Chancen und Grenzen digitaler Beratung

Onlineberatung ist seit mehr als zwanzig Jahren aus der Beratungslandschaft nicht mehr wegzudenken. Nach der Pionierphase zu Beginn hat die Professionalisierung stark zugenommen. Und auch wenn noch nicht alle Wirkfaktoren ausreichend bekannt sind, gibt es inzwischen Methoden, Praxiserfahrungen und auch Forschungsergebnisse, die belegen, dass Onlineberatung wirkt.

In einer groben Systematisierung kann der Überbegriff „Onlineberatung“ dabei in drei Kategorien unterteilt werden: Information, Beratung und Therapie. Dieser Beitrag befasst sich mit den ersten beiden Kategorien.

Information

Viele Ratsuchende nutzen das Internet und die Sozialen Medien und die meisten sind mit den Möglichkeiten, mit Hilfe dieser Medien Informationen zu suchen, gut vertraut. Google hat dabei ein Monopol bei der Onlinesuche, dicht gefolgt von YouTube, mit dem zunehmend Jugendliche und junge Erwachsene Antworten auf Fragen finden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Als Ratsuchender kann man anonym und selbstbestimmt nach Informationen suchen, unabhängig von Öffnungszeiten oder Erreichbarkeiten einer Beratungsstelle. Die Onlinesuche ist niederschwellig und mit keinen Kosten verbunden (außer für den Internetzugang). Informationen werden dabei auf Webseiten und in Sozialen Netzwerken gleichermaßen gesucht, daher kann es für Beratungsstellen wichtig sein, nicht nur eine gute Webseite zu haben, sondern auch in den Communities der Sozialen Netzwerke präsent zu sein.

Der Nachteil der Onlinesuche liegt darin, dass es für Ratsuchende mitunter schwierig abzuschätzen ist, ob die gefundenen Informationen aktuell und sachlich richtig sind. Bei der Fülle von Informationen kann es auch zu einem „information overload“ kommen, dann brauchen Ratsuchende eher eine Beratung zur Informations- und Entscheidungskompetenz. Oftmals sind die Informationen auf Webseiten als Text verfasst, attraktive Videos (z.B. Erklärvideos) sind schwerer zu finden. Dies setzt voraus, dass die Ratsuchenden alphabetisiert sind und die Sprache beherrschen, in der die Informationen bereitgestellt werden. Mehrsprachige Informationsangebote für die Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten sind hier wichtig.

Für Beratungsstellen, die guten und sachlich richtigen Inhalt auf der Website aufbereitet haben, ist es von grundlegender Bedeutung, von Google gut gefunden zu werden. Suchmaschinenoptimierung ist hier manchmal notwendig – und auch sinnvoll: Denn wenn die eigenen Informationen bei Google nicht auf der ersten Seite gelistet sind, werden Ratsuchende Schwierigkeiten haben, diese Informationen zu finden und zu nutzen. Dann war auch der Aufwand der Beratungsstelle fast umsonst, diese Informationen online zu stellen. Idealerweise werden Informationen im Netz dann auch so angeboten, dass sie für die Zielgruppen interessant sind: neben kurzen, mehrsprachigen Texten auch mit übersichtlichen Grafiken und professionellen Videos.

Beratung

Ratsuchende nutzen verschiedene Kanäle, um mit Beratungsstellen in Kontakt zu treten. In den letzten zwanzig Jahren war zu beobachten, dass neue Kommunikationskanäle hinzugekommen sind, ohne dass die bestehenden Kanäle weggefallen wären. Vielmehr haben sich die Kanäle ausdifferenziert und neben der Face-to-Face-Beratung und dem Telefon gilt es nun oftmals, auch Anfragen per Mail und Chat zu bedienen und in den Sozialen Medien mit dem eigenen Angebot präsent zu sein (und zugleich die DSGVO als Datenschutzgrundlage zu beachten). Mail und Chat sind derzeit als Beratungskanäle etabliert, während in ersten Pionierprojekten (z.B. mbeon.de) die nächste Entwicklungsstufe der „Messenger-Beratung“ ausprobiert wird. Ratsuchende kennen aus ihrem eigenen Medienhandeln die Funktionen von Messenger-Apps (wie z.B. whatsapp), sie kommunizieren im privaten und manchmal auch im beruflichen Umfeld viel und fast selbstverständlich mit diesen Diensten. Dabei können die Nachrichten sowohl wie eine SMS verschickt und zeitversetzt beantwortet werden, es kann aber auch sein, dass mein Gegenüber gerade auch online ist und im Textfeld ein Chat entsteht, dann findet eine zeitgleiche Kommunikation statt.

