Gastbeitrag des DQR-Büros

Qualifikationsrahmen – Mehrwert für die Anerkennungspraxis?

Qualifikationsrahmen spielen in der Anerkennungspraxis bislang so gut wie keine Rolle. Das mag daran liegen, dass sie in erster Linie ein Transparenzinstrument und daher bei den Akteur*innen der beruflichen Anerkennung weniger bekannt sind. Qualifikationsrahmen sollen ihrem Zweck nach die in einem Land erwerbbaren Qualifikationen entlang einheitlicher Beschreibungskategorien bestimmten Niveaus zuordnen. Innerhalb des Bildungssystems eines Landes kann dies die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenartigen Abschlüssen fördern. Durch die länderübergreifende Vergleichbarkeit von Qualifikationen kann aber auch das Verständnis des jeweiligen Bildungssystems und der verschiedenen Abschlussarten, die es in Europa gibt, verbessert werden. Dies kann auch im Rahmen der Anerkennungsberatung sowie bei Gleichwertigkeitsprüfungen ausländischer Qualifikationen hilfreich sein.

Der 2008 eingeführte Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) soll Transparenz über die in Europa erwerbbaren Bildungsabschlüsse schaffen und die Mobilität von Arbeitnehmer*innen fördern. Die Mitgliedstaaten der EU sind seitdem aufgerufen, eigene nationale Qualifikationsrahmen zu entwickeln und diese mit dem EQR in Beziehung zu setzen. So fungiert der EQR als Meta-Rahmen, der im Sinne eines Übersetzungsinstruments die nationalen Qualifikationen vergleichbar macht. Auch Deutschland hat einen eigenen Qualifikationsrahmen entwickelt – den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR). Seit 2013 ist der DQR in Kraft. Er soll das deutsche Bildungssystem transparenter machen, indem er die Qualifikationen der verschiedenen Bildungsbereiche acht Niveaus zuordnet, die durch Lernergebnisse beschrieben werden. Der DQR kann aber auch dazu beitragen, die Gleichwertigkeit von allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung zu verdeutlichen.
Mittlerweile sind über 150 Länder weltweit und davon 39 Länder in Europa dabei, eigene Qualifikationsrahmen zu entwickeln bzw. zu implementieren. Das Instrument „Qualifikationsrahmen“ ist also vergleichsweise weit verbreitet und könnte demzufolge auch in der Anerkennungspraxis stärker in seiner orientierenden Funktion berücksichtigt werden.
Die Angabe des EQR-Niveaus auf Zertifikaten und Europass-Dokumenten sowie die Beschreibungen in den Qualifikationsdatenbanken bieten Akteur*innen der Anerkennungspraxis eine Zusatzinformation, die andere Angaben im Dokument – zu Domäne, Lerninhalten und Fächern, zur zertifizierenden Institution, dem Leistungsniveau von Absolvent*innen (z. B. Noten, Wortbeurteilung) und ggf. Berechtigungen, die mit dem erworbenen Abschluss verbunden sind – ergänzt. Dies geschieht mit dem Ziel, die Verwertbarkeit von Qualifikationen auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die Adressat*innen erhalten Hinweise auf deren Wertigkeit innerhalb einer durch Kompetenzniveaus definierten Hierarchie der Qualifikationen. Dies kann Anrechnungsentscheidungen erleichtern und Arbeitnehmer*innen helfen, erzielte Lernergebnisse europaweit besser verständlich zu machen.

Der DQR hat mit der Beschreibung der Gleichwertigkeit von Lernergebnissen aus verschiedenen Bildungsbereichen eine Signalwirkung und kann im Kontext von Anrechnungen eine unterstützende Funktion übernehmen. Dies kann am Beispiel der Anrechnungsentscheidungen zugrunde liegenden Äquivalenzprüfung aufgezeigt werden, die drei Schritte umfasst:

  • Der Inhaltsvergleich berücksichtigt die bereits erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen, die in den neuen Lernkontext eingebracht werden sollen und vergleicht diese mit den Lernergebnissen des Zielprogramms.
  • Der Niveauvergleich beantwortet die Frage, ob anzurechnendes Wissen die von der Zielqualifikation definierte Breite und Tiefe aufweist, ob erworbene Kompetenzen zur Bewältigung ähnlich komplexer Anforderungen befähigen etc.
  • Die Äquivalenzaussage begründet, indem sie die Summe aus diesen Vergleichen zieht, die Entscheidung darüber, ob und ggf. in welchem Maße Ergebnisse vorangegangenen Lernens angerechnet werden können.

