Fachbeitrag

Vom Anerkennungsbescheid zum Aufenthaltstitel – Einwanderungswege für ausländische Fachkräfte

Mehr Fachkräfte sollen nach Deutschland einwandern und damit den wachsenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften mildern – das ist ein Kernziel des im März 2020 in Kraft getretenen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Um dies zu erreichen, wurden die Regelungen zur Einwanderung zum Zweck der Ausbildung und der Erwerbstätigkeit geändert. Das FEG hat neue Möglichkeiten für Unternehmen und Fachkräfte gebracht. Die Verfahren bleiben jedoch voraussetzungsvoll. Neue und alte Beratungsstellen sollen den Weg für qualifizierte Einreisewillige ebnen.

Anerkennung als Schüssel zur qualifizierten Beschäftigung in Deutschland

Die Anerkennung von ausländischen Qualifikationen spielt für die Einwanderung in Arbeit eine zentrale Rolle. Zur Ausübung einer Beschäftigung kann einreisen, wer eine anerkannte Berufsqualifikation (und eine gegebenenfalls erforderliche Berufsausübungserlaubnis) vorweisen kann – und ein konkretes Arbeitsplatzangebot in Deutschland hat. Verfahren zur Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen können auch aus dem Ausland heraus beantragt werden.

In der Realität führen Anerkennungsverfahren jedoch nicht immer auf Anhieb zu einer vollständigen Anerkennung. Häufig ist die ausländische Qualifikation nur teilweise mit der deutschen Referenzqualifikation gleichwertig. Im Jahr 2019 wurde in 47,1% aller Fälle ein Bescheid über teilweise Gleichwertigkeit oder ein Bescheid mit Auflagen erteilt.[1] Die festgestellten wesentlichen Unterschiede können mit Hilfe passender Qualifizierungsmaßnahmen oder praktischer Erfahrung in Betrieben ausgeglichen, bestimmte Kompetenzen in Prüfungen nachgewiesen oder Sprachkenntnisse erworben werden. Erst dann wird die „volle Anerkennung“ erteilt . Wer bereits beim ersten Versuch eine volle Gleichwertigkeit bzw. Berufszulassung erhält und die Zusage für einen Arbeitsplatz hat, kann direkt über § 18a (Fachkräfte mit Berufsausbildung) oder §18b (Fachkräfte mit akademischer Ausbildung) AufenthG nach Deutschland einreisen. Wer noch ein Arbeitsangebot sucht, kann sich nach § 20 AufenthG zwecks der Arbeitsplatzsuche für sechs Monate in Deutschland aufhalten.

Relevante Paragraphen im FEG auf einen Blick:

  • Aufenthaltsmöglichkeiten zum Zweck der Ausbildung: §§ 16 und 17 Aufenthaltsgesetz
  • Einreiseregelungen zum Zweck der Erwerbstätigkeit: §§ 18 bis 21 Aufenthaltsgesetz

Die „teilweise Gleichwertigkeit“ – Qualifizierungen in Deutschland durchführen

Ausländische Fachkräfte, die noch wesentliche Unterschiede ausgleichen müssen, haben bereits seit 2015 die Möglichkeit, zu diesem Zweck nach Deutschland einzureisen. Maßgebliche Rechtsquelle ist hier § 16d AufenthG (ehemals § 17a AufenthG): „Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen“. Zentrale Kriterien für die Visumerteilung sind, dass ein Bescheid einer zuständigen Stelle vorliegt, in dem ein Qualifizierungsbedarf festgestellt wurde, und dass die Teilnahme an einer passenden Qualifizierung angestrebt wird.[2] Liegt der Qualifizierungsbedarf in nicht reglementierten Berufen überwiegend im berufspraktischen Bereich, kann die ausländische Fachkraft neuerdings den Ausgleich auch berufsbegleitend machen (vgl. § 16d Abs. 3 AufenthG). In diesem Fall kann sie im Betrieb ab Tätigkeitsaufnahme als qualifizierte Fachkraft beschäftigt werden. An Qualifizierungsmaßnahmen des IQ Netzwerks haben in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt 383 Personen mit Aufenthaltsstatus § 17a AufenthG-a.F. bzw. § 16d AufenthG teilgenommen (für mehr Details siehe unten stehende Grafik).

Die neuen Möglichkeiten dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei einer Einreise nach § 16d AufenthG in der Praxis um ein komplexes und oft langes Verfahren handelt. Zusammengefasst sieht der Prozess wie folgt aus:

  1. Der Antrag auf Anerkennung wird vom Ausland aus gestellt.
  2. Nach Vorliegen des Bescheides muss die ausländische Fachkraft eine passende Qualifizierungsmaßnahme (ggf. in Verbindung mit einem Arbeitgebenden) in Deutschland finden, um danach
  3. einen Visumantrag zu stellen, bei dem auch ein Nachweis über die Sicherung des Lebensunterhalts und die für die Qualifizierung erforderlichen Sprachkenntnisse eingereicht werden müssen.
  4. Bei der Entscheidung über den Visumsantrag bezieht die Visastelle die lokale Ausländerbehörde und in vielen Fällen auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein.
  5. Nach der Einreise kann die Fachkraft in Deutschland an der Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen und danach die volle Gleichwertigkeit oder Berufszulassung erlangen.

