Praxiseinblick

IQ Service für KMU: das Allround-Paket

Mit dem Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vom 1. März 2020 kam der Startschuss für die Stärkung der Fachkräfteeinwanderung; auch die 40 Projekte im Netzwerk Integration durch Qualifizierung, welche Unternehmen bei der Fachkräfteeinwanderung unterstützen und regionale Fachkräftenetzwerke stärken, waren bereit. Durch die Corona-Pandemie ist das Interesse an dem Thema Fachkräfteeinwanderung bei Unternehmen und Fachkräften zunächst in den Hintergrund getreten – trotzdem konnten die IQ Projekte die Zeit gut nutzen, um sich für ihre Arbeit aufzustellen. Seit vergangenem Herbst nimmt die Arbeit erneut an Fahrt auf. Grund genug, um einen ersten Blick auf die Arbeit der Teilprojekte im Bereich „Einwanderung und Regionale Fachkräftenetzwerke“ zu werfen. Hierzu sprachen wir mit Martin Walter, Projektleiter des Teilprojekts Regionales Fachkräftenetzwerk Einwanderung Augsburg, und Ann-Kathrin Maaß, Ansprechpartnerin des Teilprojekts IQ Service Fachkräfteeinwanderung Handwerk Rheinland-Pfalz in Koblenz.
 

Beratung und Begleitung von Arbeitgebenden durch die Regionalen Koordinierungsstellen Fachkräfteeinwanderung

Eine zentrale Aufgabe der Teilprojekte liegt in der Beratung kleiner und mittelständiger Unternehmen (KMU). Diese seien sehr bemüht, ausländischen Fachkräften die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen und in ihrem Betrieb einzustellen. Laut Maaß sind die Kosten für das Anerkennungsverfahren hierbei meist die kleinste Hürde. Schwierigkeiten bilden vor allem der hohe Zeitaufwand und die Komplexität in der Antragsstellung. An dieser Stelle sind die IQ Beratungsangebote für KMU eine große Unterstützung. Die Arbeitgebenden wollen wissen: „Wie bekommen wir die Fachkraft jetzt schnellstmöglich nach Deutschland? Welche Optionen gibt es und geht das überhaupt?“ Kleinere Unternehmen würden es ohne diese unterstützende Fachexpertise meist gar nicht oder nur sehr schwer schaffen, beispielsweise das neu eingeführte beschleunigte Fachkräfteverfahren für sich zu nutzen. Nach Walter wissen die Arbeitgebenden das vernetzte Denken von IQ in dem Zusammenhang sehr zu schätzen. Ziel sei es, ihnen eine realistische Einschätzung zu vermitteln, um „bösen Überraschungen“ vorzubeugen, betont Walter. „Was ist umsetzbar und was nicht? Handelt es sich um einen Abschluss, der auf Fachkraftniveau anerkannt werden kann und wenn ja, welcher Referenzberuf liegt vor?“ Die Unternehmen sollen frühzeitig dafür sensibilisiert werden, dass der betreffenden Fachkraft möglicherweise „nur“ eine teilweise Gleichwertigkeit beschieden werden kann. Gleichzeitig würden dann in Frage kommende Qualifizierungen zur Erlangung der vollen Gleichwertigkeit erläutert werden, um direkt eine Perspektive zum weiteren Vorgehen aufzuzeigen. Über den gesamten Begleitungsprozess ergeben sich in der Regel viele Folgekontakte. Falls es zu Problemen komme, gebe es eine nachhaltige Unterstützung entlang der gesamten Verfahrensdauer, so Walter. 

Maaß zufolge spielt der §16d des Aufenthaltsgesetzes –Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen– erfahrungsgemäß eine große Rolle in ihrer Arbeit, da in den Handwerksberufen sehr häufig eine Teilanerkennung ausgestellt wird. Die Handwerkskammer, an der das Teilprojekt angesiedelt ist, führt als Zuständige Stelle auch das Anerkennungsverfahren für handwerkliche Ausbildungsberufe durch. Die dadurch entstehenden kurzen Wege, die enge Vernetzung und die bis dahin gesammelte Erfahrung kommen den Betrieben und den Fachkräften zu Gute. Eine besondere Stärke der IQ Projekte sei es, dass den Unternehmen fachliche Beratung zur Anerkennung und Qualifizierung aus einer Hand angeboten werde.  

