Wege internationaler Fachkräfte in deutsche Kitas – von Anerkennung bis Berufseinstieg

Fachkräfte aus dem Ausland können Personallücken in frühpädagogischen Einrichtungen verringern. Doch welchen Hürden begegnen sie auf dem Weg zur beruflichen Anerkennung? Welche Optionen zur Qualifizierung und des Berufseinstiegs bestehen aktuell? Die wichtigsten Erkenntnisse der Situationsanalyse „Berufliche Anerkennung frühpädagogischer Fachkräfte mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation“ der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung fasst der folgende Beitrag zusammen.

Anerkennung und Berufszugang

Im Durchschnitt sucht jede vorschulische Betreuungseinrichtung in Deutschland aktuell etwa drei Vollzeitfachkräfte; bundesweit fehlen ungefähr 173.000 Frühpädagog*innen (vgl. ver.di 2021). Gleichzeitig sind Beschäftigte mit Migrationshintergrund in dieser Branche stark unterrepräsentiert (vgl. Autorengruppe Fachkräftebarometer 2019, S. 107). Wenn also frühpädagogische Fachkräfte, die ihre Qualifikation im Ausland erworben haben, ihren Abschluss in Deutschland anerkennen lassen möchten, kommen sie dadurch nicht nur ihren persönlichen beruflichen Zielen näher, sondern können auch zur  Verringerung des Fachkräftemangels und zur weiteren interkulturellen Öffnung der Berufsfelds beitragen.

Zur Anerkennung frühpädagogischer Berufe fanden 2019 und 2021 über 3.200 Erstberatungen in IQ statt (vgl. NIQ Kurzanalyse Nr. 13). Zwischen 20161 und 2020 wurden fast 12.300 Anträge auf berufliche Anerkennung in frühpädagogischen Berufen gestellt – die meisten davon im Referenzberuf Erzieher*in (s. Abbildung 1). In etwa einem Fünftel der gestellten Anträge wurde eine volle Gleichwertigkeit beschieden, in etwa 40 Prozent wurden wesentliche Unterschiede festgestellt und etwa ein Viertel wurde gänzlich abgelehnt (s. Abbildung 2). Die Erfolgsaussichten auf eine berufliche Anerkennung in frühpädagogischen Berufen sind damit geringer als in anderen Berufen. Vor allem hängen sie davon ab, in welchem Bundesland der Antrag gestellt wird. Zwar sind die gesetzlichen Vorgaben landesrechtlich geregelt, jedoch unterscheiden sie sich nicht wesentlich voneinander und geben daher vermutlich nicht den entscheidenden Ausschlag. Stattdessen liegt die Vermutung nahe, dass zuständige Stellen bei der Prüfung der Gleichwertigkeit ihre rechtlichen Spielräume unterschiedlich nutzen und/oder dass die Ausbildungsstaaten, in denen die ausländischen Abschlüsse erworben wurden, zwischen den Bundesländern variieren. Als besondere Herausforderungen sehen IQ Expert*innen die hohen sprachlichen Anforderungen in diesem Berufsfeld sowie die teilweise hohen Auflagen, die Anerkennungssuchenden im Gleichwertigkeitsfeststellungsverfahren beschieden werden.

Zum Hintergrund der Situationsanalyse:

Die Situationsanalyse gibt einen Überblick über aktuelle Strukturen und Prozesse der beruflichen Anerkennung frühpädagogischer Fachkräfte und leitet Empfehlungen für operative und strategische Akteure im Handlungsfeld ab. Grundlage der Publikation sind Recherchen der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung sowie die Praxiserfahrungen von Beratungs- und Qualifizierungsträgern im IQ Netzwerk. Ebenso floss die Expertise der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch und der IQ Fachstelle Interkulturelle Kompetenzentwicklung und Antidiskriminierung mit ein.

Weitere Situationsanalysen der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung finden Sie hier.

Zum Berufsfeld:

Als frühpädagogische Berufe werden hier Berufe verstanden, die im Besonderen für eine Tätigkeit im vorschulischen Bereich qualifizieren. Dies sind Erzieher*in, Kindheitspädagogin*pädagoge sowie frühpädagogische Assistenzberufe (Kinderpfleger*in, Sozialassistent*in, Sozialpädagogische*r Assistent*in).[1] 
Alle genannten Berufe sind landesrechtlich geregelt. Berufsbezeichnungen und Berufsbilder vor allem der Assistenzberufe variieren je nach Bundesland.
Eine Reglementierung liegt bei Erzieher*innen, Kindheitspädagog*innen sowie in wenigen Bundesländern auch bei frühpädagogischen Assistenzberufen vor. Das bedeutet, dass die Berufsausübung aufgrund rechtlicher Regelungen an bestimmte Qualifikationen gebunden ist. Für im Ausland qualifizierte Fachkräfte ist die berufliche Anerkennung damit zwingende Voraussetzung, um in ihrem erlernten Beruf arbeiten zu dürfen. Neben der Berufsanerkennung gelten für den Berufszugang noch weitere Voraussetzungen wie ein bestimmtes Niveau an Deutschkenntnissen und die persönliche und gesundheitliche Eignung.


