Gut beraten zur fairen Arbeitsmarktintegration

(Neu-)Zugewanderte sind häufig unterhalb ihrer Qualifikation im Niedriglohnsektor beschäftigt. Ihre Rechte auf dem Arbeitsmarkt und Möglichkeiten der beruflichen Anerkennung sind ihnen oft unbekannt. Gezieltere Informationen und Unterstützung können dazu beitragen, ihre Situation nachhaltig zu verbessern.

In der Praxis zeigt sich, dass eine gute und enge Zusammenarbeit zwischen Fachberatungsstellen und weiteren Akteuren unabdingbar zur Verbesserung der Situation (neu)zugewanderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt und im Sinne einer ganzheitlichen Begleitung der Ratsuchenden ist. Im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ sind es vor allem die Beratungsstellen von Faire Integration und die Anerkennungsberatungsstellen, denen hier eine entscheidende Rolle zukommt. Die Berührungspunkte zwischen den beiden Angeboten sind vielfältig und betreffen insbesondere vier Bereiche:
 

1. Anerkennung und Qualifizierung als Ausweg aus prekären Beschäftigungssituationen

Ein Großteil der Ratsuchenden, der sich mit arbeits- oder sozialrechtlichen Fragen an eine der Beratungsstellen Faire Integration wendet, ist im Niedriglohnsektor beschäftigt, oftmals unterhalb der eigentlichen Qualifikation. Eine Beratung zu anerkennungsrechtlichen Fragen kann für diese Gruppe einen konkreten Ausweg aus den oftmals prekären Beschäftigungsverhältnissen darstellen. Die Faire-Integration-Beratenden können entsprechenden Beratungsbedarf durch gezieltes Nachfragen feststellen und dann an eine IQ Anerkennungsberatungsstelle vor Ort weiterleiten. Dabei kann auch geprüft werden, ob ggf. im familiären Umfeld der ratsuchenden Person weiterer Anerkennungsbedarf besteht. Bereits erworbenes Vertrauen und Reputation aus der einen Beratung kann dabei auf die andere übertragen werden.

Insbesondere für Menschen in prekären (Beschäftigungs-)Situationen spielt die Lebensunterhaltssicherung im Rahmen des Anerkennungsprozesses eine entscheidende Rolle. Hier können die Mitarbeitenden der Beratungsstellen Faire Integration und der Anerkennungsberatung gemeinsam die sozial- und förderrechtlichen Möglichkeiten erläutern und damit dazu beitragen, möglichen Abbrüchen entgegenzuwirken.

2. Arbeitsbedingungen während des Anerkennungsprozesses

Personen im Anerkennungsprozess befinden sich häufig bereits in einem Beschäftigungsverhältnis, jedoch oft ebenfalls im Niedriglohnsektor unterhalb ihrer beruflichen Qualifikation. In diesen Segmenten des Arbeitsmarktes kommt es besonders häufig zu arbeitsrechtlichen Verstößen, die bis hin zur Ausbeutung reichen und sich auch negativ auf den Anerkennungsprozess auswirken können. Wenn beispielsweise der Lebensunterhalt nicht gesichert ist, fällt es schwer, sich auf Anträge, Qualifizierungen oder auch nur den Termin zur Beratung zu konzentrieren. Hier kann die Anerkennungsberatung durch gezieltes Nachfragen Bedarfe erkennen und auf Informationsmaterialien sowie das Beratungsangebot von Faire Integration verweisen.
Diese Verweisberatung bietet sich auch an, wenn im Rahmen einer Teilanerkennung bzw. bei Auflage einer Ausgleichsmaßnahme Berufspraxis nachgeholt werden muss. Dann lässt sich klären, ob die arbeitsvertragliche Situation und die Gestaltung der Praxisphase geltendem Recht entsprechen. Großer Beratungsbedarf besteht auch bei Entlohnungsfragen, z. B. zum Thema Mindestlohn oder Tarifeingruppierung.

3. Faktische Anerkennung im Betrieb

Das Beratungsangebot Faire Integration leistet einen großen Beitrag zur faktischen Anerkennung von Qualifikationen und Kompetenzen im Betrieb. Denn nicht immer bedeutet eine erfolgreiche formale Anerkennung, dass der einstellende Betrieb diese auch faktisch anerkennt und entsprechend vorhandener Fähigkeiten und Tätigkeiten entlohnt. Diese Problemstellung und die damit verbundenen Fragen können in der Anerkennungsberatung erfolgreich thematisiert werden. Dabei kann zudem präventiv auf die Informationsmaterialien und das Beratungsangebot von Faire Integration hingewiesen werden. Eine starke Vernetzung zwischen den Anerkennungsberatungsstellen und dem Angebot von Faire Integration ist in solchen Fällen besonders vorteilhaft.


