Digitale Barrierefreiheit – ein Mehrwert für alle

Als Expert*innen im Bereich digitale Barrierefreiheit stellen Dr. Birgit Scheer und Dipl.-Inform. Frank Reins vom Projekt Teilhabe 4.0 ganz konkrete Instrumente vor, die allen Menschen eine möglichst barrierefreie Teilhabe im digitalen Raum ermöglichen. Die Teilhabe-4.0-Toolbox kann im Kontext von Beratungsgesprächen und Qualifizierungen kostenfrei genutzt werden.

Eine gelungene Digitalisierung ist zentral für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Institutionen. Einige Anbieter von Produkten und Dienstleistungen sind ab Sommer 2025 durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) auch gesetzlich zu digitaler Barrierefreiheit verpflichtet. Auch die schon länger zur Barrierefreiheit verpflichteten Behörden und öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder haben sich mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) für die nächsten Jahre das Ziel einer bürgernahen digitalisierten Verwaltung gesetzt. Dies bietet große Chancen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt, umgekehrt aber auch Exklusionsrisiken, wenn in den Digitalisierungsprozessen Barrierefreiheit nicht von Anfang an berücksichtigt wird.

Digitale Barrieren in mobilen Apps sind beispielsweise in der im Teilhabe-4.0-Projekt entwickelten Demonstrator-App erfahrbar.  Verantwortliche in Unternehmen, Behörden und weiteren Einrichtungen können durch die aktive Nutzung der Apps sensibilisiert und die digitalen Barrieren damit zukünftig vermieden werden.

Die App ist Teil eines Unterstützungsangebots, das im Projekt „Teilhabe 4.0 - Digitalisierung der Arbeitswelt barrierefrei gestalten“ entwickelt wurde, und die Verantwortlichen bei einer barrierefreien Umsetzung unterstützt. Teilhabe 4.0 ist ein Projekt des Kompetenzzentrums Barrierefreiheit Volmarstein (KBV) und der BAG Selbsthilfe e.V., in Kooperation mit dem Fachgebiet Rehabilitationstechnologie der TU Dortmund. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus Mitteln des Ausgleichsfonds.

Damit digitale Barrierefreiheit über die Projektlaufzeit des „Teilhabe 4.0“-Projekts hinaus in unterschiedlichsten Kontexten umgesetzt wird, wurde im Projekt ein spezielles Konzept zum Empowerment der Verantwortlichen entwickelt. Mithilfe der im Projekt entwickelten Lehr- und Lernmaterialien können Unternehmen und Behörden, aber auch Branchenverbände, Kammern oder Bildungsanbieter Trainer*innen für digitale Barrierefreiheit qualifizieren. Diese Trainer*innen können wiederum die Umsetzer*innen vor Ort mithilfe der Projektmaterialien schulen und damit befähigen, Barrierefreiheit in den eigenen Digitalisierungsprojekten zu berücksichtigen.

Alle für diese Qualifizierungen benötigten Materialien sind im Teilhabe 4.0-Schulungsportal zu finden. Eng damit verzahnt sind die modularen Leitfäden für verschiedene Zielgruppen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen in der Teilhabe 4.0-Toolbox. Mithilfe der Filter sind die jeweils passenden Tools zur Umsetzung digitaler Barrierefreiheit schnell und einfach in der Toolbox zu finden.

Beratungsstellen können beispielsweise selbstständig ihre eigenen Web-Angebote und Online-Beratungsinhalte mit der App „Check-Artikel“ Schritt-für-Schritt auf Barrierefreiheit überprüfen. Online oder auch im Kontext von Beratungsgesprächen bereitgestellte digitale Dokumente sind leicht mit der App „Check-Text“ auf Barrierefreiheit überprüfbar. Werden in Gruppensituationen Vorträge verwendet, hilft die App „Check-Vortrag“ dabei, die Präsentationen barrierefrei zu erstellen und gibt, falls erforderlich, weiterführende Umsetzungshinweise. So kann sichergestellt werden, dass die Beratungsinhalte Menschen mit Behinderungen ohne Barrieren bereitgestellt werden können.

Beratungsstellen sollten vor dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz bzw. entsprechender Tools, die nach eigenen Angaben KI-basiert nicht barrierefreie Inhalte eigenständig „reparieren“ oder bereitstellen, kritisch prüfen.

Bereits weit verbreitet ist der Einsatz sogenannter „Overlay“-Tools, die den Eindruck erwecken, dass sie Barrieren nachträglich beheben können, indem sie beispielsweise kontrastreiche Layouts, Schriftvergrößerung oder Sprachausgabe anbieten. Menschen, die auf diese Einstellungen angewiesen sind, werden diese jedoch bereits systemweit auf ihrem eigenen Computer, Tablet oder Smartphone vorgenommen haben. Es ist nicht notwendig, dass jede Website eigene Hilfen hierzu anbietet, deren Verwendung erst erlernt werden muss oder möglicherweise sogar im Konflikt mit den Hilfsmitteln der Anwender*innen steht.

Besonders vorsichtig sollte man damit umgehen, Barrieren, wie fehlende Alternativtexte von Bildern, mit KI erzeugen zu lassen. Diese Inhalte müssen immer noch einmal manuell überprüft werden. Meist wird nicht die Intention mit der ein Bild in einem bestimmten Kontext eingesetzt wird, getroffen, sondern möglicherweise unwichtige Details beschrieben, ohne den Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen.

Dies trifft auch auf automatische Übersetzungen in Leichte Sprache zu. Bisher kann dies lediglich unterstützend von Expert*innen im Übersetzungsprozess eingesetzt werden, aber nicht um ungeprüft Inhalte beispielsweise in Beratungssituationen oder online bereitzustellen.

Sollten Klient*innen Schwierigkeiten mit den Web-Angeboten Dritter haben, wie beispielsweise Arbeitsagenturen, Karriereportalen von Unternehmen, Jobbörsen oder Online-Dienstleistungen von Behörden, sollte auf den Feedback-Mechanismus, den inzwischen viele Anbieter bereitstellen müssen, verwiesen werden. Möglicherweise ist hier ein Empowerment der Menschen mit Behinderungen erforderlich, damit dieser Weg erfolgreich ist. Sollte der Feedback-Mechanismus selbst nicht barrierefrei sein, können die Anbieter auf die „Check-Feedback“-App hingewiesen werden, um diese Barrieren zu beheben.

In regelmäßigen digitalen Informationsveranstaltungen können sich zukünftige Trainer*innen mit dem Thema digitale Barrierefreiheit und den Schulungsmaterialien des Projekts „Teilhabe 4.0“ vertraut machen. Die Teilnahme an allen Veranstaltungen ist kostenlos. Darüber hinaus erweitern vertiefende digitale Schulungsveranstaltungen zu den Themen barrierefreie Webseiten, barrierefreie Dokumente oder rechtliche Rahmenbedingungen das Wissen.


Beitrag von Dr. Birgit Scheer und Dipl.-Inform. Frank Reins vom Projekt Teilhabe 4.0 für den Newsletter 1/2024 der IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung

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