Ingenieurinnen und Ingenieure mit ausländischem Abschluss im Förderprogramm IQ

Die Suche nach geeigneten Fachkräften stellt auch immer mehr Personalsuchende im Ingenieurwesen vor Herausforderungen. In einigen Fachbereichen wie z.B. in der Informatik oder im Bauingenieurwesen festigt sich laut Ingenieurmonitor 2018/II des Vereins Deutscher Ingenieure und des Instituts der deutschen Wirtschaft die hohe Zahl an vakanten Stellen bei gleichzeitig geringem Arbeitskräfteangebot. Derzeit liegt noch kein flächendeckender Fachkräftemangel vor: Insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen werden viele offene Stellen verzeichnet, in der Region Berlin/Brandenburg hingegen ist die Situation noch weitgehend entspannt.1 Ein wichtiges Potential an Fachkräften bilden nach Deutschland migrierte Ingenieurinnen und Ingenieure; allein im Jahr 2017 wurden laut Statistischem Bundesamt 3.400 ausländische Ingenieurabschlüsse als vollständig oder eingeschränkt gleichwertig zu einer in Deutschland erworbenen Qualifikation anerkannt.2

Infokasten: Möglichkeiten der Anerkennung für Ingenieurinnen bzw. Ingenieure

Die Ausübung ingenieurspezifischer Tätigkeiten ist in Deutschland nicht reglementiert. Das heißt, dass eine Anerkennung des ausländischen Ingenieurabschlusses für eine abhängige Beschäftigung nicht zwingend erforderlich ist. Anders stellt sich die Situation dar, wenn es um die Führung des gesetzlich geschützten Berufstitels „Ingenieur“ bzw. „Ingenieurin“ geht. Möchte man die Berufsbezeichnung offiziell führen, so muss zunächst ein Antrag auf die Prüfung der Gleichwertigkeit des Berufsabschlusses bei der im jeweiligen Bundesland zuständigen Stelle eingereicht werden. Nachzuweisen ist i. d. R. ein erfolgreich abgeschlossenes, mindestens dreijähriges Studium an einer staatlich anerkannten Hochschule in einer technischen oder naturwissenschaftlichen Fachrichtung, wobei dieses Studium überwiegend von den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik geprägt sein muss. Die Anerkennung bzw. Genehmigung zum Führen der Berufsbezeichnung schafft nicht nur Transparenz über die ausländische Qualifikation: Sie ist auch Voraussetzung für die Eintragung in die Listen der bauvorlagenberechtigten oder beratenden Ingenieurinnen und Ingenieure, welche von den Ingenieurskammern der Länder geführt werden.

Neben der Anerkennung des ausländischen Ingenieursabschlusses besteht die Möglichkeit einer Bewertung der Abschlusszeugnisse bei der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB). Die Zeugnisprüfung durch die ZAB entspricht jedoch keiner offizielle Anerkennung der Berufsqualifikation und erlaubt damit auch nicht das Führen des Ingenieurtitels.

Im Förderprogramm IQ werden Ingenieurinnen und Ingenieure mit ausländischem Berufsabschluss zu den verschiedenen Möglichkeiten der Anerkennung beraten. Außerdem werden Brückenmaßnahmen angeboten, welche die Teilnehmenden dabei unterstützen, in Deutschland eine adäquate Beschäftigung im Ingenieurwesen zu finden.

IQ Qualifizierungen für Ingenieurinnen und Ingenieure

Seit Beginn der aktuellen Förderrunde bis zum 31.08.2018 sind insgesamt 1.561 Personen3 mit dem Referenzberuf Ingenieurin bzw. Ingenieur in ein IQ Qualifizierungsprojekt eingetreten (davon 1.413 in ein durch ESF- und Bundesmittel finanziertes Projekt). Insgesamt ist die Zahl der Ingenieurinnen und Ingenieure, welche innerhalb eines Quartals an IQ Qualifizierungen teilnehmen, im Laufe der Förderrunde stetig angestiegen (siehe Abbildung 1).

Rund drei Viertel aller Ingenieurinnen und Ingenieure, welche in ein IQ Qualifizierungsprojekt eingetreten sind, sind männlich. Unter diesen Teilnehmenden zeichnet sich ein Anstieg des Anteils an Geflüchteten seit Beginn der Förderrunde 2015 ab: Seither hat sich der Anteil der Geflüchteten unter den Ingenieurinnen und Ingenieuren mehr als verdoppelt (siehe Abbildung 2).

Damit einhergehend hat sich auch das Verhältnis der Staatsangehörigkeiten der betrachteten Gruppe verändert. Waren 2015 noch rund zwei Drittel der Teilnehmenden aus Drittstaaten, so sind es aktuell bisher mehr als 85 Prozent. Insgesamt haben die meisten Ingenieurinnen und Ingenieure die syrische Staatsangehörigkeit (37 Prozent), gefolgt von der iranischen (9 Prozent) und der ukrainischen Staatsbürgerschaft (4,6 Prozent).

