Neues aus der Anerkennung
Stand: September 2024
Jährlich – immer gegen Ende des Sommers – veröffentlicht das Statistische Bundesamt (Destatis) die aktuellen Zahlen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Dies nehmen wir zum Anlass, die Statistik sowie aktuelle Entwicklungen im Bereich der Anerkennung genauer unter die Lupe zu nehmen: Wie hoch sind die Antragszahlen? Welche gesetzlichen Änderungen sind in einzelnen Berufsbereichen erfolgt bzw. geplant? Und welchen Fortschritt sieht man beim Thema „Digitalisierung und KI“? Diese Fragen beantworten wir im Folgenden und binden dabei jeweils aktuelle statistische Daten ein.
Amtliche Statistik
Nach § 17 Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) wird über die Verfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit nach diesem Gesetz und nach anderen berufsrechtlichen Gesetzen und Verordnungen eine Bundesstatistik geführt. Die Ergebnisse werden jeweils jährlich durch das Statistische Bundesamt veröffentlicht (Publikationen > Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen). Stichtag ist jeweils der 31. Dezember des Vorjahres.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wertet die Daten der Bundesstatistik ebenfalls aus. Statistiken zu den Ländergesetzen werden auch durch die statistische Landesämter veröffentlichen. Die Links zu den einzelnen Bundesländern finden Sie ebenfalls auf der Homepage von Anerkennung-in-Deutschland.de unter dem Punkt: Statistische Daten von Bund und Ländern
Digitalisierung rund um das Anerkennungsverfahren: Ansatz zur Beschleunigung und Vereinfachung
Die Digitalisierung spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse in Deutschland. Sie trägt dazu bei, Prozesse effizienter, transparenter und zugänglicher zu gestalten.
Digitale Auskunft zur Berufsqualifikation
Die Digitale Auskunft zur Berufsqualifikation (DAB) der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) ist ein Dienst, der für bestimmte Aufenthaltserlaubnisse in Deutschland relevant ist. Die DAB richtet sich an Drittstaatsangehörige mit einer ausländischen, nicht-hochschulischen beruflichen Ausbildung, die nach Deutschland einreisen möchten. Sie dient als Nachweis für bestimmte Aufenthaltserlaubnisse, wie z.B. die Anerkennungspartnerschaft oder die Beschäftigung bei ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung. Im Gegensatz zum Berufsanerkennungsverfahren trifft die DAB keine Aussage zur Vergleichbarkeit mit deutschen Berufsabschlüssen. Sie bestätigt aber den Status der ausländischen Qualifikation im Herkunftsland. Die Digitalisierung des Prozesses ermöglicht eine schnellere und effizientere Abwicklung. Antragsteller*innen können ihre Unterlagen online einreichen, was die Bearbeitungszeiten verkürzt. Der gesamte Prozess von der Antragsstellung bis zur Gebührenbezahlung kann digital erfolgen.
KI-basierte Tools im Dienste der Beschleunigung der Anerkennungsverfahren
Das BQ-Portal hat Testläufe mit KI-basierten Übersetzungstools für ausländische Lehrpläne gestartet, um den Anerkennungsprozess ausländischer Berufsabschlüsse zu optimieren. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass gängige Sprachen wie Englisch und Spanisch bereits mit hoher Genauigkeit übersetzt werden können, wobei Fließtexte bessere Ergebnisse liefern als Auflistungen. Bei weniger verbreiteten Sprachen wie Türkisch oder Russisch ist eine Qualitätssicherung durch Übersetzer*innen mittels Post-Editing empfehlenswert. Faktoren wie Ausgangssprache, Komplexität der Fachbegriffe und Dateiformat beeinflussen die Übersetzungsqualität. Die rasante Entwicklung der KI-Technologie erfordert eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Erkenntnisse. Ziel ist es, durch den Einsatz von KI-Übersetzungen Zeit und Kosten im Anerkennungsverfahren einzusparen und deren Akzeptanz zu fördern. Allerdings gibt es noch Herausforderungen bei komplexen Fachbegriffen, tabellarischen Darstellungen und einigen Sprachen wie Arabisch, die weitere Verbesserungen erfordern.
Das bayerische Gesundheitsministerium hat am 1. Januar 2024 ein Pilotprojekt gestartet, um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Anerkennung ausländischer Ärzt*innen zu erproben. Ziel ist es, die oft langwierigen Anerkennungsverfahren zu beschleunigen. So soll die KI beispielsweise überprüfen, ob hochgeladene Dokumente den richtigen Kategorien zugeordnet sind. Durch diese automatisierte Vorprüfung erhofft man sich, Fehler bei der Antragstellung zu reduzieren und somit den gesamten Prozess zu vereinfachen und zu verkürzen.
Nicht nur in Deutschland gibt es Bemühungen, die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen KI-basiert zu unterstützen. In Österreich versucht ein Start-up den Anerkennungsprozess mit Hilfe der KI zu erleichtern und vor allem zu beschleunigen. Innerhalb von Minuten sollen dabei internationale mit österreichischen Qualifikationen abgeglichen werden können.
