Wohin des Wegs? Berufliche Perspektiven für Lehrkräfte aus dem Ausland

In den nächsten Jahren werden an deutschen Schulen deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer gebraucht als durch das deutsche Ausbildungssystem nachkommen – und zwar sowohl an Grundschulen als auch an weiterführenden und berufsbildenden Schulen.1 Auf der anderen Seite gibt es eine nicht unerhebliche Zahl an Personen, die im Ausland einen Abschluss als Lehrerin bzw. Lehrer erworben haben und auf Jobsuche in Deutschland sind: Von 2015 bis 2018 haben sich allein im Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ rund 14.000 Personen zur Anerkennung ihrer ausländischen Lehrqualifikation beraten lassen. Im Jahr 2018 war Lehrerin bzw. Lehrer sogar der am häufigsten gefragte Beruf in der IQ Anerkennungsberatung.2

Weg zur Anerkennung

Doch der Weg zur beruflichen Anerkennung ist mit einigen Herausforderungen verbunden. Da der Beruf der Lehrerin bzw. des Lehrers landesrechtlich reglementiert ist, ist für die Berufsausübung eine staatliche Zulassung erforderlich – wobei die Voraussetzungen und das Verfahren der Anerkennung je nach Bundesland variieren. Einige Bundesländer haben zudem unterschiedliche Regelungen für Qualifikationen aus der EU bzw. des EWR oder der Schweiz und aus Drittstaaten.

Die zuständige Stelle prüft die ausländische Qualifikation auf fachwissenschaftliche, fachdidaktische, erziehungs- bzw. bildungswissenschaftliche und/oder schulpraktische Inhalte. Hier sind wesentliche Unterschiede zur deutschen Ausbildung keine Seltenheit: Während in Deutschland je nach Lehramt mindestens zwei Hauptfächer studiert werden, sind Lehrerinnen und Lehrer aus dem Ausland häufig auf ein Unterrichtsfach spezialisiert. Auch können die pädagogischen Konzepte je nach Herkunftsland unterschiedlich ausfallen, und die deutsche Ausbildung ist mit ihrem bis zu zweijährigen Vorbereitungsdienst an einer Schule durch einen sehr umfassenden Praxisteil geprägt.3

Wie selten die volle berufliche Anerkennung vor diesem Hintergrund tatsächlich gelingt, belegen auch die Zahlen der amtlichen Statistik: Von den 2.328 Fällen, bei denen im Jahr 2017 ein Anerkennungsverfahren für eine Lehrqualifikation beschieden wurde, erhielten lediglich 12 % direkt einen Gleichwertigkeitsbescheid. In 20 % der Fälle wurde ein Ablehnungsbescheid ausgestellt.
In den meisten Fällen (66 %) wurde hingegen eine Maßnahme zum Ausgleich bestehender wesentlicher Unterschiede gefordert – hier kann in der Regel zwischen einer Eignungsprüfung oder einem bis zu dreijährigen (ggf. vergüteten) Anpassungslehrgang gewählt werden. In zwei Prozent der Fälle wurde wiederum eine teilweise Gleichwertigkeit festgestellt: Hier handelte es sich um Verfahren in Brandenburg, Hamburg und Thüringen – drei der wenigen Bundesländer, in denen aktuell eine Lehr(amts)befähigung auch mit nur einem Unterrichtsfach möglich ist.4

Eine nicht zu unterschätzende Hürde für den Berufseinstieg ist zudem die Sprache: Für eine Tätigkeit als Lehrerin bzw. Lehrer müssen in der Regel Deutschkenntnisse auf Niveau C2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) für Sprachen vorhanden sein – also auf muttersprachlichem Niveau. Je nach Bundesland wird dies bereits als Voraussetzung für die Teilnahme an einem Anpassungslehrgang gefordert.

Müssen also zunächst noch ein zweites Unterrichtsfach oder z.B. pädagogische Inhalte nachstudiert werden, Praxiserfahrungen und/oder Deutschkenntnisse erworben werden, so fällt der Weg zur Anerkennung bzw. zum Berufseinstieg ins reguläre Lehramt entsprechend zeit- und kostenintensiv aus. Daher entscheiden sich viele Personen mit einer ausländischen Lehrqualifikation letztlich für alternative Beschäftigungsoptionen.

Alternative berufliche Wege

Die Möglichkeiten, mit einer Lehrqualifikation aus dem Ausland auch ohne Gleichwertigkeitsbescheid an Schulen zu unterrichten, unterscheiden sich ebenfalls je nach Bundesland.

