Herausforderung angenommen! IQ Beratung und Qualifizierung in pandemischen Zeiten

Angesichts der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen konnten bzw. können viele IQ Angebote nicht wie gewohnt fortgeführt werden. Die Landesnetzwerke haben dies als Ansporn genommen, digitale Überbrückungslösungen für die Beratung und Qualifizierung zu entwickeln, um Menschen mit ausländischen Abschlüssen weiterhin auf ihrem Weg zur beruflichen Integration in Deutschland zu unterstützen. Welche Erfahrungen dabei gemacht wurden und welche Ansätze die Präsenzangebote auch zu pandemiefreien Zeiten sinnvoll ergänzen könnten, zeigen wir anhand von Beispielen aus Brandenburg, Hamburg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Ansätze in der Beratung

Das „Info-Café“ war bislang ein Präsenzformat, im Rahmen dessen Vertreter*innen des IQ Landesnetzwerks Sachsen-Anhalt bei Kaffee und Kuchen an unterschiedlichen Orten über ihr Angebotsspektrum informierten. Die Umstellung auf den virtuellen Raum (Zoom) gelang laut Öffentlichkeitsbeauftragtem Michael Taeger reibungslos – vor allem, weil das Landesnetzwerk schon seit 2015 soziale Medien nutzt und in der digitalen Community gut vernetzt ist: Teilnehmende wurden unter anderem über einschlägige Facebook-Gruppen, z. B. des Landesnetzwerks Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA), auf das virtuelle Info-Café aufmerksam gemacht. Auch inhaltlich wurde die Veranstaltung zunächst neu ausgerichtet, indem coronabedingte Themen wie finanzielle Soforthilfen für Solo-Selbstständige und die rechtliche Situation von Arbeitnehmer*innen in Kurzarbeit aufgegriffen wurden. Teilnehmer*innen können im Anschluss an die Inputs individuelle Fragen klären bzw. einen Beratungstermin ausmachen. Um eine funktionierende Kommunikation zu gewährleisten, waren bisher Dolmetscher*innen der häufigsten Herkunftssprachen in die Durchführung der Info-Cafés eingebunden. Da dies mit großem Aufwand einhergeht, sind in Zukunft communityspezifische Veranstaltungen angedacht, bei denen jeweils nur ein*e Dolmetscher*in für die jeweilige Herkunftssprache anwesend ist. Ergänzend bietet das IQ Landesnetzwerk zudem Beratungstermine über Adobe Connect an – ein Tool, das auch den Austausch von (persönlichen) Dokumenten ermöglicht. Obwohl die Handhabung der Online-Tools noch so manche*n Nutzer*in vor eine Herausforderung stelle, seien die virtuellen Angebote stark nachgefragt, so Taeger. Daher soll das virtuelle Info-Café auch in postpandemischen Zeiten beibehalten werden, zudem ist ein Ausbau der bestehenden Social-Media-Kanäle geplant – und für Ratsuchende soll ein digitales Tool eingerichtet werden, das den Upload von Dokumenten zur Vorbereitung eines Beratungstermins ermöglicht. Nichtsdestotrotz haben natürlich auch persönliche Begegnungen ihren Mehrwert, so Taeger, der eine Kombination von virtuellen und Präsenzformaten für erstrebenswert hält.

Dieser Meinung schließt sich Katrin Eichhorn, Anerkennungsberaterin im IQ Landesnetzwerk Schleswig-Holstein, an. Ihr Arbeitgeber, die Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Migranten e. V. (ZBBS), setzt im Rahmen verschiedener Bundes- und Landesprogramme auf individuelle Beratungen zu Fragen der Arbeitsmarktintegration und hat direkt im März den Bedarf für Alternativen zur Präsenzberatung erkannt. Und so konnte Eichhorn in den vergangenen Wochen erste Erfahrungen in der Videoberatung sammeln. Über Jitsi, ein Videokonferenz-Tool, hat sie u.a. einen Ratsuchenden dabei unterstützt, seinen Antrag auf Zeugnisbewertung durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) auszufüllen. Die Videoberatung komme insbesondere Ratsuchenden entgegen, die nicht im direkten Umkreis wohnten und sollte auch „nach Corona“ als Option angeboten werden, so Eichhorn. Um die Beratung auf Distanz noch weiter zu professionalisieren, wollen sie und ihre Kolleg*innen in Zukunft berufsspezifische Informationsblätter für Ratsuchende zur Verfügung stellen – anhand derer sich zu Beginn eines Beratungsprozesses auch ohne persönliches Treffen unkompliziert klären lässt, welche nächsten Schritte sinnvoll sind. Natürlich schließt dies einen persönlichen Termin zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus.