Digitalisierung der Antragsverfahren
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist ein wegweisendes Gesetz zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland. Es wurde 2017 verabschiedet und verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, ihre Verwaltungsleistungen (bis Ende 2022) auch digital über Verwaltungsportale anzubieten. Immer mehr Bundesländer und zuständige Stellen digitalisieren daher ihre Prozesse, sodass auch Anträge auf Anerkennung online eingereicht werden können. Dies soll den Prozess beschleunigen und die Antragstellung erleichtern. Die Digitalisierung im Anerkennungsverfahren schreitet voran, wobei der Fokus bisher hauptsächlich auf reglementierten Berufen im medizinischen und pädagogischen Bereich liegt.
Lesetipp
Zum OZG-Projekt „Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen“ können Sie einen Gastbeitrag von Dr. Arne Schüler, Bundesministerium für Bildung und Forschung im ►Newsletter 3 | 2023 lesen.
Welche Behörden in welchen Bundesländern für welche Berufe bereits an den digitalen Antragsservice Anerkennung angeschlossen sind, erfahren Sie in der aktuellen Übersicht des Anerkennungsportals.
Duale Berufe
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationsprozesse verlaufen rasant und haben Einfluss auf die berufliche Bildung. Zentrale Themen wie technologische Entwicklungen, Energiewende und der damit verbundene Ausbau erneuerbarer Energien, Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung verändern die Anforderungen an die Arbeitswelt. Um Fachkräfte im Hinblick auf diese Veränderungen zu qualifizieren sind u. a. Modernisierungen der Ausbildungsordnungen erforderlich.
Mit Beginn des Ausbildungsjahres zum 01. August 2024 treten vier modernisierte duale Ausbildungsberufe im Bereich Umwelttechnologie in Kraft, um bspw. Aspekte des nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Wasser oder den Schwerpunkt Regenwasserbewirtschaftung in den Ausbildungsinhalten zu berücksichtigen. Im Zuge der Modernisierung erhielten die Berufe auch neue Abschlussbezeichnungen:
- Umwelttechnologe*technologin für Abwasserbewirtschaftung (bisher: Fachkraft für Abwassertechnik)
- Umwelttechnologe*technologin für Kreislauf- und Abfallwirtschaft (bisher: Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft)
- Umwelttechnologe*technologin für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen (bisher: Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice)
- Umwelttechnologe*technologin für Wasserversorgung (bisher: Fachkraft für Wasserversorgungstechnik)
Darüber hinaus wurden die Berufsbilder Feinoptiker*in und Industriekauffrau*mann mit Blick auf die technische und digitale Transformation und die Berufsausbildungen zum Fluggerätelektroniker*in sowie zum Fluggerätmechaniker*in infolge von Änderungen im EU-Recht angepasst und sind seit 01. August 2024 als duale Ausbildungen in modernisierter Form wählbar.
Zugewanderte Fachkräfte können seit Inkrafttreten die Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation für die neuen Berufe beantragen.
Weitere Informationen zu den neuen und modernisierten Ausbildungsberufen finden Sie auf der Homepage des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).
2023 wurden insgesamt 13.071 Neuanträge in nicht reglementierten Berufen nach BBiG und HwO gestellt. Der häufigste Referenzberuf ist nunmehr Elektroanlagenmonteur*in, welcher den seit 2021 häufigsten Beruf Elektroniker*in auf Platz zwei verdrängt. Die TOP 5 der nicht reglementierten Berufe beantragten mehr als 95% männliche Personen.
Für die oben genannten neugeordneten Berufsbilder (mit veralteten Berufsbezeichnungen) ist die Zahl der Neuanträge auf Anerkennung im Jahr 2023 eher gering. Im Berichtsjahr gab es bspw. sechs Neuanträge im Beruf Industriekaufmann*kauffrau und drei im Berufsbild Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft.
Neben den modernisierten Berufsbildern ist am 1. August 2024 auch das Berufsbildungsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, die berufliche Bildung moderner und inklusiver zu gestalten.
Zur Förderung der Digitalisierung und Entbürokratisierung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung soll das Gesetz zeitgemäße digitale Prozesse unterstützen, indem bspw. digitale Ausbildungsverträge, virtuelle Prüfungsformate oder digitale Berichtshefte möglich sind.
