Vom Präsenzunterricht hin zu virtuellem Lernen: Erfahrungen aus IQ Qualifizierungen

Anpassungslehrgang, Vorbereitungskurs auf die Kenntnisprüfung, Brückenmaßnahme für Akademiker*innen … – das Förderprogramm IQ bietet eine breite Palette an Qualifizierungsmaßnahmen im Kontext des Anerkennungsgesetzes. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie fand ein Großteil davon vorwiegend im Präsenzunterricht statt. Eine Abfrage bei den Landesnetzwerken Anfang 2021 hat ergeben, dass sich das inzwischen deutlich geändert hat: Gut die Hälfte der befragten Qualifizierungsmaßnahmen wurde zu diesem Zeitpunkt überwiegend online durchgeführt. Ein Fünftel fand ausschließlich im virtuellen Format statt. Die Mehrheit dieser virtuellen Angebote soll auch weiterhin online stattfinden oder zumindest virtuelle Lernphasen beibehalten. Welche positiven und negativen Erfahrungen haben die Qualifizierungsprojekte mit dieser Umstellung gemacht? Wir geben Ihnen einen Einblick:

Flexibilität und Kostenfragen

Ein bedeutender Vorteil des virtuellen Unterrichts ist die räumliche und zeitliche Flexibilisierung. Anfahrtswege fallen weg und es können auch Personen am Unterricht teilnehmen, die Kinder betreuen oder zu weit vom Kursort entfernt wohnen. Dies erhöht die Reichweite der Angebote und reduziert den zeitlichen wie finanziellen Aufwand für die Teilnehmenden. Auch die Anbieter von Qualifizierungen haben einen finanziellen Vorteil, weil Mietkosten für Unterrichtsräume sowie Materialkosten entfallen und auch bei Dozierenden oder Gastreferierenden keine Fahrtkosten entstehen.

Technische Hürden und organisatorischer Aufwand

Häufig verfügen die Teilnehmenden über keine stabile Internetverbindung oder über die nötigen Endgeräte. Fehlende Kenntnisse im Umgang mit Online-Tools erschweren den Unterricht zusätzlich. Hier kann eine separate Schulung der Teilnehmenden und auch der Dozierenden vor Kursbeginn Abhilfe schaffen. Als Empfehlungen aus der Befragung gingen zudem die laufende Betreuung durch einen technischen Support sowie die Erstellung einer Netiquette hervor. In Bezug auf die technische Ausstattung sind verschiedene Leihmodelle denkbar. Damit auch schwache Internetverbindungen mithalten, könnte auf weniger datenintensive Tools ausgewichen oder die Videoübertragung ausgeschaltet werden. Allerdings können diese Lösungsmöglichkeiten wiederum Nachteile mit sich bringen, beispielsweise Kosten für die Anschaffung von Leihgeräten oder der Verzicht auf nützliche technische Funktionen. Daher müssen die verschiedenen Bedürfnisse und Anforderungen im Einzelfall abgewogen werden.

Die genannten Aspekte lassen bereits erkennen, dass die Betreuung der Teilnehmenden im virtuellen Modus oft mit mehr Aufwand verbunden ist als im Präsenzunterricht. Ebenso ist die Umstellung der Unterrichtskonzepte und Materialien auf das virtuelle Format für die Anbieter sehr arbeitsintensiv. Das virtuelle Format bietet jedoch auch organisatorische Vorteile. Lernunterlagen sind einfacher zugänglich und Kooperationen mit anderen Akteuren können leichter realisiert werden.

Sprachbarrieren und Kommunikation

Die zwischenmenschliche Ebene ist eine weitere Herausforderung im virtuellen Raum. Persönliche Bindungen entstehen hier wesentlich langsamer und weniger intensiv. Dies betrifft den Austausch und Zusammenhalt der Teilnehmenden untereinander. Aber auch die Vertrauensbasis zwischen Teilnehmenden auf der einen Seite und Dozierenden oder Betreuungspersonen auf der anderen Seite leidet unter der Distanz. (Wie Nähe im virtuellen Raum geschaffen werden kann, erfahren Sie im Newsletterbeitrag der Virtuellen Brückenmaßnahmen der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung.) Für Teilnehmende mit geringen Sprachkenntnissen sind die Kommunikation, der Spracherwerb und das Verstehen der vermittelten Inhalte im virtuellen Raum besonders schwierig. Diesen Herausforderungen sind einige Qualifizierungsprojekte bisher begegnet, indem sie die Dozierenden zu Möglichkeiten der Gruppenfindung im virtuellen Raum schulen oder eine Teilnahme am entsprechenden Schulungsangebot aus dem IQ Netzwerk ermöglichen. Außerdem motivieren sie die Teilnehmenden dazu, sich über Chat-Gruppen zu vernetzen. Schließlich haben sie verschiedene virtuelle und auch telefonische Angebote zum Austausch geschaffen.

Lernen im virtuellen Raum

Darüber hinaus sind durch die Umstellung auf den virtuellen Modus neue Lern- und Arbeitsformen entstanden. Dazu zählen einerseits interaktive Angebote wie beispielsweise kooperatives Schreiben mit Online-Tools. Andererseits wird durch flexible Selbstlern-Phasen das autodidaktische Lernen verbessert und die Angebote können stärker individualisiert werden. Außerdem wird in virtuellen Qualifizierungen zusätzlich zu den regulären Lerninhalten die digitale Kompetenz der Teilnehmenden geschult. Jedoch ist es im virtuellen Modus schwieriger, die Teilnehmenden zu erreichen und individuelle Lernfortschritte zu überprüfen. Ebenso leiden bei manchen Teilnehmenden die Motivation, Verbindlichkeit und Konzentrationsfähigkeit bei einer Unterrichtsteilnahme von zuhause aus. Schließlich gibt es abgesehen von dem bereits genannten Sprachaspekt weitere Kompetenzen und Inhalte, die im virtuellen Raum deutlich schwerer oder gar nicht vermittelt werden können. Dazu gehören soziale Kompetenzen, interkulturelles Lernen und praktische Fähigkeiten. Hier ist didaktische Kreativität gefordert, um die Teilnehmenden am Ball zu halten.

Insgesamt positive Bilanz

Neben verschiedenen Potenzialen bringt die Umstellung auf virtuelle Qualifizierungen somit auch Herausforderungen mit sich. Für viele davon haben die IQ Qualifizierungsprojekte bereits bemerkenswerte Lösungsansätze entwickelt und erprobt. In einigen Punkten sind dem Lehren und Lernen im virtuellen Raum allerdings auch Grenzen gesetzt.

Aus Rückmeldungen vonseiten der Teilnehmenden an die  Qualifizierungen selbst geht hervor, dass sie sich zum Teil schnell auf den virtuellen Modus eingestellt haben und dass sie dankbar dafür waren, dass die Umstellung ihnen eine Teilnahme an einer IQ Qualifizierung trotz Corona-Pandemie ermöglicht hat. Die Absicht zahlreicher Qualifizierungsprojekte, den virtuellen Schwerpunkt bzw. virtuelle Lernanteile beibehalten zu wollen, zeigt, dass die Umstellung auf virtuelle Qualifizierungen für viele Angebote erfolgreich war und die positiven Erfahrungen mit diesem Format zumindest zu Zeiten der Pandemie überwiegen.

Ein Beitrag von Larissa Zier für den Newsletter 4/2021 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung

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