Gepflegt ins Jahr 2020 – die Generalistik kommt!

Herrmann Hesse schrieb einst: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. So verabschieden wir uns vom alten Jahr und ein Neues beginnt. Auch im Bereich der Pflegeausbildung ist das nun der Fall: Das Altenpflegegesetz und das Krankenpflegegesetz treten nach dem 31.12.2019 außer und das Pflegeberufegesetz1 tritt ab dem 1.1.2020 in Kraft.

Die neue Ausbildungs- und Prüfungsverordnung stellt auch Träger von Qualifizierungsmaßnahmen vor die Herausforderung, Vorbereitungskurse auf die Kenntnis- bzw. Eignungsprüfung bzw. Anpassungslehrgänge bis zum Ende der Übergangsregelung entsprechend neu zu gestalten. Beratende hingegen müssen gut informiert sein über die neue Rechtslage und Anerkennungswege. Darum gibt der folgende Artikel einen Überblick über die neuen Berufsbilder, deren Wege zur beruflichen Anerkennung ausländischer Abschlüsse und einen Ausblick über weitere Neuerungen, die es in den Pflegeberufen zu erwarten gibt.

Hintergründe zur Reform der Pflegeberufe

Lange Zeit ist die Reform der Pflegeberufe schon ein viel diskutiertes Thema. Im Gegensatz zu anderen EU-Mitgliedsstaaten gab es in Deutschland nicht einen Ausbildungsberuf in der Pflege, sondern drei Berufe, die in ihren Berufsidentitäten, Versorgungssektoren und -logiken eigenständig gewachsen sind. Bislang waren die Ausbildungen in der Kranken- und Kinderkrankenpflege einerseits und Altenpflege andererseits getrennt geregelt, weisen jedoch inhaltlich große Überschneidungen auf. Während die Gesundheits- und (Kinder-) Krankenpflege ein medizinisch-pflegerisches Verständnis aufweist  und die Versorgung kranker Menschen sowie Verhütung von Krankheiten als zentrale Aufgaben sieht so ist die Altenpflege auf die Pflege hochaltriger Menschen unter Berücksichtigung der altersassoziierten Einschränkungen spezialisiert.

Bedingt durch die demographische Entwicklung und der damit einhergehenden Veränderungen hinsichtlich des Pflegebedarfes und der Versorgungstrukturen wurde der Bedarf an eine generalistisch fokussierte Ausbildung im Pflegebereich laut. So benötigen Pflegekräfte im Krankenhaus vermehrt Kompetenzen im Umgang mit älteren Menschen, die beispielsweise unter Demenz leiden. Darüber hinaus werden durch die Alterung der Gesellschaft in der Zukunft weitaus mehr Pflegefachkräfte benötigt als bisher. Daher werden verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um die Ausbildung im Bereich der Pflege attraktiver zu machen. So wird das Schulgeld in der Altenpflege abgeschafft oder die „Ausbildungsoffensive Pflege“ gestartet.

Generalistisches Berufsbild – Was ist neu?

Durch die Reform werden die Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einer neuen generalistischen Pflegeausbildung mit einheitlichem Berufsabschluss zusammengeführt. Durch die Berufsbezeichnung2 „Pflegefachmann“ bzw. „Pflegefachfrau“ wird die Zusammenführung der bisher getrennten Pflegeausbildungen auch sprachlich3 abgebildet. In der Ausbildung sollen übergreifende pflegerische Kompetenzen vermittelt werden, die zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen in verschiedenen Versorgungsbereichen (z. B. Krankenhäuser, ambulante und stationäre Pflege) befähigen.

Auszubildende haben jedoch auch in Zukunft weiterhin die Möglichkeit, sich für einen spezialisierten Berufsabschluss in der Altenpflege oder Kinderkrankenpflege zu entscheiden, wenn sie für das letzte Ausbildungsdrittel, statt die generalistische Ausbildung fortzusetzen, eine entsprechende Vertiefung  wählen. Die Berufsbezeichnungen für die spezialisierten Pflegeausbildungen4 entsprechen auch nach neuem Pflegeberufegesetz den früheren Berufsbezeichnungen „Altenpfleger/-in“ und „Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger/-in“.

Was ändert sich im Anerkennungsverfahren bzw. der Berufszulassung?

Die Voraussetzungen zur Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung und damit auch der Berufsausübung sind in §2 des PflBG geregelt und entsprechen dem bisherigen Recht nach AltPflG und KrPflG. Das bedeutet:es muss zum einen eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem der drei Berufe vorliegen und zum anderen die Kriterien der Zuverlässigkeit, der gesundheitlichen Eignung und ausreichende Sprachkenntnisse erfüllt werden.