  • So ist z.B. in einigen Bundesländern ein sogenannter Seiteneinstieg möglich: Bei einem besonders großen Bedarf an Lehrkräften für bestimmte Fächer oder Schulformen kann dann direkt in den öffentlichen Schuldienst eingestiegen werden, ohne Lehramtsstudium und Vorbereitungsdienst.5
  • Ebenso gibt es an manchen Schulen die Möglichkeit, auf befristeter Basis als Vertretungslehrkraft zu arbeiten, um einen kurzfristigen Personalmangel auszugleichen – sofern man einen dem Unterrichtsfach entsprechenden Hochschulabschluss vorweisen kann.
  • An bilingualen Schulen (bspw. Europaschulen) besteht prinzipiell die Möglichkeit, in der Herkunftssprache zu unterrichten – wenn neben den passenden Fachkenntnissen auch eine dem Schulprofil entsprechende Muttersprache vorliegt.
  • Für Personen, die Germanistik oder andere Neuphilologien bzw. Deutsch als Fremdsprache (DaF) oder Deutsch als Zweitsprache (DaZ) studiert haben, kann eine Lehrtätigkeit in sogenannten Vorbereitungsklassen bzw. Förderklassen für Schülerinnen und Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen erstrebenswert sein.
  • Eine weitere Möglichkeit ist eine Tätigkeit an Privatschulen: Sog. Ergänzungsschulen unterliegen in der Einstellung ihres Personals prinzipiell keinen staatlichen Vorgaben, sodass sich Lehrerinnen und Lehrer mit einem ausländischen Abschluss direkt vor Ort bewerben können. Privatschulen, die ein besonderes pädagogisches Profil haben und sich bspw. auf das Waldorf- oder Montessori-Konzept berufen, fordern wiederum häufig eine speziell darauf ausgerichtete (Zusatz-) Qualifikation.

Alternativ können Personen mit einer Lehrqualifikation aus dem Ausland in (pädagogischen) Bereichen außerhalb von Schulen tätig sein – so zum Beispiel als Leitung von Integrationskursen in der Erwachsenenbildung oder in der Beratung. Wenn es sich nicht explizit um eine Tätigkeit in der eigenen Herkunftssprache handelt, werden in der Regel ebenfalls – wie auch bei den genannten schulischen Optionen – Deutschkenntnisse auf muttersprachlichem Niveau erwartet.  

      IQ als Wegbegleiter

      Das Förderprogramm IQ greift die unterschiedlichen Wege auf, die für Personen mit einer Lehrqualifikation aus dem Ausland in Frage kommen, und bietet entsprechende Unterstützungsleistungen. So gibt es einerseits Qualifizierungsangebote, die durch die Vermittlung berufs(feld)spezifischer sprachlicher und kultureller Aspekte gezielt auf die Anforderungen einer Unterrichtstätigkeit vorbereiten.6 Soll damit der Weg zur Anerkennung unterstützt werden, hat sich eine enge Verzahnung mit einer Ausgleichsmaßnahme bewährt – was jedoch eine intensive Kooperation mit der jeweils zuständigen Stelle voraussetzt.7 Andererseits bietet das Förderprogramm auch Qualifizierungsmaßnahmen an, die auf eine alternative (pädagogische) Beschäftigung vorbereiten, beispielsweise auf eine Tätigkeit in der (Bildungs-)Beratung8 oder als Lehrkraft in einem Integrationskurs9.

      Beitrag von Laura Roser für den Newsletter 1/2019 der Fachstelle Beratung und Qualifizierung


      1 Vgl. dazu folgende Studien – URL:  https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/27_In_Vielfalt_besser_lernen/Demographische_Rendite_ade_final.pdf; https://www.kmk.org/fileadmin/pdf/Statistik/Dokumentationen/Dok_208_LEB_LEA_2015.pdf; https://www.gew.de/fileadmin/media/publikationen/hv/GEW/GEW-Stiftungen/MTS_-_Gefoerderte_Projekte/2018-03_Bedarfanalyse-Schueler_innenzahl_web.pdf (Stand: 25.3.2019)
      2 IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung: NIQ Datenbank (Anerkennungsberatung)
      3 Vgl. Weizsäcker, E. & Roser, L. (2018): Darstellung landesrechtlicher Regelungen zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen von Lehrerinnen und Lehrer. Informationsgrundlage für Beraterinnen und Berater. URL: https://www.netzwerk-iq.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Fachstelle_Beratung_und_Qualifizierung/IQ_Lehrerexpertise.pdf (Stand: 25.3.2019)
      4 Vgl. ebd. sowie Statistisches Bundesamt (2018): H 202 - Anerkennungsstatistik landesrechtlich geregelter Berufe (LBQFG).
      5 Im Gegensatz dazu müssen für den sogenannten Quereinstieg zunächst der Vorbereitungsdienst und die Zweite Staatsprüfung absolviert werden –  hier wird also eine deutsche Lehramtsbefähigung erworben. (Die Begrifflichkeiten Quer- und Seiteneinstieg werden allerdings häufig uneinheitlich verwendet.)
      6 Ein entsprechendes Angebot gibt es z.B. in Hamburg (Ready To Teach – Berufssprachliche Qualifizierung für zugewanderte Lehrkräfte)
      7 S. dazu Interview mit Dr. Sonya Dase, IQ Netzwerk Bremen
      8 Entsprechende Maßnahmen gibt es z.B. in Hessen (BildungSwege - Wege in die (Bildungs)Beratung für Zugewanderte mit pädagogischen und sozial-wissenschaftlichen Abschlüssen) und Baden-Württemberg (Brückenmaßnahme Bildung und Beratung)
      9 Z.B. in Schleswig-Holstein (DaZ-Methodik und Deutsch C1 für angehende Lehrkräfte in Integrationskursen)

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