Ein Qualifikationsrahmen kann den Niveauvergleich unterstützen und insofern als Orientierungsinstrument für die Beschreibung von Lernergebnissen dienen. Das setzt voraus, dass die Deskriptoren nicht nur für die Beschreibung ganzer Qualifikationen, sondern auch von Lernergebniseinheiten genutzt werden. Qualifikationsrahmen, die auf solchen vergleichbaren Beschreibungskategorien beruhen wie es innerhalb der EU mit dem EQR der Fall ist, können die Voraussetzungen für die Anerkennung also durchaus verbessern. Es bedarf jedoch einer gemeinsamen Sprache. Am Beispiel des EQR und des DQR sind das die Lernergebnisse. Darüber werden die Qualifikationen der unterschiedlichen nationalen Systeme nach Art und Niveau in Beziehung gesetzt. Die mittlerweile entstandenen nationalen Qualifikationsdatenbanken (vgl. www.dqr.de/content/2316.php) geben Auskunft über verschiedene Typen von Qualifikationen. Hier lassen sich Informationen finden, die für Akteur*innen in der Anerkennungspraxis hilfreich sein können:

  • Allgemeine Beschreibung des Qualifikationstyps, der Art der Qualifikation, deren Verortung im nationalen Bildungssystem und spezifische Merkmale des Typs
  • Beschreibung der mit der Qualifikation erreichten Lernergebnisse
  • Hinweise zur Stelle, welche die Qualifikationsbeschreibung vergibt
  • zu beachtende Zugangsvoraussetzungen
  • Hinweise zu Erwerb und Anschlussmöglichkeiten der Qualifikation

Zum Mehrwert von Qualifikationsrahmen am Beispiel zweier Berufsbereiche

Die Beurteilung, welche Kompetenzen ein innerhalb der EU erworbener Abschluss beinhaltet, ist nicht ganz einfach. Ein gutes Beispiel ist der Erzieher*innenberuf. In Deutschland findet die Ausbildung in der Regel an Fachschulen statt, die zum beruflichen Bildungsbereich gehören (DQR-Niveau 6). Das ist allerdings in Europa eher die Seltenheit, weil die Ausbildung in den meisten Ländern an Hochschulen erfolgt und zu einem akademischen Abschluss führt (Bachelor, EQR-Niveau 6). Ein weiteres Beispiel sind die Abschlüsse der höheren Berufsbildung, also der Fortbildungsqualifikationen. Im deutschsprachigen Raum, also z. B. in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, gibt es eine Reihe von beruflichen Abschlüssen auf den EQR-Niveaus 6 und 7 und damit auf demselben Niveau wie die akademischen Abschlüsse Bachelor und Master. In vielen Ländern sind diese Abschlüsse, wie zum Beispiel Meister oder Fachwirt, wenig bekannt.

Die Einschätzung der Wertigkeit eines beruflichen Abschlusses im Vergleich zu einem akademischen Abschluss ist immer auch im Kontext kultureller Traditionen und nationaler Rahmenbedingungen des jeweiligen Bildungssystems zu sehen. EQR und DQR können dazu beitragen, die Äquivalenz von beruflicher und hochschulischer Bildung zu verdeutlichen und durch ein besseres Verständnis unterschiedlicher Qualifikationen deren Anerkennung unterstützen. Ersetzen sollen und können sie eine Gleichwertigkeitsprüfung zur beruflichen Anerkennung, bei der neben dem Abschluss z.B. auch die individuelle Berufserfahrung Berücksichtigung findet, allerdings nicht.

Gastbeitrag von Heiko Weber, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb), für den Newsletter 3/2020 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung. Heiko Weber leitet das Projekt „Unterstützende Dienstleistungen für die Entwicklung des Deutschen Qualifikationsrahmens – DQR-Büro“ im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Im DQR-Büro erbringt das f-bb unterstützende Dienstleistungen für das BMBF im Kontext der Entwicklung des DQR.

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