Viele Akteure, Verfahren und Fristen greifen hier ineinander, bevor eine ausländische Fachkraft einreisen kann (detaillierte Informationen zum § 16d AufenthG, den Einreisebedingungen und Verfahren finden Sie in unserem neuen Leitfaden für die Beratung zu § 16d AufenthG).

Knackpunkt Sprache

Sowohl für die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen in Deutschland als auch für eine qualifizierte Beschäftigung ist ein gutes Sprachniveau unerlässlich. In reglementierten Berufen wie etwa Ärztin*Arzt oder Pflegefachfrau*mann  ist eine erfolgreich abgelegte Fachsprachprüfung sogar Voraussetzung, um eine Erlaubnis zur Berufsausübung zu erhalten. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang, dass es im Ausland nicht immer Zugang zu passenden Angeboten gibt, um das erforderliche  Sprachniveau vor der Einreise nach Deutschland zu erreichen.

Die gute Nachricht: Auch eine sprachliche Qualifizierung kann Teil der Maßnahmen während eines Aufenthalts nach § 16d AufenthG sein. Allerdings ist die Aufenthaltsdauer mit diesem Titel auf 18 Monate begrenzt. Wenn für die sprachliche und fachliche Qualifizierung mehr Zeit benötigt wird, kann die Fachkraft alternativ zunächst über den § 16f AufenthG rein für den Spracherwerb einreisen – allerdings mit dem Nachteil, dass bei diesem Aufenthaltstitel keine Erwerbstätigkeit gestattet ist. Die Sicherung des Lebensunterhaltes in dieser Zeit ist damit für viele Fachkräfte eine große Herausforderung.

Neue Möglichkeiten für Unternehmen – das beschleunigte Fachkräfteverfahren

Zur Verkürzung des Einreiseprozesses kann das beschleunigte Fachkräfteverfahren (§ 81a AufenthG) im Zusammenhang mit der Einreise ausländischer Fachkräfte genutzt werden. Dabei sollen – dank verkürzter Fristen und einem optimierten Verfahrensablauf – zwischen der Einreichung des Anerkennungsantrags bei der zuständigen Stelle und der Entscheidung über den Visumantrag nur vier Monate liegen. Die Ausländerbehörden übernehmen eine neue, zentrale Rolle bei dieser Vorgehensweise. Bei ihnen kann ein Arbeitgebender in Vollmacht der einreisewilligen Fachkraft gegen Zahlung einer Gebühr das beschleunigte Verfahren beantragen. Die Ausländerbehörden übernehmen die Beratung in allen Belangen des Anerkennungs- und Einreiseverfahrens, leiten den Antrag an die zuständige Stelle weiter und koordinieren die Zustimmungsprozesse mit der BA und den Visastellen. Vielerorts vernetzen sich die Ausländerbehörden hierfür eng mit bestehenden Anerkennungsberatungsstellen wie dem IQ Netzwerk. Das beschleunigte Fachkräfteverfahren kann angewendet werden, wenn eine Person für eine Tätigkeit z.B. als Fachkraft oder Forscher*in, für eine Berufsausbildung oder für Maßnahmen im Kontext der Anerkennung ihrer ausländischen Qualifikation einreisen möchte.

Neue Akteure, neue Wege

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat nicht nur die Rolle der Ausländerbehörden verändert. Im Zuge seiner Verabschiedung sind auch neue Akteure entstanden, allen voran die bei der BA angesiedelte Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA). Sie steht einreisewilligen Fachkräften für eine individuelle Anerkennungsberatung und Verfahrensbegleitung zur Verfügung (s. dazu auch unser Interview mit der ZSBA). Sowohl die ZSBA als auch die Ausländerbehörden werden vom IQ Netzwerk durch lokale Expertise unterstützt. So ergibt sich ein gestaffelter Informations- und Beratungsweg, der Fachkräfte zum Ziel führen soll: von Erstinformationsangeboten über das Anerkennungsportal und Make-it-in-Germany, über die Hotline Arbeiten und Leben in Deutschland und das in ausgewählten Ländern verfügbare Angebot von ProRecogniton bis hin zur Fachberatung der ZSBA, der Ausländerbehörden und des IQ Netzwerks. Wie die verschiedenen Akteure zusammenarbeiten, um ausländischen Fachkräften den Weg in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern, zeigt untenstehende Grafik.  Gemeinsam geht es nun darum, die mit dem FEG angedachten Verfahren und Angebote zu etablieren und Prozesse zu optimieren.

Ein Beitrag von Katharina Bock für den Newsletter 1/2021 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung


[1] Vgl. Böse, Carolin; Schmitz, Nadja (2020): Auswertung der amtlichen Statistik zum Anerkennungsgesetz des Bundes für 2019: Ergebnisse des BIBB-Anerkennungsmonitorings. Bonn. S. 6. URL: file:///H:/Downloads/20200824%20Boese%20Schmitz%20Statistik%20zum%20Anerkennungsgesetz%20(4).pdf (19.02.2021)

[2] Diese Ausführungen beziehen sich auf § 16d Abst. 1,3 und 5. Einreisen im Kontext von Vermittlungsabsprachen der Bundesagentur für Arbeit mit ausländischen Arbeitsverwaltungen nach § 16d Abs. 4 folgen anderen Prämissen. Mehr zu den unterschiedlichen Paragrafen des § 16d AufenthG finden Sie im Leitfaden für die Beratung zu § 16d AufenthG.

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