Diverse Bedarfe bei Unternehmen

Grundsätzlich sind die Teilprojekte entlang der regionalen Strukturen und Arbeitsmarktbedarfe sehr individuell aufgestellt. Anfragen erreichen die Teilprojekte vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum gar nicht mehr so kleinen Mittelständler. Die Erfahrung im Teilprojekt IQ Service Handwerk in Rheinland-Pfalz zeige, dass der Bedarf nach ausländischen Fachkräften im Handwerk in vielen Bereichen vorhanden sei, u. a. im Bau- und KFZ-Gewerbe, der Haus- und Installationstechnik, aber auch in Berufen wie Anlagenmechaniker*in, Friseur*in, Metallbauer*in, Elektroniker*in, Tischler*in und Dachdecker*in. Walter betont zudem, dass jeder Fall anders sei und man deswegen niemals „in das Schema F- Denken“ verfallen dürfe. Meist haben Arbeitgebende konkrete Fragen zur Umsetzung, weil häufig das Matching mit der Fachkraft bereits stattgefunden habe, ergänzt Maaß. Unternehmen, die sich allgemein zur Fachkräfteeinwanderung informieren wollen, seien eher die Ausnahme, bestätigt auch die Erfahrung des Regionalen Fachkräftenetzwerks Einwanderung in Augsburg. 

Herausforderung: Vernetzung der beteiligten Akteure

Damit die ausländische Fachkraft innerhalb einer vertretbaren Zeit einwandern kann, sei es derzeit wichtig, parallel zu den professionellen Beratungs- und Begleitangeboten für Arbeitgebende, optimale strukturelle Voraussetzungen zu schaffen. Aus diesem Grund ist ein weiterer Aufgabenschwerpunkt die Vernetzung der beteiligten Institutionen und Akteure vor Ort. Nach Walter ist die Beratungsarbeit nicht von der strukturellen Arbeit zu trennen, es sind „zwei Seiten einer Medaille“. Die Mitarbeitenden in den Projekten arbeiten eng mit den regionalen Akteuren (u. a. Arbeitsagenturen, Kammern, Ausländerbehörden) zusammen. Ausschlaggebend für eine nachhaltige strukturelle Zusammenarbeit sei die Beteiligung aller Akteure, hierzu zählen u. a. auch regionale Migrant*innenorganisationen und Bildungsträger, so Maaß. Als eine weitere Kernaufgabe kooperiere man auf Bundesebene außerdem mit der Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung (ZSBA) in Bonn. Kernthemen der Zusammenarbeit sind Fragen in der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die neuen Möglichkeiten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, wie das beschleunigte Fachkräfteverfahren.

Mit den regionalen Akteuren vor Ort solle eine optimale Schnittstellengestaltung geschaffen werden, um Arbeitgebenden einen funktionierenden Prozess anzubieten und sie „nicht permanent von A nach B zu schicken“, ergänzt Walter. Die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Akteuren findet auf regionaler Ebene statt und sieht somit jeweils unterschiedlich aus. Manchmal sind es formale Kooperationsvereinbarung mit einer klaren Aufgabendefinition jeden Partners, und in anderen Fällen basiert die gemeinsame Arbeit auf einer Interessensbekundung. An vielen Stellen müssen sich Prozesse und Strukturen aber auch erst noch etablieren. Zum einen wurden im Zuge des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes in den vergangenen Monaten neue Institutionen geschaffen – so zum Beispiel auch die Zentrale Ausländerbehörde in Rheinland-Pfalz – zum anderen müssen bestehende Akteure in die neuen Prozesse integriert werden. 

Blick in die Zukunft: Bedeutung von Integrationsmanagement wächst

Für 2021 erwartet Frau Maaß neue Anfragen und vor allem viele Folgeberatungen aus dem vergangenen Jahr. Das Interesse an Fachkräftegewinnung steige trotz der andauernden Corona-Pandemie. Daher hofft sie, dass die Terminabwicklung zur Visumbeantragung in den Auslandsvertretungen durch Corona nicht mehr so stark gehemmt wird. Wichtig sei es, bald wieder Sprachkurse und Qualifizierungsmaßnahmen in Präsenz zu ermöglichen sowie die persönliche Beratung vor Ort in den Betrieben anbieten zu können, so Maaß.  

Beide Befragten sind sich einig: Mit Anlauf der Projekte und stärkerer Zuwanderung von Fachkräften werde auch das Integrationsmanagement als ein weiterer Aufgabenschwerpunkt zunehmend an Relevanz gewinnen. „Die Reise ist nicht zu Ende, wenn die Fachkraft hier ist“, ergänzt Walter. Es sei genauso wichtig die familiären Kontexte mitzudenken und Perspektiven zu schaffen, um ein nachhaltiges Beschäftigungsverhältnis zu etablieren. Dies sei nicht nur die Aufgabe der Arbeitsgebenden, sondern auch der Kommunen. Deutschland befindet sich in einem internationalen und inländischen Wettbewerb mit anderen Regionen, somit sieht Walter die nachhaltige Etablierung der Beratungs- und Begleitstrukturen als eines der wichtigsten zukünftigen Ziele für eine aussichtsreiche Fachkräfteeinwanderung.

Beitrag von Eugenie Becker für den Newsletter 1/2021 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung – basierend auf Interviews mit Martin Walter (Regionales Fachkräftenetzwerk Einwanderung Augsburg, IQ Netzwerk Bayern) und  Ann-Kathrin Maaß, (IQ Service Fachkräfteeinwanderung Handwerk Rheinland-Pfalz, IQ Netzwerk Rheinland-Pfalz).

X