Interview

„Unser Kooperationsmodell ist unbedingt zur Nachahmung empfohlen“

Bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen im Gesundheitswesen in Rheinland-Pfalz arbeiten die zuständige Stelle und das IQ Netzwerk eng zusammen. Im Interview erläutern Irmgard Rose-Natzschka, Abteilungsleiterin beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, und Dr. Ralf Sänger, Leiter des IQ Netzwerks Rheinland-Pfalz, wie es dazu kam und welcher Mehrwert spürbar ist.

Das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung (LSJV) und das IQ Netzwerk arbeiten in Rheinland-Pfalz auf Basis zweier Kooperationsvereinbarungen gemeinsam daran, den Anerkennungsprozess für ausländische Fachkräfte im Gesundheitswesen möglichst effizient zu gestalten. Wie kam es dazu, und was genau wurde vereinbart?

Irmgard Rose-Natzschka: Mit den steigenden Antragszahlen im Gesundheitsbereich nahmen auch die individuellen Anfragen der Antragstellenden zu. Dabei ging es neben den Fragen zu den erforderlichen Formalien oft auch um übergreifende Aspekte wie Aufenthaltstitel, Visumanträge und Wohnungssuche. Das ging weit über unsere Zuständigkeit hinaus und überstieg auch unsere Kapazitäten, was für die Antragstellenden jedoch nicht immer nachvollziehbar war. Daher waren wir sehr dankbar, als wir mit dem IQ Netzwerk einen Kooperationspartner fanden, an den wir in solchen Fällen verweisen können und der die Fachkräfte im Vorfeld bei der Sichtung und Zusammenstellung der Unterlagen unterstützt. Diese Arbeitsteilung haben wir in Kooperationsvereinbarungen festgehalten, einmal im Kontext der akademischen Heilberufe und einmal für nicht akademische Gesundheitsberufe. Das darf man sich aber nicht wie einen Dienstleistungsvertrag vorstellen – die Vereinbarungen sind eher lose formuliert und quasi jederzeit kündbar.

Dr. Ralf Sänger: Im Grunde haben wir mit den beiden Vereinbarungen unser gemeinsames Commitment verschriftlicht, die Prozesse für die Antragstellenden möglichst reibungslos zu gestalten. Während das Landesamt als zuständige Stelle vor allem Aufgaben der Verwaltung innehat, hilft die IQ Beratung bei der Antragsvorbereitung und der anschließenden Qualifizierungsplanung und -begleitung. Dank eines vorgeschalteten Austauschs mit Mitarbeitenden des Landesamts sind die formalen Anforderungen für die IQ Kolleg*innen auch besser einzuordnen, sodass sie nun sehr zielgerichtet beraten können. Der Austausch wirkt sich übrigens auch positiv auf die Kommunikation aus: Es gibt klare Ansprechpersonen, und wenn man sich persönlich kennt, ist der Umgangston gleich viel freundlicher.

Ausländische Gesundheitsfachkräfte in Rheinland-Pfalz können sich – wie Personen anderer Berufe – zur Anerkennung ihres Abschlusses an eine allgemeine IQ Beratungsstelle wenden. Alternativ gibt es eine IQ Beratungsstelle speziell für akademische Heilberufe und eine landesfinanzierte Beratungsstelle für nicht akademische Gesundheitsfachberufe. Und die „IQ Servicestelle Gesundheitsberufe“ berät Einrichtungen des Gesundheitswesens zur Einstellung internationaler Fachkräfte. Welche Vorteile bietet diese Beratungsstruktur für interessierte Fachkräfte und für zuständige Stellen?

Sänger: Anerkennung, Qualifizierung, Arbeitsplatzsuche und Fachkräftesicherung – das ist solch ein komplexer Prozess, dass es einen möglichst ganzheitlichen Ansatz braucht. In einem ersten Schritt sind wir das im Bereich der Gesundheitsfachberufe angegangen. In enger Abstimmung mit dem Landesamt und dem zuständigen Ministerium verfolgen wir diese vernetzte Herangehensweise. Allerdings waren unsere Beratungskräfte alle ausgelastet. Daraufhin hat sich das damalige Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie1 bereiterklärt, zwei zusätzliche Stellen speziell zur Beratung internationaler Gesundheitsfachkräfte zu finanzieren. Ein kleiner Nachteil dieser Konstellation für uns als IQ Netzwerk ist, dass diese Beratungsfälle – im letzten Jahr wurden rund 2.000 Beratungen durchgeführt – nicht in unserer NIQ Datenbank auftauchen können und diese Berufssparte statistisch verwaist ist, so dass der Eindruck entstehen könnte, dass in Rheinland-Pfalz kein Nachfrage bei nicht akademischen Gesundheitsberufen besteht.