Betrachtet man die Zugangswege insgesamt, so wurde der Großteil der Teilnehmenden durch eine IQ Beratungsstelle auf das Qualifizierungsangebot aufmerksam. Aber auch das Jobcenter bzw. die Agentur für Arbeit sind für diese Zielgruppe relevante Akteure (siehe Abbildung 3).

Fast 90 Prozent der Ingenieurinnen und Ingenieure können ein Sprachzertifikat vorweisen – davon etwa die Hälfte auf Niveau B1, etwa ein Drittel auf Niveau B2 und etwa 10 Prozent sogar auf C1-Niveau nach dem Gemeinsamen Europäischem Referenzrahmen (GER). Durchschnittlich werden Ingenieurinnen und Ingenieure im Förderprogramm rund sechs Monate lang qualifiziert. Die Zielgruppe wird zum Großteil (79 Prozent)  in Präsenzangeboten qualifiziert, welche jedoch immer häufiger durch virtuelle Bestandteile ergänzt werden: Wurden 2015 nur rund 1 Prozent der Ingenieurinnen und Ingenieure in IQ durch ein Präsenzangebot mit virtuellen Bestandteilen geschult, so sind es im aktuellen Jahr (bis 31.8.2018) bislang bereits rund 17 Prozent.

Einblicke in die Qualifizierungspraxis: Zwei IQ Brückenmaßnahmen im Kurzportrait

Das Teilprojekt Be.Ing! ist im IQ Netzwerk Hamburg – NOBI eine Brückenmaßnahme, welche mittlerweile den achten Durchlauf zählt und Ingenieurinnen und Ingenieuren aller Fachrichtungen offen steht. Die Teilnehmenden verbessern im Fachsprachunterricht ihre Kenntnisse der allgemeinen technischen Fachsprache. Sie widmen sich aber gleichzeitig den Grundlagen des Projektmanagements und des Zeichenprogramms AutoCAD, und vor allem lernen sie den deutschen Arbeitsmarkt besser zu verstehen und sich als Bewerberin bzw. Bewerber darin zurechtzufinden. Für die zuletzt genannten Punkte sei das Einzelcoaching und die individuelle Betreuung besonders wichtig und damit ein Schlüssel zum Erfolg, erklärt Silke Kirsch, eine der beiden Projektleiterinnen im Teilprojekt Be.Ing!. Während der Präsenzphase müssen die Teilnehmenden das Gelernte direkt umsetzen und sich eigenständig um ein Praktikum in ihrem jeweiligen Fachbereich bemühen. Die Mitarbeitenden von Be.Ing! stehen beim Bewerbungsprozess, aber auch während des Praktikums unterstützend zur Seite, um aufkommenden Missverständnissen oder Einstiegsschwierigkeiten direkt entgegenzuwirken. Die Praktikumsphase ist für die Teilnehmenden besonders entscheidend, denn zum einen wird dabei wichtige Arbeitserfahrung gesammelt, die oftmals der ausschlaggebende Faktor für eine Festanstellung ist. Zum anderen wird während des Praktikums auch das eigene Netzwerk der Teilnehmenden ausgebaut.

Begleitet wird die Qualifizierungsmaßnahme von einer Mentoring-Partnerschaft, auf die sich interessierte Teilnehmende noch einmal zusätzlich bewerben können. Die Mentorinnen und Mentoren sind erfahrene Ingenieurinnen und Ingenieure, welche ihren Mentee (also den oder die an der Brückenmaßnahme Teilnehmenden) auf ihrem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt begleiten und durch ihr Wissen und ihre Kontakte unterstützen. Dass die Mentoren-Partnerschaft nicht nur für die Mentees Vorteile hat und als bereichernd empfunden wird, zeigt die Tatsache, dass alle Mentorinnen und Mentoren, die sich beim ersten Aufruf gemeldet hätten, auch dabei geblieben seien, berichtet Silke Kirsch. Neben diesem positiven Fazit könne man jedoch auch insgesamt mit dem Verbleib der Teilnehmenden zufrieden sein. Aus der eigenen Erhebung wisse man, dass die ehemaligen Teilnehmenden größtenteils eine adäquate Beschäftigung gefunden haben. Das Resümee zum Ende dieser Förderrunde in 2018 ist also durchweg positiv und so strebt das Team um Be.Ing! nach der Erprobungsphase in IQ nun als nächstes den Schritt in die Regelförderung an.

