Inklusion und Teilhabe im digitalen Raum
Was bedeutet Inklusion? Was genau versteht man unter Behinderung? Und wie geht digitale Teilhabe in Beratungs- und Qualifizierungsangeboten? Das beleuchtete Marianne Kreuder-Schock, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung (f-bb), in einem Impulsvortrag beim Vernetzungstreffen der Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung im April 2024. Den Beitrag können Sie im Folgenden nachhören. Oder, ganz im Sinne der Barrierefreiheit, auch nachlesen. Für das Skript haben wir ein KI-Tool bemüht.
Ja, herzlich willkommen. Vielen Dank auch nochmal für die Möglichkeit, dass ich hier heute was zum Thema Inklusion und Teilhabe erzählen darf. Es ist für mich ein Herzensthema, darum widme ich mich dem Thema auch im Bereich der Forschung. Und ja, wir haben uns einfach mal drauf geeinigt, dass ich erstmal ein paar Grundlagen vorlege für Sie heute alle, weil natürlich unklar ist, wie so der Wissensstand ist. Und dann möchte ich ein bisschen was erzählen zu Inklusion generell, was ist eine Behinderung, was verstehen wir unter einer Behinderung. Da gibt es auch verschiedene Definitionen und Ansichten, je nachdem in welchem Bereich man sich da bewegt. Dann möchte ich Ihnen noch ein bisschen was zum Thema Inklusion und Digitalisierung erläutern, auch unterfüttert aus Ergebnissen, die wir in einem Projekt herausgefunden haben. Und zuletzt möchte ich Ihnen noch ein paar Impulsfragen für die Praxis mitgeben, anhand der, was Sie sich dann auch weiter Gedanken machen können im Bereich der Arbeit an den Stellen, die hier eben auch schon angekündigt wurde.
Zum Thema Inklusion erstmal eine kleine Grafik, wo es glaube ich ganz klassisch dargestellt ist. Was ist Inklusion überhaupt?
Der eine oder andere kennt die Grafik vielleicht auch, die ist auch immer mal wieder im Umlauf. Letztendlich haben wir verschiedene Teilbereiche. Wir haben die Exklusion, die hier ganz schön dargestellt wird, als ein genereller Ausschluss von Menschen, die anders sind, sage ich jetzt mal. Das muss nicht auf den Behinderungsbegriff abstellen, das kann auch aufgrund von Migration oder ähnlichen Themen sein. Dann haben wir hier die Separation, wo diese Menschen eben als Gruppe an sich ausgeschlossen werden. Wir haben die Integration, was ein Thema ist, mit dem wir lange zu tun hatten. Also Integration war so der Vorläufer von dem, was wir jetzt im Bereich Inklusion versuchen zu leben, wo man versucht hat, Menschen mit zum Beispiel Behinderung in die Gesellschaft zu holen, aber sie dennoch als Gruppe in der Gesellschaft zusammenzufinden. Und Inklusion ist tatsächlich der Versuch, dass alle Menschen gleich teilhaben können, ungeachtet dessen, ob sie eine Behinderung oder einen Migrationshintergrund oder was auch immer haben. Und es eben keine Sonderstrukturen mehr gäbe. Das wäre so der Idealfall. Was ist überhaupt eine Behinderung? Also unter dem Begriff Behinderung kann man verschiedene Dinge verstehen. Wenn wir uns jetzt mal im formellen Bereich bewegen, gibt es hier einmal die Definition der ICF, also der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit.
Da geht es im Prinzip darum, dass man sich anguckt, wie sind die Körperfunktionen, wie ist das, was eine Person kann oder eben nicht mehr kann, wie steht das im Verhältnis dazu, was von einer Person desselben Alters mit einem optimalen Gesundheitszustand erwartet wird oder altersentsprechendem Gesundheitszustand? Aber es wird auch betrachtet, kann eine Person Dinge nicht mehr tun zum Beispiel? Einschränkungen in Lebensbereichen, die es eben verhindern, dass eine Person sich so entfalten kann, wie es von einer anderen Person im alterstypischen Zustand erwartet würde. Das ist auf der einen Seite ein sehr funktioneller Ansatz, den wir hier haben. Was es in Deutschland tatsächlich noch ein bisschen schwieriger macht, das Thema zu durchdringen, ist, dass wir ja auch noch eine Gesetzgebung haben. Wir haben eine Sozialgesetzgebung, die da sehr stark mit reinspielt, und haben hier nochmal eine Konkretisierung im Sinne von körperlich-seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen, die vorliegen müssen und auch noch einen Zeithorizont, der hier eben aufgezeigt wird. Was es gerade dann in der Einordnung von Personen mit Behinderung schwierig macht, ist, dass wir nicht nur einen Behinderungsbegriff haben, sondern wir haben auch noch eine Definition von Schwerbehinderung, die mit einem Schwerbehindertenausweis verbunden ist.
