitsbescheid auf Gesellenniveau ausgestellt bekommen wird.

Anders als bei Meisterniveau werden mit solch einem Bescheid in der Regel keine Anpassungsqualifizierungspläne ausgestellt. Ohne Anpassungsqualifizierung kein Visum. Das war auch Sofiane Ramdani klar. Er setzte sich hin und schrieb den Anpassungsqualifizierungsplan für Billal Allouche selbst. Mit Erfolg: Nachdem der Bescheid zur teilweisen Anerkennung schließlich ausgestellt wurde, akzeptierte die Handwerkskammer auch den Qualifizierungsplan des Anerkennungsberaters zum Nacharbeiten der fehlenden Kenntnisse.

Sobald Herr Allouche die fehlenden Inhalte nun nachgeholt hat, wird ihm die HWK Oldenburg einen Bescheid über die volle Gleichwertigkeit ausstellen. Mit dieser Aussicht nahm Sofiane Ramdani Kontakt zum ProRecognition-Kooperationspartner "Zentrale Auslands- und Fachvermittlung" (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit auf, um zeitnah die Vorabzustimmung der Bundesagentur für Arbeit zu erhalten. Damit stand einer zügigen Bearbeitung des Visumantrages bei der Botschaft nichts mehr im Weg.

Anfang Oktober 2020 war es dann endlich soweit: Herr Allouche erhielt sein Visum von der deutschen Botschaft in Algerien zur Beschäftigung im Rahmen der Qualifizierungsmaßnahme zum Anlagenmechaniker. Ein gutes Zeichen, belegt es doch, dass auch in schwierigen Zeiten Anerkennung und Erwerbsmigration funktionieren, wenn alle am Prozess Beteiligten eng zusammenarbeiten.

"Das beste, was mir passieren konnte" 

Billal Allouche ist sich jedenfalls sicher, dass er ohne die Beratung und Betreuung von ProRecognition noch heute auf seine Arbeitserlaubnis warten würde. "Sofiane war das Beste, was mir überhaupt passieren konnte", sagt er heute über die Unterstützung des ProRecognition-Beraters. Wenige Tage nach Erhalt des Visums flog er nach Frankfurt, von dort aus ging es weiter mit dem ICE nach Oldenburg. "Ich freue mich sehr auf Deutschland, meine alten Kolleginnen und Kollegen und meinen ersten Arbeitstag", sagte er wenige Tage vor der Abreise.

Dennoch wird es dieses Mal anders sein. Denn nach erfolgreich absolvierter Anpassungsqualifizierung wird er auch formal ein anerkannter Kollege sein. Das gibt ihm Selbstvertrauen und Sicherheit. Die Integration wird ihm gelingen.

Über den Autor

Manuel Patané ist Projektreferent Öffentlichkeitsarbeit bei DIHK Service GmbH.

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