Neue Entwicklungsanstöße durch Corona in den Qualifizierungen

Die IQ Anpassungsqualifizierung für Pflegekräfte mit im Ausland erworbener Qualifikation, angesiedelt bei der SHG Bildung im Saarland, hat den üblicherweise in Präsenzform stattfindenden  Theorieunterricht in einer Hau-Ruck-Aktion in ein Online-Format überführt. Als größter Unsicherheitsfaktor erwies sich laut Projektleiterin Sabrina Flaus dabei die Frage, ob die Teilnehmer*innen über die notwendige technische Ausstattung verfügten. Diese Angst war aber unbegründet. Sie ließen sich auf das Online-Angebot ein und dank Kameras kann immer noch von Mimik und Gestik der Sprecher*innen profitiert werden. Flaus betont außerdem, dass die Unterstützung der Kooperationspartner, bei denen die praktischen Qualifizierungsanteile stattfinden, enorm wichtig war. Alle hätten sich bereit erklärt im März einige Theorie- mit Praxistagen zu tauschen, sodass in den gewonnenen „freien“  Tagen das Konzept für den Online-Unterricht erarbeitet werden konnte. Die fehlenden Theorietage könnten nun, da alles läuft, einfach zurückgetauscht werden. Um weiterhin nah an den Teilnehmer*innen zu bleiben und Kenntnis über deren Fortschritte zu erhalten, erfolge die Projektbegleitung nun über Telefon und E-Mail. Der nächste Durchlauf der Maßnahme soll im Juli dennoch erstmal wieder in Präsenzform starten.  Der coronabedingte Wandel hin zur Digitalisierung habe aber allemal einen Anstoß für weitere Entwicklungen gegeben. Eine Kombination aus beiden Lernformen habe ihre Vorteile: „Wir würden zukünftig gerne Tutorials in einfacher Sprache einbinden und dafür kleine Videoclips drehen.“

Auch die BWL-Brückenmaßnahme der UP Transfer GmbH an der Universität Potsdam im Landesnetzwerk Brandenburg sah sich mit einer raschen Umstellung auf digitale Angebote konfrontiert. Eigentlich hätte der Kurs am 1. April in Präsenzform  an der Hochschule starten sollen, doch dann kam eben alles ganz anders. In knapp drei Wochen wurde umgesattelt und die Dozent*innen erarbeiteten eine virtuelle Umsetzung aller Module. Denn bis dahin waren in der konzipierten Maßnahme noch keine Blended-Learning-Anteile enthalten. 
„Wir sind froh, dass die Dozent*innen und Teilnehmer*innen so offen waren und sich auf das Experiment eingelassen haben“, berichtet die Projektleiterin Katrin Mischun. Durch Technik-Checks, die vorab angeboten wurden, konnte allen Beteiligten eine Sicherheit für die spätere Durchführung und die Teilnahme an den Veranstaltungen vermittelt werden.
Laut Frau Mischun erwiesen sich insbesondere der Austausch unter den Kolleg*innen, die technische Unterstützung von MUT IQ und eine Webinarreihe der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung zum digitalen Lernen als hilfreiche Unterstützung, um all den Herausforderungen zu begegnen. Nur das Praktikum, welches die Teilnehmenden am Ende der Brückenmaßnahme absolvieren sollen, bereite noch Sorgen. Die derzeitige wirtschaftliche Lage erschwere die Suche nach Praktikumsplätzen sehr. 
Noch ist unklar, wann der Kurs wieder in Präsenzform stattfinden kann. Es sei außerdem vorstellbar, die Qualifizierung „nach Corona“ nicht mehr in einem reinen Präsenzformat anzubieten. Man habe schließlich auch die Vorteile des virtuellen Lernens kennengelernt. Für die Teilnehmenden könnten lange Anreisewege wegfallen und auch die Kinderbetreuung stelle eine kleinere Herausforderung dar, wenn an manchen Tagen von zu Hause aus am Angebot teilgenommen werden könne.