Das kann in der Praxis durchaus zu Verwirrung führen aufgrund dieser verschiedenen Begriffe und wir haben auch noch eine Gleichstellung, einen Gleichstellungsbegriff, der eben Menschen mit Behinderung, schwer behinderten Menschen gleichstellen kann. Warum erzähle ich Ihnen das, dieses ganze Theoretische jetzt alles? Mir ist einfach wichtig, dass Sie das mal gehört haben, dass es da verschiedene Definitionen gibt, dass es sehr kompliziert sein kann und dass es leider nicht alles dasselbe ist und man da schon sehr gut unterscheiden muss, auch wenn es dann später um das Thema Hilfen oder Antragstellungen geht. Jetzt habe ich Ihnen so ein bisschen was erzählt zur Theorie von Behinderung und Schwerbehinderung.
Wo wir diese Begrifflichkeiten geklärt haben, möchte ich Ihnen jetzt noch mal ein bisschen was erläutern zum Thema Inklusion und Digitalisierung. Das ist ja so ein Thema, was eben immer mehr kommen ist. Digitalisierung ist in aller Munde. Wir haben Megatrends, gerade in der Berufswelt wie New Work. Wir haben Industrie 4.0, aber auch die Corona-Pandemie hat natürlich dafür gesorgt, dass gerade Digitalisierung nochmal einen ordentlichen Schub bekommen hat. Das haben sie wahrscheinlich alle auch mitbekommen, Homeoffice wurde mehr, Dinge gingen auf einmal im Bereich Digitalisierung an, wie vorher jemand gedacht hat und vor allem werden auch Arbeitsbedingungen immer flexibler und digitaler. Also auch da hat es noch mal einen deutlichen Schub gegeben Und genau das ist das Problem, wenn wir um Inklusion schauen, denn häufig ist Digitalisierung nicht in erster Linie vereinbar mit Inklusion, sondern man muss da schon noch ein bisschen nachsteuern. Da gibt es inzwischen auch Studien zu, dass eben die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung leider noch nicht so ist, wie sie sein sollte, auch mit der Digitalisierung selber eben nochmal Aufruf bekommen hat. Und es liegt einfach daran, dass es zum einen, einen Digital Divide gibt, also ein Benachteiligungsgefälle zwischen Menschen mit und ohne Behinderung, was Digitalisierung angeht. Dazu kommt allerdings auch noch, und das ist sehr wichtig zu berücksichtigen, ein Digital Disability Devide. Das bedeutet, selbst wenn man sich Inklusion anschaut und man möchte digitale Teilhabe umsetzen, in seinem Teilvorhaben zum Beispiel, ist es sehr wichtig zu berücksichtigen, dass nicht alle Menschen mit Behinderung gleich benachteiligt sind digital, sondern dass es hier leider auch noch mal innerhalb dieser Gruppe Benachteiligungsgefälle gibt. Wenn man über digitale Barrierefreiheit nachdenkt, dann kommen einem ja oft Dinge in den Sinn wie Untertitel oder ja, was haben wir noch, was ist der Klassiker im Bereich normaler Inklusion, eine Rampe irgendwo hinzubauen oder Blindenleitsystem und genau das ist tatsächlich der Fall, dass Menschen mit Sinnesbeeinträchtigungen oder körperlichen Behinderungen stehen im Bereich Inklusion und auch im Bereich digitale Inklusion oft noch deutlich besser da als Menschen mit intellektuellen Einschränkungen oder psychischen Beeinträchtigungen, das sollten Sie im Kopf behalten, dass es hier ein Benachteiligungsgefälle gibt und man sehr leicht in Versuchung kommt, das eben noch weiter zu befeuern.