Übergangsregelung für die Anerkennungsverfahren bis 31.12.20245

Da noch nicht in allen Bundesländer die für die Anerkennung ausländischer Pflegekräfte notwendigen Landeslehrpläne nach neuem Pflegeberufegesetz vorliegen, wurde eine Übergangsphase bis Ende 2024 beschlossen. Diese wird als §66a in das Pflegeberufegesetz aufgenommen. 
Die Länder können die Gleichwertigkeit ausländischer Pflegequalifikationen somit weiterhin anhand der aktuellen „Berufsbilder“ und Regelungen des Krankenpflegegesetzes bzw. des Altenpflegegesetzes in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung prüfen und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen bescheiden.

 

Anerkennung von Abschlüssen aus der EU/ EWR oder Schweiz

Eine Person erhält die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung nur, wenn er/sie einen gleichwertigen Ausbildungsstand6 nachweisen kann. Dieser ist gegeben, wenn die im Ausland durchgeführte Ausbildung keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der  Ausbildung nach PflBG und deren Ausbildungs- und Prüfungsordnung aufweist. Ist dies nicht gegeben, kann ein gleicher Kenntnisstand nachgewiesen werden durch a) einschlägige Berufserfahrung und b) lebenslanges Lernen, sofern die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten von der zuständigen Stelle des jeweiligen Landes formell als gültig anerkannt wurden.

Die Anerkennung eines ausländischen Abschlusses als „Pflegefachmann“ bzw. „Pflegefachfrau“ erfolgt nach demselben Schema wie zuvor das Anerkennungsverfahren für Gesundheits- und Krankenpfleger/-innen. Personen mit einem Abschluss im genannten Referenzberuf, der in einem Mitgliedsstaat der EU, der EWR oder der Schweiz erworben wurde,  ist die automatische Anerkennung nach EU-BAR 2005/36/ EG möglich. Auch hier gilt die sogenannte Stichtagsregelung: der Abschluss wird ohne individuelle Gleichwertigkeitsprüfung anerkannt, wenn die Ausbildung nach dem EU-Beitritt des Ausbildungsstaates begonnen wurde.

Für die berufliche Anerkennung eines im Ausland erworbenen Berufsabschluss in einem der spezialisierten Pflegeberufe ändert sich jedoch etwas mehr. In diesen Berufen ist eine automatische Anerkennung auch für in der EU/ EWR oder der Schweiz erworbene Abschlüsse nicht möglich.

Die Anerkennung erfolgt nach dem allgemeinen System der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG. Das heißt, eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung erfolgt mittels Ausbildungsvergleich. Bei wesentlichen Unterschieden besteht für die Ausgleichsmaßnahme das Wahlrecht zwischen Anpassungslehrgang und Eignungsprüfung. Die Anwendung dieses Vorgehens erfolgt auch bei Personen mit Abschlüssen aus einem Drittstaat, die von einem anderen EU-Mitgliedsstaat bereits anerkannt wurden.

Abschlüsse aus Drittstaaten

Bei Personen mit einem Abschluss als „Pflegefachmann“ bzw. „Pflegefachfrau“ aus einem Drittstaat wird weiterhin eine individuelle Gleichwertigkeitsprüfung durchgeführt. Ergeben sich wesentliche Unterschiede, so besteht für Ausgleichmaßnahme das Wahlrecht zwischen Anpassungslehrgang und Kenntnisprüfung. Gleiches gilt bei den spezialisierten Ausbildungsberufen. Bei Feststellung von wesentlichen Unterschieden besteht ebenfalls das Wahlrecht zwischen dem Absolvieren einer Kenntnisprüfung oder eines Anpassungslehrgangs. Das bedeutet vor allem im Bereich der Altenpflege eine Verbesserung, da hier nach voriger Gesetzeslage kein Wahlrecht7 für Personen mit Abschlüssen aus Drittstaaten über die Ausgleichsmaßnahme bestand, sondern diese durch die zuständige Stelle festgelegt wurde.

Was gibt es sonst noch Neues in den Gesundheitsberufen?

Eine schwere Geburt? – Akademisierung der Hebammenausbildung

In fast allen EU-Mitgliedsstaaten bis auch Deutschland wird die Ausbildung der Hebammen bereits an Hochschulen umgesetzt. Die EU-Richtlinie fordert bis zum 18. Januar 2020 für alle Mitgliedsstaaten die Überführung der Ausbildung an die Hochschulen. Da Deutschland diese Richtlinie bislang nicht erfüllt sind Hebammen aus Deutschland bei der Arbeitssuche in anderen EU-Ländern benachteiligt. Trotz automatischer Anerkennung wird deutschen Hebammen in der Praxis8 oft nur ein Arbeitsplatz auf niedrigerem Qualifikationsniveau angeboten.