[1] Daneben gibt es weitere Berufe, die nicht im Besonderen, aber auch für eine Tätigkeit im vorschulischen Bereich qualifizieren – zum Beispiel Sozialpädagogin*pädagoge, Erziehungswissenschaftler*in und Heilerziehungspfleger*in.

Neben der beruflichen Anerkennung können ausländische Fachkräfte in den meisten Bundesländern auch über eine sogenannte Trägeranerkennung in ihrem erlernten Beruf arbeiten – also über eine Genehmigung der zuständigen Aufsichtsbehörde für die konkrete Stelle, den konkreten Träger oder das jeweilige Bundesland. Diesen Weg wählen nicht wenige Fachkräfte ­– manche zumindest vorerst, um Berufserfahrung in Deutschland zu sammeln und ihre Deutschsprachkenntnisse zu verbessern. Zudem gibt es in manchen Bundesländern weitere Möglichkeiten wie zum Beispiel Weiterbildungen zur pädagogischen Fachkraft oder eine Tätigkeit auf Grundlage einer ZAB-Bewertung.

Erschwerend für ausländische Fachkräfte auf ihrem Weg in eine qualifikationsadäquate Beschäftigung wirken wenig transparente Strukturen, was die genannten alternativen Möglichkeiten betrifft, sowie unklare und über die Bundesländer hinweg uneinheitliche Berufsbilder in diesem Bereich.

Ausgleichs- und Qualifizierungsmaßnahmen

Wenn bei der Gleichwertigkeitsprüfung wesentliche Unterschiede zwischen der ausländischen und der entsprechenden deutschen Qualifikation festgestellt wurden, können diese wahlweise durch eine Eignungsprüfung oder einen Anpassungslehrgang ausgeglichen werden. In der Praxis spielen Eignungsprüfungen in der Frühpädagogik allerdings kaum eine Rolle: Einerseits fehlt es bundesweit an Vorbereitungs- und Prüfungsoptionen, andererseits scheinen nur wenige ausländische Fachkräfte die anspruchsvolle Prüfung angehen zu wollen. Anpassungslehrgänge hingegen sind eine häufig gewählte Option. Je nach Bundesland und Beruf werden sie als Kurs angeboten (aktuell in acht Bundesländern und v.a. für Erzieher*innen, s. Abbildung 4) oder individuell organisiert. Die Qualifizierung umfasst Praxisphasen an einer frühpädagogischen Einrichtung und/oder theoretische Einheiten an einer Fach(hoch)schule. Aus verschiedenen Gründen (z.B. begrenzte personelle und zeitliche Ressourcen) gelingt es jedoch nicht immer, die beiden Akteure für die Konzeption und Umsetzung von Anpassungslehrgängen zu gewinnen, sodass es in manchen Regionen an Angeboten mangelt.

Wenn ausländische Fachkräfte den Anpassungslehrgang im Rahmen eines regulären Ausbildungsangebots absolvieren, indem bspw. Kindheitspädagog*innen ausgewählte Module an einer deutschen Hochschule belegen, kann wiederum schon allein das Zurechtfinden im hiesigen System eine Herausforderung darstellen. Hier knüpfen IQ Projekte in Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen an, die begleitende Angebote entwickelt haben und bspw. Unterstützung in fachlichen Fragen oder bei der Organisation von Praxisphasen bieten.

Um die für eine Ausgleichsmaßnahme bzw. den Berufszugang erforderlichen Deutschkenntnisse zu erwerben, sind Sprachkurse sinnvoll, die gezielt auf die kommunikativen Anforderungen im Berufsfeld vorbereiten. Berufssprachliche Kurse für (früh)pädagogische Fachkräfte sind jedoch ebenfalls nicht flächendeckend verfügbar, zumal diese nicht Teil des DeuFöV-Angebots nach § 45a AufenthG sind. Allerdings wurden im Förderprogramm IQ bereits mehrere einschlägige Angebote erprobt (derzeit sind Kurse in zehn Bundesländern verfügbar). Damit einhergehend wurden praxisnahe Publikationen und Materialien zur Ausgestaltung berufssprachlicher Kurse und Prüfungen für die Zielgruppe entwickelt.2

Wenn sich pädagogische Fachkräfte aus dem Ausland gegen den Weg der vollen Anerkennung entscheiden, können sogenannte Brückenmaßnahmen hilfreich sein, wie sie ebenfalls im IQ Netzwerk angeboten werden. Brückenmaßnahmen unterstützen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt, indem sie etwa einen Überblick über alternative, nicht reglementierte berufliche Tätigkeiten (wie Erwachsenenbildung oder Integrationsarbeit) geben und bei Bewerbungen unterstützen. In den Jahren 2019 bis 2021 nahmen über 870 frühpädagogische Fachkräfte, fast drei Viertel davon Erzieher*innen, an einem IQ Qualifizierungsangebot teil (vgl. NIQ Kurzanalyse Nr. 13).