Andere Qualifizierungen konnten hingegen auf bereits bestehende Blended-Learning-Erfahrungen zurückgreifen und bauten diese Elemente unter Corona weiter aus; so auch die Anpassungsqualifizierung für Physiotherapeuten der UKE-Akademie für Bildung und Karriere des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf im Landesnetzwerk Hamburg. Die unterschiedlichen Lernsettings, die vor Corona größtenteils in Präsenz stattfanden, wurden in rein virtuelle Veranstaltungen überführt. Der Kennenlerntag mit der jeweiligen Kompetenzfeststellung, die Einführungswochen, wöchentliche Workshoptage, die psychosoziale Betreuung und auch die Abschlussprüfung, alles habe man online umsetzen können, erzählen die Projektleiterin Doris Thömen-Suhr und der Projektmitarbeiter Timo Weber. Auch das praktische Lernen in den Praxiseinrichtungen konnte fortgeführt werden.
Als besonders vorteilhaft beurteilen die beiden die virtuelle Umsetzung der Kompetenzfeststellungen und der Einführungswochen. An den beiden Formaten konnten sogar Teilnehmer*innen aus der Türkei und Indien teilnehmen, da diese zum Veranstaltungszeitpunkt aufgrund von Corona noch nicht einreisen konnten. Unklar war vorher, ob man die fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten online überhaupt adäquat einschätzen könne. Diese Sorge sei aber unbegründet gewesen, so Thömen-Suhr. Und auch das Bonding zwischen Dozent*innen und Teilnehmer*innen gelang online.
Der Unterricht, der über das Tool WebEx und WebEx-Training stattfindet, sei natürlich anders als die Präsenztermine und fordere insbesondere beim neuen Format der Videoassessments auch Verantwortung auf Seiten der Teilnehmenden. Weber, der während seines Physiotherapie-Studiums in den Niederlanden selbst Erfahrungen mit Videoassessments sammeln konnte, integrierte dieses Element nun in die Anpassungsqualifizierung. Nach Klärung der datenschutzrechtlichen Fragen drehen die Teilnehmer*innen – unterstützt durch ausführliche Handreichungen – nun selbst Videos ihrer Praxiseinsätze, auf deren Basis die Performanz der Teilnehmenden im gemeinsamen Online-Austausch transparent und reflektierbar wird und so die individuelle Kompetenzentwicklung weiterhin begleitet werden kann. Diese Analysen seien teilweise sogar vorteilhafter als ein Präsenzbesuch in einer Praxiseinrichtung. Denn während man die Realität nicht einfach pausieren könne, könne man die Videos bei Bedarf anhalten oder wiederholt ansehen, erklärt Weber.
Die Videoassessments wolle man zukünftig beibehalten und auch die anderen Lernsettings könne man größtenteils im Onlineformat fortführen. Kombiniert mit einzelnen Präsenzphasen sei das ein spannendes Konzept für die Zukunft mit neuer methodisch-didaktischer Ausrichtung, so Thömen-Suhr.

Mit positivem Blick in Richtung Zukunft

Auch die IQ Qualifizierungsmaßnahmen mussten also innerhalb kürzester Zeit im Rahmen des Möglichen Lösungsansätze für die laufenden Qualifizierungen finden. Insbesondere die Erprobung von digitalen Angeboten, die Unterstützung der Partner im Förderprogramm IQ und eine enge Abstimmung mit Kooperationspartnern aus der Praxis erwiesen sich dabei als Erfolgsfaktoren.
Man darf also gespannt bleiben, welche Aspekte der coronabedingten Zwangsumstellung in den IQ Beratungs- und Qualifizierungsprojekten zukünftig – dann aber freiwillig – beibehalten werden.   

Beitrag von Anna-Lena Mainka und Laura Roser für den Newsletter 2/2020 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung

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