Am 8. November 2019 beschloss9 der Bundesrat die Reform der Hebammenausbildung. Das Gesetz soll überwiegend zum 1.1.2020 in Kraft treten. Die Hebammenausbildung wird künftig durch ein duales Studium absolviert werden. Dieses dauert zwischen sechs und acht Semestern und wird durch eine staatliche Prüfung abgeschlossen. Bisher wird die Ausbildung zur Hebamme bzw. Entbindungshelfer an Fachschulen, den sogenannten Hebammenschulen umgesetzt.  Da die Überführung der Ausbildung nicht bis zum Stichtag vollständig abgeschlossen werden kann, wird es eine Übergangszeit bis 2022 geben. Fortan soll die Ausbildung nur noch an den Hochschulen angeboten werden. Die Praxisanteile wiederum werden im Krankenhaus oder im ambulanten Bereich (z. B. Geburtshaus) absolviert.

Neue Regelungen zum Sprachnachweis in den Gesundheitsfachberufen nach 2020

Ist die Gleichwertigkeit des im Ausland erworbenen Abschlusses erst einmal bescheinigt worden, können die restlichen Kriterien der Berufszulassung geprüft werden. Die Zuverlässigkeit wird i. d. R. durch die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses geprüft und die gesundheitliche Eignung durch eine ärztliche Bescheinigung. Personen, die in einem Pflegeberuf als Fachkraft arbeiten wollen müssen derzeit ein Sprachniveau B2 nach GER nachweisen. Die Sprachkenntnisse für die Pflege- und andere Gesundheitsfachberufe werden in der aktuellen Praxis i.d.R. durch die Vorlage von allgemeinsprachlichen Sprachzertifikaten belegt. In der Praxis zeigte sich jedoch, dass diese Zertifikate für die Überprüfung der erforderlichen Sprachkenntnisse nicht gut geeignet sind, da der Arbeitsalltag andere kommunikative Anforderungen an die Gesundheitsfachkräfte stellt, als sie durch allgemeinsprachliche Prüfungen nachgewiesen werden.  Daher beschloss die Gesundheitsministerkonferenz in diesem Jahr ein neue „Eckpunkte zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen Deutschkenntnisse in den Gesundheitsfachberufen10.

Folglich sollen Sprachkenntnisse in den Gesundheitsberufen nun größtenteils durch einen erfolgreich abgelegten neu eingeführten (Fach-)Sprachtest nachgewiesen werden. Dieser darf nicht länger als 3 Jahre zurück liegen. Der Sprachtest soll einen einheitlichen Standard garantieren und aus drei Stufen bestehen: dem Gespräch mit einem Patienten (20 min), Gespräch mit einem Angehörigen von Gesundheitsberufen (20 min) und  das Bewältigen einer berufstypischen schriftlichen Aufgabe (20 min). Die Prüfung erfolgt als Einzelprüfung. Die Länder streben eine Umsetzung des Eckpunktepapiers bis Ende 2020 an. Die Umsetzung soll möglichst gleichzeitig und bundeseinheitlich erfolgen.


Ausnahme: §15 Abs. 1-3 PflBRRefG

2 Personen, die eine hochschulische Ausbildung nach Teil 3 des Gesetzes absolviert haben führen die Berufsbezeichnung „Pflegefachmann“ bzw. Pflegefachfrau mit akademischem Grad z. B. „Pflegefachmann (B. A.)“.

3 Quelle: BT-Drs. 18/7823 S. 64

4 Siehe §58 Abs. 1 und 2 PflBG

5 Pressemitteilung des Pflegebevollmächtigten des Bundesregierung vom 14.11.2019, online verfügbar unter: https://www.pflegebevollmaechtigter.de/pressemitteilungen.html (15.11.2019)

6 Siehe §40 PflBG; Keine Anwendung des BQFG mit Ausnahme von §17

7 Siehe §2 Abs. 3 AltPflG

8 Quelle: https://www.hebammenverband.de/beruf-hebamme/akademisierung/

9 Beschluss Reform der Hebammenausbildung (November 2019). Online verfügbar unter:  https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2019/0501-0600/504-19(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1

10 Beschluss Eckpunktepapier (Juni 2019), online verfügbar unter: https://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fileadmin/user_upload/PDF/02_News/8.6_B_P.pdf

 

Beitrag von Laura Kehl für den Newsletter 4/2019 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung

 

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