Ob Anpassungslehrgang, Berufssprachkurs oder Brückenmaßnahme – ganz grundsätzlich sind für die Zielgruppe Angebote besonders förderlich, die möglichst bedarfsgerecht, ganzheitlich und flexibel gestaltet sind. Dabei haben sich bspw. modularisierte Kurse bewährt, bei denen die Teilnehmenden mit einem zeitlich passenden Modul einsteigen bzw. ausschließlich die für sie relevanten Module belegen können. Für Personen, die parallel zur Qualifizierung einer Erwerbstätigkeit nachgehen – das betraf 2019/2020 immerhin rund die Hälfte der frühpädagogischen Fachkräfte in IQ Qualifizierungen – sind Angebote von Vorteil, die bereits berufsbegleitend angelegt sind. Und nicht erst seit Corona können über (teil)virtuelle Formate insbesondere Teilnehmende in ländlichen Regionen besser erreicht werden.

Anzahl der Anerkennungsverfahren von frühpädagogischen Fachkräften 2016-2020
Abb. 1: Anzahl der Anerkennungsverfahren von frühpädagogischen Fachkräften 2016-2020
Ausgang der Anerkennungsverfahren von frühpädagogischen Fachkräften 2020
Abb. 2: Ausgang der Anerkennungsverfahren von frühpädagogischen Fachkräften 2020
Häufigste Ausbildungsländer von frühpädagogischen Fachkräften 2016-2020
Abb. 3: Häufigste Ausbildungsländer in Anerkennungsverfahren von frühpädagogischen Fachkräften 2016-2020
Qualifizierungsangebot für frühpädagogische Fachkräfte in den Bundesländern
Abb. 4: Qualifizierungsangebot für frühpädagogische Fachkräfte in den Bundesländern: Anpassungslehrgänge, begleitende Angebote und berufssprachliche Kurse

Integration am Arbeitsplatz

Eine erfolgreich abgeschlossene Qualifizierung und ggf. die volle Anerkennung sind wichtige, jedoch nicht alle Bausteine auf dem Weg zur beruflichen Integration. Der anschließende Berufseinstieg kann ebenfalls hürdenreich sein, u.a. aufgrund der genannten teilweise intransparenten Zugangswege. Auch arbeiten frühpädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund häufig zu schlechteren Beschäftigungsbedingungen als ihre Kolleg*innen ohne Migrationshintergrund und verbleiben kürzer im Berufsfeld. Für eine nachhaltige Integration können frühpädagogische Einrichtungen einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie u.a. Konzepte zur zielgruppenspezifischen Einarbeitung und zu diversitätsorientierter Teamarbeit etablieren. Schließlich bedeuten frühpädagogische Fachkräfte aus dem Ausland auch dank ihrer interkulturellen und fremdsprachlichen Kenntnisse eine klare Bereicherung für unsere immer vielfältiger werdende Gesellschaft. Angesichts des Fachkräftemangels besteht also durchaus noch Luft nach oben, um die Gewinnung und Integration internationaler frühpädagogischer Fachkräfte bundesweit gezielter zu fördern.

Weiterer Analysebedarf: Anknüpfend an die Situationsanalyse sehen die Autor*innen weiteren Analysebedarf u.a. zu folgenden Fragestellungen: Werden anerkennungsinteressierte frühpädagogische Fachkräfte bereits ausreichend erreicht? Inwiefern eröffnen Brückenmaßnahmen, die auf nicht reglementierte Tätigkeiten im (früh)pädagogischen Bereich vorbereiten, erstrebenswerte berufliche Alternativen? Und, Stichwort Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Welches Potenzial besteht noch hinsichtlich der gezielten Anwerbung internationaler frühpädagogischer Fachkräfte?


1 Seit 2016 melden die Länder dem Statistischen Bundesamt Daten zur beruflichen Anerkennung in landesrechtlich geregelten Berufen.
2 Überblick über einschlägige Publikationen des Förderprogramms: https://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fuer-den-unterricht/arbeitsplatzbezogene-materialien.html#c5211

Quellen:


Beitrag von Ulrike Benzer und Laura Roser, IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung, für den Newsletter 1/2022 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung

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