Rose-Natzschka: Bei den vielfältigen Schritten rund um die Gewinnung und Integration ausländischer Fachkräfte decken wir als Landesamt nur einen kleinen Ausschnitt ab, nach dem Bescheid endet die Zuständigkeit unserer Behörde erst einmal. Für die Fachkraft aus dem Ausland geht es dann aber erst richtig los: Sie muss sich im System zurechtfinden, einen Qualifizierungsplatz bei einer Pflegeschule suchen, sich mit dem deutschen Professionsverständnis vertraut machen – und ist dabei oft auf Unterstützung angewiesen. Manchmal ist es für die Antragstellenden auch schwer nachvollziehbar, warum es unterschiedliche Auflagen gibt – je nach Qualifikation reicht für die volle Anerkennung mal eine sehr kurze Qualifizierung, mal braucht es einen umfassenden Anpassungslehrgang, der fast einer neuen Ausbildung gleichkommt. Auch hier schafft die Beratung Transparenz und Verständnis.

Sänger: Insgesamt muss der Bescheid, aus dem ja auch der Qualifizierungsbedarf hervorgeht, erst einmal interpretiert werden – das ist selbst für Pflegeschulen und -einrichtungen nicht immer einzuordnen. An der Stelle fungiert IQ auch als Vermittler zwischen dem Landesamt, Qualifizierungsanbietern und zukünftigen Arbeitgeber*innen. Und wenn die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit ein neues Rekrutierungsprojekt im Gesundheitsbereich plant, stimmen wir uns vorab mit den Kolleg*innen des Landesamts ab, um den Anerkennungsprozess für die angeworbenen Fachkräfte möglichst geschmeidig zu gestalten.

Im Frühjahr 2020 trat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Wie wirkt sich das auf die Prozesse und Kooperationsstrukturen im Land aus?

Rose-Natzschka: Im Bereich der akademischen Heilberufe steigen die Zahlen, gleichzeitig sind die Prozesse komplizierter geworden. Seit Einführung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes benötigen die Fachkräfte, um ein Visum für die Einreise über §16d AufenthG beantragen zu können, zunächst einen Zwischenbescheid. Der Zwischenbescheid ist allerdings eher kurz gehalten und damit nicht allzu aussagekräftig. Daraus ergibt sich zusätzlicher Kommunikationsbedarf und aktuell auch ein Arbeitsstau.
Die Option des beschleunigten Fachkräfteverfahrens, bei dem die Zentrale Ausländerbehörde für Fachkräfteeinwanderung Rheinland-Pfalz (ZAB RLP) das Anerkennungsverfahren einleitet, wird nach unserer Erfahrung noch nicht oft genutzt. Das mag einerseits daran liegen, dass das Verfahren noch nicht allen Arbeitgeber*innen bekannt und für sie auch mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Andererseits hat hier sicher auch die Corona-Pandemie für Zurückhaltung gesorgt.

Sänger: Wir erleben vor allem einen Anstieg der Beratungsanfragen von Pflegefachkräften, auch aus dem Ausland. Daran anknüpfend hatten wir bereits erste Abstimmungsgespräche mit dem LSJV und der Zentralen Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA), die seit letztem Jahr im Ausland lebende Personen zur Anerkennung berät. Im Kontext des beschleunigten Fachkräfteverfahrens unterstützen wir die Zentrale Ausländerbehörde bei Anfragen von Arbeitgeber*innen, die eine Vollmacht ihrer Fachkräfte haben, zum Beispiel in Hinblick auf die Plausibilität eingereichter Dokumente.  

Angenommen, Sie hätten jeweils einen Wunsch frei: Welcher wäre das?

Rose-Natzschka: Vor allem wünsche ich mir, dass wir die Kooperation mit dem IQ Netzwerk fortsetzen und weiter vertiefen. Dr. Sänger und ich haben viel Energie investiert, um eine Win-win-Situation für alle Beteiligten zu schaffen, und retrospektiv kann ich sagen: Das war eine tolle Idee und ist ein guter Weg!

Sänger: Dem kann ich mich nur anschließen, denn unsere Kooperation ist nicht selbstverständlich. Bei manchen zuständigen Stellen haben wir teilweise noch immer den Eindruck, dass die IQ Beratung eher als Konkurrenz denn als Unterstützung wahrgenommen wird. Und ich würde es begrüßen, wenn unser Ansatz auch in anderen IQ Landesnetzwerken seine Kreise zieht. Ein ganz wesentliches Element dabei ist das Engagement der beteiligten Personen und eine Kontinuität auf Mitarbeitenden-Ebene.

Rose-Natzschka: Ja, unser Kooperationsmodell ist leicht transferierbar, lässt sich problemlos für andere Berufsbereiche anpassen – und ist unbedingt zur Nachahmung empfohlen!


1Nach den Landtagswahlen im März 2021 und den anschließenden Koalitionsverhandlungen gab es innerhalb der Ministerien veränderte Zuständigkeiten und daraus resultierende Namensänderungen. Das vormalige Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie nennt sich jetzt Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, ohne jedoch die Zuständigkeit für die nicht akademischen Gesundheitsberufe verloren zu haben.

Beitrag für den Newsletter 2/2021 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung, das Interview führte Laura Roser.
Der kooperative Ansatz aus Rheinland-Pfalz wurde auch als IQ Good Practice Beispiel ausgezeichnet.

X