Corona und die Anerkennungspraxis in Heilberufen - neue Chancen oder neue Hürden?

Der Personalmangel in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist nicht erst seit Auftreten des Coronavirus ein prominentes Thema im gesellschaftlichen Diskurs. Dennoch hat die Pandemie dazu beigetragen, dass die bekannten Defizite nun noch deutlicher wahrgenommen werden. Im Zuge dessen rückt auch die Einbindung von Personen mit ausländischen Qualifikationen im ärztlichen und pflegerischen Bereich verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Doch welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Berufszulassungsverfahren und wie haben die zuständigen Anerkennungsbehörden auf die aktuelle Lage reagiert?

Mitte März rief der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, Ärzt*innen im Ruhestand und Medizinstudent*innen zur Mithilfe auf, um der Coronakrise im Gesundheitswesen zu begegnen.1 Die Bayerische Landesärztekammer griff dies auf und stellte ein Meldeportal online, um Angebot und Bedarf im stationären und ambulanten Bereich im Freistaat Bayern besser zu koordinieren. Der Aufruf der Bayerischen Landesärztekammer richtete sich auch an Ärzt*innen mit ausländischen Qualifikationen, deren Anerkennung in Deutschland noch nicht abgeschlossen ist.2 Es ist davon auszugehen, dass diese Personengruppe nicht vollumfänglich den Beruf ausüben darf, sollte es zu freiwilligen und unentgeltlichen Einsätzen im Gesundheitswesen aufgrund von Personalengpässen während der Pandemie kommen.

Davon abgesehen warten bundesweit zahlreiche eingewanderte Pflegefachkräfte und Ärzt*innen auf einen Bescheid der zuständigen Stellen, um ihren Beruf in Deutschland ausüben zu dürfen. Und diese werden in den Einrichtungen weiterhin dringend gebraucht. Doch der Weg zur Berufszulassung ist oft langwierig. Qualifikationen müssen durch die zuständigen Stellen geprüft und oftmals (Fach-)Sprach- und Kenntnisprüfungen oder Anpassungslehrgänge von den Antragstellenden abgelegt werden, bevor es zur uneingeschränkten Berufszulassung kommen kann. Wie lässt sich dies während einer Pandemie bewerkstelligen?

Eingeschränkte Arbeitsfähigkeit der zuständigen Stellen

Auf ihren Homepages weisen zahlreiche Anerkennungsstellen für Heilberufe darauf hin, dass Sachstandsanfragen bedingt durch die Sondersituation derzeit nicht beantwortet werden können, kein Personenverkehr stattfinden könne und Hotlines für die Berufszulassung nicht erreichbar seien.3,4 Bei genauerem Hinsehen zeigen sich allerdings Unterschiede in den einzelnen Bundesländern.

So hatte sich beispielsweise Berlin bis Ende Juni zum Ziel gesetzt, zusätzliche Kenntnisprüfungstermine für Ärzt*innen anzubieten.5 Bei Redaktionsschluss lagen keine Informationen darüber vor, ob dieses Vorhaben der Berliner Senatsverwaltung in die Tat umgesetzt werden konnte. Andere Länder wie Mecklenburg-Vorpommern konnten zusätzliche Prüfungstermine erst nach dem 30.6.2020 wieder in Aussicht  stellen.6 Die zuständigen Stellen in Niedersachsen hingegen kommunizierten, dass bereits nach einer kurzen Pause ab Mitte Mai wieder vereinzelt Termine für Fachsprachprüfungen angeboten werden konnten, Termine für das Ablegen der Kenntnisprüfung stehen erst ab Mitte Juli zur Verfügung.7

In Bayern und Berlin werden laut Angaben auf den Homepages der zuständigen Stellen zudem die Anträge von Pflegefachkräften prioritär gegenüber anderen Gesundheitsfachberufen bearbeitet.8,9

Vorübergehende Neuregelungen der befristeten Berufszulassung

Durch den Umstand, dass keine Fachsprachprüfungen stattfinden konnten, kam es in den Bundesländern Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen seit April zu vorübergehenden Neuregelungen der befristeten Berufszulassung für Ärzt*innen. Ein einheitliches Vorgehen ist jedoch nicht zu erkennen. Bayern erteilt eine auf ein Jahr befristete Berufserlaubnis ohne Absolvieren der Fachsprachprüfung10, wohingegen es in Niedersachsen Voraussetzung ist, dass man bereits zur Fachsprachprüfung angemeldet, nicht schon mehrmals durchgefallen ist und eine Klinik als Arbeitgeber benennen kann, die bereit ist, eine Tätigkeit unter Aufsicht zu erlauben11. Die erteilte Berufserlaubnis gilt lediglich bis Ende 2020. In Nordrhein-Westfalen können Mediziner*innen mit Vorerfahrungen in den Bereichen Anästhesie, HNO, Innere und Allgemeinmedizin eine befristete Erlaubnis erhalten, wenn bereits ein Arbeitsangebot vorliegt und eine erleichterte Fachsprachprüfung absolviert wurde. Diese soll trotz der Coronakrise von den zuständigen Ärztekammern angeboten werden. Eine weitere Maßnahme in Nordrhein-Westfalen ist die unbürokratische Verlängerung bestehender Berufserlaubnisse über die Dauer von zwei Jahren hinaus.12

Die Einschränkungen, die durch die Corona-Pandemie notwendig geworden sind, wirken sich des Weiteren auf die Arbeit von Behörden, Kammern und Trägern von Qualifizierungsmaßnahmen aus und können somit auch zu Verzögerungen im Anerkennungsverfahren für Berufe im Gesundheitssektor führen. Ein Großteil der Landesbehörden hat in diesem Zusammenhang keine oder nur kurzfristige Sonderregelungen eingeführt. Auch die im Artikel beschriebenen Maßnahmen einiger Länder finden nur zeitlich befristet Anwendung.

Das Bundesministerium für Gesundheit reagiert in einem aktuellen Referentenentwurf auf die Problematik, indem zeitlich befristete Abweichungsverordnungen zu den Approbationsordnungen für Ärzt*innen, Zahn*ärztinnen und Apotheker*innen zukünftig Anwendung finden sollen. So könnte es u. a. bald möglich sein, dass Eignungs- und Kenntnisprüfungen für Ärzt*innen an Simulationspatienten, Simulatoren, Modellen oder über andere geeignete Medien stattfinden. Diese Maßnahmen gewährleisten, dass auch während der Corona-Pandemie Prüfungstermine angeboten werden können und sich die Anerkennungsverfahren von Menschen, die dringend gebraucht werden, nicht weiter verzögern.13

Beitrag von Antje Dietrich und Olesia Hausmann für den Newsletter 2/2020 der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung. Alle Angaben beruhen auf Recherchen der Fachstelle Beratung und Qualifizierung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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