Während Be.Ing! Ingenieurinnen und Ingenieure aller Fachrichtungen qualifiziert, spricht die Brückenmaßnahme für Bauingenieurinnen und Bauingenieure im Landesnetzwerk Schleswig-Holstein in erster Linie Teilnehmende aus dem Bauingenieurwesen an. Entstanden ist diese Spezialisierung laut Projektleiter Benjamin Kindler aus der Tatsache, dass in Schleswig-Holstein eine hohe Personalnachfrage im Bauingenieurwesen bestehe und gleichzeitig von der Architekten- und Ingenieurkammer des Landes etliche Anerkennungsbescheide in besagtem Fachbereich positiv beschieden wurden. Auffallend war jedoch, dass die ausländischen Ingenieurinnen und Ingenieure den Weg trotz Anerkennung anschließend nicht in den örtlichen Arbeitsmarkt fanden. An dieser Stelle setzt nun also die Qualifizierungsmaßnahme an und möchte für die Teilnehmenden eine Brücke in den Arbeitsmarkt schlagen. Die Maßnahme startete erstmalig im Mai und beinhaltet Fachsprachkurse sowie Fachschulungen, in denen Themen behandelt werden, die im Bauingenieurwesen auf dem deutschen Arbeitsmarkt erforderlich sind. Um einen Einblick in die Arbeitspraxis zu erhalten, können die Teilnehmenden im Laufe der Qualifizierung eine Woche lang beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein hospitieren. Außerdem ist geplant, dass die Mitarbeitenden der Qualifizierung bei der Bewerbung für ein Praktikum unterstützen, welches direkt an die Brückenmaßnahme anschließen soll. Es ginge darum, weitere Arbeitserfahrung zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Gute sprachliche Kenntnisse seien wichtig und grundlegend, erkennt Benjamin Kindler an, genauso wie fachliche Kenntnisse. Ausschlaggebend für eine adäquate Anstellung von Migrantinnen und Migranten seien jedoch auch oft deren Durchhaltevermögen. Auch ein großes und sich erweiterndes Netzwerk in der Branche spiele eine wesentliche Rolle. Die Brückenmaßnahme für Bauingenieurinnen und Bauingenieure läuft noch bis Ende Dezember 2018.

Worauf es bei Qualifizierungen für die Zielgruppe ankommt

Die Inhalte der Qualifizierungen, welche sich an Ingenieurinnen und Ingenieure richten, sind demnach sehr vielfältig und gehen über die Vermittlung von Fachwissen hinaus. Eine große Rolle spielt beispielsweise die Unterstützung beim Sprachlernen (84 Prozent der Teilnehmenden). Eine weitere Leistung, die die IQ Teilprojekte im Berufsbereich des Ingenieurwesens erbringen, ist die Unterstützung bei der qualifikationsadäquaten Arbeitsmarktintegration. So wurden 83 Prozent der Teilnehmenden beim Bewerbungsverfahren begleitet und 45 Prozent bei der Kontaktaufnahme zu einem Betrieb unterstützt. Darüber hinaus ist die Vermittlung von kulturellen und arbeitsmarktrelevanten Inhalten eine wichtige Säule in IQ Qualifizierungen für Ingenieurinnen und Ingenieure (90 Prozent der Teilnehmenden).

Von den eingetretenen Ingenieurinnen und Ingenieuren haben bis zum 31.08.2018 bereits 1.172 Teilnehmende die Qualifizierung beendet. Davon ist zum aktuellen Zeitpunkt von rund einem Viertel der Ingenieurinnen und Ingenieure bekannt, dass sie im Anschluss an die Qualifizierung beitragspflichtig beschäftigt sind. Betrachtet man nur die Teilnehmenden, welche vor der Qualifizierung nicht erwerbstätig waren, so sind davon bereits mehr als ein Drittel beitragspflichtig beschäftigt (siehe Abbildung 4).

Es ist zu erwarten, dass die Anteile der beitragspflichtig Beschäftigten im Laufe der Zeit nach Abschluss der Qualifizierung weiter ansteigen, da die Bewerbungsphasen mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen, bevor sie zu einer Erwerbstätigkeit führen.

 

Beitrag von Anna-Lena Mainka und Laura Schiemann für den Newsletter 3/2018 der Fachstelle Beratung und Qualifizierung


1Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.; Verein Deutscher Ingenieure e.V.: Ingenieurmonitor 2018/II. Der regionale Arbeitsmarkt in den Ingenieurberufen, August 2018 und vgl. auch: Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Arbeitsmarktberichterstattung, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Fachkräfteengpassanalyse, Juni 2018.

2Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis): Pressemitteilung Nr. 352 vom 19.09.2018. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2018/09/PD18_352_212.html (aufgerufen am: 21.9.2018)

3Eigene Erhebungen und Berechnungen im Rahmen des IQ Monitorings „Qualifizierung und Begleitung“

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