Es kommt vor, dass Ratsuchende diese Messenger-Erfahrung als Erwartungshaltung auch gegenüber einer Beratungsstelle haben. Das ist zu beobachten, wenn z.B. die Anfragentexte kürzer werden (weil sie auf einem mobilen Endgerät geschrieben wurden) und die Ratsuchenden schon nach kurzer Zeit nachfragen, ob die Anfrage angekommen und wann eine Antwort zu erwarten ist. Für Beratungsstellen ist es nicht leicht, auf diese veränderten Erwartungshaltungen der Ratsuchenden zu reagieren, denn ein „sofort, jetzt, gleich“ wird weder aus Ressourcengründen noch aus inhaltlichen Gründen umzusetzen sein.

Aktuelle Entwicklungen

Neben der bereits genannten „Messenger-Beratung“, in der Mail und Chat zu einem neuen Text-Stream verschmelzen, stehen gerade im Bereich der Informationsaufbereitung und -weitergabe automatisierte Lösungen im Fokus der Entwicklung: Chat-Bots und Dialogsysteme.

Ein Chat-Bot ist ein Computerprogramm, das auf Fragen automatisierte Antworten geben kann. Diese Antworten müssen sich allerdings in der Datenbank des Bots befinden, da ein Bot die Anfrage nicht „versteht“, sondern die vermutlich beste Antwort zur Frage aus der Datenbank anbietet. Das funktioniert in Teilbereichen schon sehr gut, vor allem dann, wenn es um einfache Informationsanfragen geht oder ein Themenfeld eingegrenzt werden soll, um dann die entsprechende Lösung anbieten zu können.

Bei Dialogsystemen können Anruferinnen und Anrufer einen natürlichsprachigen Dialog führen, wie das kürzlich Google bei der Präsentation von „Duplex“ eindrucksvoll gezeigt hat: Das Reservieren eines Tischs im Restaurant oder eines Termins beim Friseur schien hier problemlos von einer verblüffend menschlich klingenden Computerstimme ausgeführt zu werden – ohne dass die Person, die angerufen wurde, gemerkt hätte, dass es sich hier nicht um einen Menschen handelt.

Schöne neue Welt? Natürlich haben diese technischen Entwicklungen aus Sicht der Beratung ethische Fragestellungen im Gepäck. Vor allem dann, wenn es um das beraterische Handeln als „Mensch-Mensch-Interaktion“ geht. Zugleich gilt es herauszufinden, in welchen Bereichen von Information, Beratung und auch Therapie Ratsuchenden geholfen werden kann. Wenn Ratsuchende Antworten auf Fragen bekommen, die ihnen weiterhelfen, warum sollte dann nicht über den Einsatz eines Chat-Bots nachgedacht werden? Doch wie schaut es in Bereichen aus, die menschliche Empathie, Intuition und Kreativität benötigen? Hier sind automatisierte Lösungen nicht weit fortgeschritten. Ehrlicherweise muss ergänzt werden: noch nicht.

Die digitalen Medien sind im Lebensalltag der Menschen angekommen, sie werden sich verändern und sie werden die Menschen verändern, aber weggehen werden sie nicht mehr. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich Beratungsstellen damit auseinandersetzen, wie die digitalen Medien für den eigenen Beratungsauftrag genutzt werden können. Professionelle Beraterinnen und Berater müssen in diesem digitalen Raum präsent sein und aktiv werden – sonst tun es mitunter andere, die nicht dafür ausgebildet sind und die andere Interessen verfolgen.

Beratungsstellen, die sich dem Thema „Onlineberatung“ stellen, können auf eine Vielzahl von Ressourcen und Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre zurückgreifen. Die Open-Access-Zeitschrift e-beratungsjournal.net kann hier ein guter Einstieg sein, dort finden sich kostenfreie Artikel aus Theorie, Praxis und Forschung zu den Themen Onlineberatung und computervermittelte Kommunikation.

Beitrag von Stefan Kühne für den Newsletter 2/2018 der Fachstelle Beratung und Qualifizierung.

Stefan Kühne leitet die Beratungsstelle wienXtra-jugendinfo und ist Herausgeber des e-beratungsjournal.net.

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