So bleibt’s: Vom Modellprojekt zur Verstetigung
Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ ermöglicht die Erprobung von Qualifizierungsmaßnahmen im Kontext der beruflichen Anerkennung – mit dem Ziel, bewährte Ansätze als regelhaftes Angebot zu etablieren. An der Evangelischen Hochschule (EHB) ist dies bereits gelungen: mit der AZAV-Zertifizierung eines Anpassungslehrgangs für Hebammen. Wie genau, das erläutert Projektleiterin Prof. Dr. Melita Grieshop im Interview.
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch! Sie haben es geschafft, Ihr in IQ entwickeltes und erprobtes Qualifizierungsangebot über eine AZAV-Zertifizierung auch nach der aktuellen IQ Förderrunde zur Verfügung stellen zu können. Wie lief der Prozess der Zertifizierung bei Ihnen ab?
Prof. Dr. Melita Grieshop: Die Verstetigung des Projekts war ausgewiesenes Projektziel, also bereits im Projektantrag verankert, so dass der Prozess bereits im 2. Projektjahr angestoßen werden konnte.
Am Beginn des Zertifizierungsprozesses mussten wir uns zunächst über Recherche und Fortbildungen des IQ Netzwerkes über das Verfahren, die damit verbundenen Voraussetzungen und die erforderlichen Prozesse kundig machen. Zudem mussten wir eine geeignete Fachkundige Stelle auswählen, die kostengünstig ist und Bezug zu Gesundheits- oder Sozialberufen ausweist. Damit verbunden war die interne Prüfung der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB), ob und in welcher Weise die Verstetigung des Anpassungslehrgangs über AZAV für die EHB kostendeckend sein würde. Da dieses Verfahren erstmalig an unserer Hochschule umgesetzt werden sollte, waren umfangreiche und zeitaufwändige Gespräche aller Beteiligten der EHB erforderlich.
Als sehr hilfreich hat sich dabei die externe Beratung durch eine Expertin für die AZAV-Zertifizierung erwiesen. Unter dieser professionellen Beratung konnten wir dann den Zertifizierungsprozess und die damit verbundenen internen Dokumente zielgerichtet vorbereiten, so dass das Audit zur Zertifizierung erfolgreich war und sowohl Träger als auch Maßnahme rechtzeitig zertifiziert wurden. Damit hatten wir es geschafft und konnten die Möglichkeit der Teilnahme über Bildungsgutschein öffentlich über die Homepage des Anpassungslehrgangs und über die Netzwerke incl. Arbeitsagenturen bekannt geben.
Welchen Herausforderungen standen Sie bei der Zertifizierung gegenüber?
Grieshop: Da die Zertifizierung über AZAV kein etablierter hochschulischer Vorgang ist, stand uns keine sachkundige Person an der EHB als Ansprechperson zur Verfügung und wir konnten nicht an Vorkenntnisse zum Procedere anknüpfen. Zudem waren Informationen für das hebammenwissenschaftliche Team des Anpassungslehrgangs teilweise schwer zugänglich. Zusätzliche personelle Ressourcen mit entsprechender Qualifizierung für die Zertifizierung konnten wir bei Antragsstellung nicht mitkalkulieren.Besonders herausfordernd stellten sich daher die Kostenkalkulation für den Anpassungslehrgang unter AZAV-Bedingungen mit der besonderen Logik des Bundeskostendurchschnittssatzes sowie die Genehmigung zusätzlicher finanzieller und personeller Ressourcen durch das Zentrum für Fort- und Weiterbildung der EHB (ZFW) für die Zertifizierung von Träger (ZFW) und Maßnahme (Anpassungslehrgang) dar.
Was können Sie anderen Bildungsdienstleistern bei der AZAV-Zertifizierung empfehlen/mitgeben?
Grieshop: Es empfiehlt sich sehr, eine professionelle Unterstützung für die Vorbereitung der Zertifizierung einzuholen. Dies entlastet das Team, welches sich dann um seine Kernaufgaben (Lehre und Lernprozessbegleitung) kümmern kann, und mindert das Risiko von fehlerhaften oder unvollständigen Dokumenten, die einzureichen sind. Ebenso wichtig sind eine fachangemessene Auswahl der Fachkundigen Stelle und ein früher direkter Kontakt zu dieser. Die benötigten personellen und finanziellen Ressourcen und die erforderliche Zeit für die Zertifizierung sollten früh ermittelt und zur Verfügung gestellt werden, damit der Prozess rechtzeitig abgeschlossen werden kann.
Grundsätzlich ist die Implementierung des Qualitätssicherungskonzepts recht aufwändig, aber sehr hilfreich. Wie jedes Qualitätsmanagementsystem trägt es dazu bei, die Qualität der Strukturen und Prozesse sowie zukünftig der Outcomes der Maßnahme kontinuierlich weiter zu verbessern.
Anpassungslehrgang für Hebammen aus Drittstaaten an der Evangelischen Hochschule Berlin
Personen mit außerhalb der EU erworbenem Berufsabschluss, die für die volle berufliche Anerkennung noch eine Ausgleichsmaßnahme benötigen, können sich im Anpassungslehrgang für Hebammen aus Drittstaaten für den deutschen Arbeitsmarkt qualifizieren. Der Lehrgang dauert 12 Monate und ist in Vollzeit zu absolvieren. Themenbereiche, die vermittelt werden, sind Schwangerschaftsbegleitung, Geburtshilfe, Wochenbettbetreuung und Stillberatung. Nachdem der Lehrgang erfolgreich abgeschlossen wurde, kann bei der zuständigen Stelle die volle Gleichwertigkeit des Berufs „Hebamme“ und damit die Berufserlaubnis beantragt werden. Damit dürfen die ehemaligen Qualifizierungsteilnehmenden bundesweit und selbständig ambulant sowie stationär in ihrem Beruf tätig sein.
AZAV-Zertifizierung
Eine Möglichkeit, ein projektiertes Qualifizierungsangebot in die Regelförderung zu überführen, ist eine Zertifizierung nach der „Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung“ (AZAV) des Dritten Sozialgesetzbuches (SGB III). Nur wenn diese Zertifizierung vorliegt, können die örtlichen Agenturen für Arbeit bzw. Jobcenter Arbeitssuchenden/-losen die Teilnahme an der Maßnahme fördern (z. B. anhand eines Bildungsgutscheins). Voraussetzung ist, dass vor der Maßnahme bereits die Bildungsinstitution zertifiziert wurde. Eine Zertifizierung nach AZAV erfordert ein umfangreiches Qualitätsmanagementsystem. Die Prüfung und Erteilung der AZAV-Zertifizierung obliegt einer der derzeit 37 Fachkundigen Stellen. Dabei kann die Bildungsinstitution die Fachkundige Stelle selbst auswählen. Die Zertifizierungskosten unterscheiden sich je nach Fachkundiger Stelle und sind von der Bildungsinstitution zu tragen.
Beitrag für den Newsletter 2/2022 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung. Das Interview mit Prof. Dr. Melita Grieshop (EHB) führte Melanie Adacker.