Genau, damit Sie sich zu diesem Thema auch vielleicht im Idealfall mal in Ruhe Gedanken machen können, auch dazu, wie können Sie Inklusion besser umsetzen oder weiter umsetzen und eben nicht in diese Falle des Benachteiligungsgefälles tappen, gibt es ein paar Leitfragen, die ich Ihnen mitgebracht habe. Also wie könnte man denn digitale Teilhabe im Kontext Beratung und Qualifizierung gut hinbekommen. Es ist ja immer eine Frage, man möchte Inklusion weiter ausbinden, aber wie macht man das überhaupt? Also was sind richtige Schritte? Und da kann man sich eigentlich ganz gut mal die Frage stellen, welche Standards gibt es bei sich in der Organisation überhaupt, also was wollen wir für uns umsetzen, was setzen wir auch schon um und vielleicht auch nochmal kritisch auseinandersetzen, für welche Zielgruppe setzen wir denn überhaupt etwas um. Also nochmal Stichwort Digital Disability Divide, setzen wir ausschließlich Assistenzsysteme um oder denken wir auch an die anderen Zielgruppen und vor allem, was ist überhaupt unser Anspruch? Also für welche Zielgruppen wollen wir das überhaupt leben? Für welche Zielgruppen können wir Inklusion überhaupt leben? Also es ist, denke ich, ohne Frage, dass es auch manchmal finanzielle Restriktionen gibt beim Thema digitale Teilhabe oder Inklusion und da muss man sich schon auch kritisch hinterfragen, was wollen wir und was können wir und wo ist da ein guter Mittelweg. Genau, vielleicht noch abschließend der Hinweis, die Erfahrung hat gezeigt, Barrierefreiheit oder digitale Inklusion lässt sich am einfachsten umsetzen, gerade zum Beispiel bei einer Veranstaltungsplanung, wenn man es von Anfang an mitdenkt. Also, wenn man nach Abschluss der Planung auf die Idee kommt, dass man doch Inklusion noch leben möchte, dann wird es deutlich schwieriger und auch oft kostspieliger, dieses Thema noch mit einzubringen. Häufiger ist es am einfachsten, wenn man das eben von Anfang an mitberücksichtigt. Abschließend möchte ich Sie noch dazu einladen, für sich selber noch mal zu überlegen, was Sie als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin auch benötigen, um in Ihrer Organisation Inklusion umsetzen zu können. Benötigen Sie vielleicht spezifische Qualifikationen, bestimmte Instrumente. Das ist auch ein wichtiger Faktor, gerade wenn man sich vielleicht noch unsicher fühlt und nicht genau weiß, was man selber eben zu dem Thema beitragen kann.
Falls Sie dann noch Anregungen benötigen, wie Inklusion auch gut umgesetzt werden kann, vor allem im digitalen Bereich, möchte ich Sie abschließend immer gerne dazu einladen, einen Blick in unseren Leitfaden zu werfen. Der ist jetzt ganz neu rausgekommen aus unserem Projekt. Hier haben wir partizipativ mit Menschen mit Behinderungen genau dieses Thema der digitalen Teilhabe beleuchtet und auch besprochen und erarbeitet, welche anwendungsorientierten Handlungsempfehlungen für die Praxis gegeben werden können im Bereich Bildung und Arbeit. Der Leitfaden liegt auch vorne aus, also Sie können ihn gerne angucken, der hängt auch hier an den Wänden als Ansichtsexemplar. Wenn Sie genau darin schmökern möchten, können Sie gerne über den QR-Code auf den Leitfaden zugreifen. Der ist kostenfrei verfügbar als PDF-Download, also Sie müssen den nicht kaufen, sondern können sich den einfach runterladen. Ja, damit ist der Galopp durch das Thema Inklusion auch schon fertig. Das ist ein sehr komplexes Thema. Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein paar Einblicke bereiten und freue mich schon auf den Austausch an den Wänden.
Beitrag von Marianne Kreuder-Schock, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), für den Newsletter 1/2024 der IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung. Der Vortrag wurde mit OpenAI Whisper (https://huggingface.co/openai/whisper-large-v3) transkribiert.
Den Leitfaden "Barrieren digitaler Teilhabe erkennen und überwinden" finden Sie hier.