4. Regelungen aus dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nach §16d

Auch aus den neuen Regelungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes bzgl. anerkennungsinteressierter Personen können sich arbeits- und sozialrechtliche Fragen ergeben. So müssen Arbeitnehmende, die zum Zwecke der Anerkennung eingereist sind und zum Teil durch die Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) oder die örtliche Anerkennungsberatung betreut werden, zunächst einmal selbst Sorge dafür tragen, dass der Anerkennungsprozess auch weiter im Blick behalten wird. In der Vergangenheit wurden immer wieder Fälle beobachtet, wo Arbeitgebende nach der Einreise dem Anerkennungsinteresse des Arbeitnehmenden keine Beachtung mehr schenkten. Die Anerkennung der mitgebrachten Qualifikationen und die damit verbundene adäquate Bezahlung wurde dadurch erheblich erschwert bzw. unmöglich gemacht. Hier kann die Beratungsstruktur von Faire Integration helfen, indem sie zum Beispiel Qualifizierungsvereinbarungen überprüft. Auch der Einsatz von anerkannten Fachkräften als Hilfskräften kann im Einzelfall durch die Anerkennungsberatung beobachtet und zur Beratung an Faire Integration vermittelt werden.

Eine wichtige und zum Teil dubiose Rolle spielen in diesem Kontext einige Vermittlungsagenturen, die oftmals am Anerkennungsprozess verdienen, ohne dass dieser tatsächlich abgeschlossen ist. Die Ratsuchenden benötigen hier die gemeinsame Unterstützung von Faire Integration und der Anerkennungsberatung, um die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation auch wirklich erfolgreich abschließen zu können.

Auswirkungen der Corona-Pandemie

Neben diesen grundsätzlichen Überschneidungsbereichen zwischen den Beratungsangeboten gibt es aktuell pandemiebedingte Überschneidungspunkte. So haben einige Personen, die sich im Anerkennungsverfahren befanden bzw. befinden, aufgrund der Auswirkungen der Pandemie ihre Anstellung verloren oder wurden während der Praxisphase bzw. der Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme gekündigt. Zum Teil wurden ihnen dabei die ihnen zustehenden Rechte versagt (z. B. Kurzarbeitergeld). Um Ratsuchende in einer solchen Situation erfolgreich zu unterstützen und damit dazu beizutragen, dass begonnene Anerkennungsprozesse erfolgreich fortgeführt werden können, ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Beratungsstellen Faire Integration und der Anerkennungsberatung von besonderer Bedeutung. Dafür müssen sowohl die mit der speziellen Fallkonstellation verbundenen arbeitsrechtlichen Fragen (z. B. unrechtmäßige Kündigung), Fragen rund um das Thema Anerkennung (z. B. mögliche Ersatzqualifizierungen) sowie ggf. auch aufenthaltsrechtliche und lebensunterhaltssichernde Fragen gemeinsam mit den Ratsuchenden bearbeitet werden.

Förderliche Faktoren im Beratungsnetzwerk

An einigen Standorten findet bereits eine regelmäßige Zusammenarbeit zwischen den beiden IQ Beratungsangeboten statt. Das ist insbesondere dort der Fall, wo sie sich am selben Ort befinden. Neben „kurzen Wegen“ wirken sich auch regelmäßige informelle Austauschformate und gemeinsame Fortbildungen zwischen den beiden Beratungsstrukturen positiv auf die Zusammenarbeit aus. Perspektiven, Erfahrungen und Kenntnisse können so transferiert und damit die ganzheitliche Betrachtung verbessert werden. Zusätzlich können damit interkulturelle sowie Kompetenzen in Bezug auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit vergrößert und Netzwerkeffekte vergrößert werden. Dies wiederum ist eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration (neu)zugewanderter Menschen zu fairen Bedingungen.

Gastbeitrag von Ildikó Pallmann (Minor / IQ Fachstelle Einwanderung) und Daniel Weber (DGB Bildungswerk BUND) für den Newsletter 3/2021 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung.

Das bundesweite Beratungsangebot Faire Integration als Teil des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ wird durch eine Support-Struktur des DGB Bildungswerk BUND (Support Faire Integration) unterstützt und durch die IQ Fachstelle Einwanderung inhaltlich begleitet.

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