Enormes Engagement

Dr. Caroline Schmitt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, über Afro Hair Salons zwischen Ausgrenzung und Inkorporation.

Das Interview führte Irma Wagner, Multiplikationsprojekt Transfer im Förderprogramm IQ (MUT IQ).
 

Was hat Sie inspiriert, sich in Ihrer Dissertation dem Thema "Migrantisches Unternehmertum" im Allgemeinen und "AfroHair Salons" im Speziellen zu widmen?

Schmitt: Gründungen von Unternehmerinnen und Unternehmern mit Migrationshintergrund nehmen in Deutschland zu. Mich interessiert, welche Möglichkeiten und Barrieren sich in der Selbstständigkeit auftun. Afro Hair Salons werden in der deutschsprachigen Forschung bisher kaum wahrgenommen. Sie werden häufig von Migrantinnen und Migranten aus afrikanischen Ländern gegründet und sind ein gutes Beispiel für eine Diversifizierung migrantischen Unternehmertums.

Wie sind Sie methodisch vorgegangen?

Schmitt: Ich bin in die Lebenswelten von Afro Hair Salons eingetaucht, habe teilnehmende Beobachtungen sowie Interviews durchgeführt. Das Material habe ich nach den Verfahren des wissenschaftlichen Quellentexts und der Objektiven Hermeneutik ausgewertet.

Wie würden Sie die wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnisse zusammenfassen?

Schmitt: Die Salonbetreibenden haben ihre Unternehmen mit viel Arbeit, Knowhow und Kreativität erfolgreich aufgebaut, erleben sich aber mit ihrer Tätigkeit nicht gesellschaftlich anerkannt. Sie wollen nicht "die Exotischen" sein, sondern richten ihr Angebot an alle Kundinnen und Kunden – ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Erste Studien zu Unternehmensgründungen von Migrantinnen und Migranten gingen von einer hohen Aktivität innerhalb migrantischer Gruppen aus – meine Ergebnisse sind ein Plädoyer dafür, eine sogenannte "ethnische Brille" abzulegen und die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrem facettenreichen Handeln wahrzunehmen.

Was sind die wichtigsten persönlichen Erkenntnisse, die Sie gewonnen haben und mit uns teilen möchten?

Schmitt: Mich hat das enorme Engagement der Salonbetreibenden beeindruckt, sich in Deutschland im Frisierhandwerk selbstständig zu machen. Da in der Meisterausbildung in Deutschland keine Frisurenstile wie Cornrows, Weaves oder Rastazöpfe vermittelt werden, machten sich die Befragten auf eine transnationale Ausbildungsreise in afrikanische Länder, Modemetropolen wie London und Paris oder in die USA, wo das Handwerk in Lehrstätten vermittelt wird. Zudem waren die Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland mit Rassismus konfrontiert, wurden aus städtischen Netzwerken ausgeschlossen und fühlten sich von der Handwerkskammer nicht beachtet.

Wie würden Sie Ihre Beobachtungen im Hinblick auf das Thema unserer Ausgabe "Faire Arbeit, gute Arbeit mit besonderem Blick auf Migrantinnen und Migranten" einordnen?

Schmitt: Arbeit bestimmt massiv darüber, wie wir an Gesellschaft teilhaben können. "Fairness" bedeutet meiner Einsicht nach die gleichen strukturellen Möglichkeiten zu unternehmerischer Teilhabe zu schaffen, sodass die Kategorisierung "mit" oder "ohne" Migrationshintergrund obsolet wird. Die Ansätze der Interkulturellen Öffnung und Inklusion fragen danach, wie Institutionen und Regularien so (um)gestaltet werden können, dass kein Ausschluss entsteht. Damit geht einher, ein Zwei-Gruppen-Denken in "wir" und "die anderen" zu durchbrechen und Vielfalt als Normalität und Bereicherung zu erachten.

"Wir" und "die anderen"

"Riesige Höhlenmensch-Perücke inclusive Knochen € 19,99." Mit dieser Ankündigung warb eine deutschsprachige Drogeriemarktkette im Januar 2012 zur Karnevalszeit für eine Afroperücke. Dies ist nur ein Beispiel für die Abwertung des Anderen, wie sie tagtäglich passiert. Welche weiteren Mechanismen ausgrenzende Wirkungen haben und welche Strategien und Maßnahmen wichtig sind, um unternehmerische Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zu gewährleisten, sind die Kerngedanken der wissenschaftlichen Studie.

Caroline Schmitt, Migrantisches Unternehmertum in Deutschland, Afro Hairs Salons zwischen Ausgrenzung und Inkorporation, 350 Seiten, 39,99

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