Neben formalen Berufsqualifikationen durch bspw. duale Ausbildungsberufe steigt im Zuge des anhaltenden Fachkräftemangels ebenso die Bedeutung von Personen, die seit Jahren ohne Abschluss erwerbstätig sind. Unter die Zielgruppe fallen bspw. Quereinsteiger*innen, aber auch Personen mit im Ausland erworbenen Berufserfahrungen, die keine formale Qualifikation bzw. keinen Anspruch auf eine Anerkennung ihres im Ausland erworbenen Berufsabschlusses gemäß Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) haben. Durch das BVaDiG können informell und non-formal erworbene Kompetenzen formal festgestellt und bescheinigt werden, um eine Anschlussfähigkeit im System der beruflichen Bildung zu gewährleisten. Die Validierung der beruflichen Handlungskompetenz wird am Maßstab eines anerkannten Ausbildungsberufs mittels geeigneter Instrumente wie bspw. praktische Aufgaben bestimmt. Voraussetzung für die Zulassung sind ein Mindestalter von 25 Jahren sowie berufliche Erfahrungen, die dem Eineinhalbfachen der regulären Ausbildungszeit im Referenzberuf entsprechen. Die Regelungen sollen ab dem 01. Januar 2025 angewendet werden. Das Validierungsverfahren nutzt Erfahrungen aus dem langjährig erprobten Verbundprojekt ValiKom.
Einen Beitrag mit Blick auf die Berufsvalidierung und der Frage, ob diese eine Gleichstellung für Ungelernte bedeutet, können Sie ►hier nachlesen.
Medizinische Gesundheitsberufe
ÄRZT*INNEN
Der Bundesrat hat am 5. Juli 2024 eine Entschließung zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren für Ärzt*innen mit ausländischer Ausbildung verabschiedet. Angesichts des zunehmenden Ärzt*innenmangels, insbesondere in ländlichen Regionen, sieht der Bundesrat dringenden Handlungsbedarf. Die Länderkammer fordert das Bundesgesundheitsministerium auf, die rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen, um die Verfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Dabei sollen folgende Kernpunkte umgesetzt werden:
- Die Kenntnisprüfung soll zum Regelfall werden, während die dokumentenbasierte Gleichwertigkeitsprüfung nur auf ausdrücklichen Wunsch durchgeführt wird.
- Es sollen bundeseinheitliche Vorgaben für die Kenntnisprüfung geschaffen werden, wobei das Prüfungsniveau zur Wahrung der Patient*innensicherheit weiterhin hoch bleiben soll.
- Die elektronische Einreichung von Unterlagen soll ermöglicht werden, um den Prozess zu digitalisieren und zu vereinfachen. Aktuell ist eine digitale Antragstellung für Ärzt*innen bereits in sieben Bundesländern (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) möglich, allerdings werden oftmals noch Papierdokumente nachgefordert. Mit der neuen Regelung soll sich dies ändern.
- Bei fehlenden Nachweisen aus dem Herkunftsland soll eine eidesstattliche Erklärung nach deutschem Recht möglich sein.
- Zuständigkeit für Approbationsanträge soll sich künftig nach dem ersten Wohnsitz der Antragstellenden in Deutschland richten, um Mehrfachanträge zu vermeiden.
Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Anerkennungsverfahren effizienter zu gestalten und gleichzeitig die hohen Qualitätsstandards in der medizinischen Versorgung zu wahren.
Lesetipp
Was passiert im ►Pilotprojekt „Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Anerkennung von Ärzt*innen“?
PFLEGEBERUFE
Die stetig hohen Antragszahlen bei der Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses als Gesundheits- und Krankenpfleger*in bzw. Pflegefachmann*frau belegen abermals die Bedeutung dieses Berufsbereiches. Bereits im Jahr 2021 hat die IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung (Vorgängerprojekt der Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung) in ihrer „Situationsanalyse Pflege“ zentrale Erkenntnisse zu Herausforderungen in der Anerkennungspraxis sowie entsprechende Handlungsempfehlungen veröffentlicht. In den aktuellen gesetzlichen und organisatorischen Entwicklungen finden sich einige der dort angesprochenen Vorschläge wieder. Das zeigt: Der hohe Bedarf an Fachkräften in der Pflege schlägt sich auch in den Regelungen zur Berufsanerkennung wieder.
Vor gut einem Jahr ist die „Fast Lane“ für Anerkennungsverfahren für Pflegefachkräfte in Bayern gestartet: Die bis dahin sieben zuständige Stellen (eine je Regierungsbezirk) wurden beim Bayerischen Landesamt für Pflege (LfP) zentralisiert. Seither gibt es in allen Bundesländern jeweils eine zuständige Stelle für die Anerkennung in den Pflegefachberufen. Die Zentralisierung geht mit einer Standardisierung der Bescheide einher, was sich wiederum positiv auf die Erstellung von Qualifizierungsplänen zum Ausgleich festgestellter wesentlicher Unterschiede auswirken kann.
Ab 1. Januar 2025 sollen in Bayern auch die Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegefachhilfskräfte in die „Fast Lane“ integriert werden, so dass das LfP dann auch für diese Berufsgruppe als einheitliche Anlaufstelle dient. Dadurch sollen Synergien geschaffen und Verzögerungen durch eine Antragstellung bei der falschen Behörde vermieden werden.
Mit dem Pflegeberufegesetz (PflBG) wurde ein generalistisches Berufsbild mit dem Abschluss als Pflegefachmann*frau bzw. Pflegefachperson eingeführt, das berufliche Tätigkeiten in allen Versorgungsbereichen ermöglicht. Das schlägt sich auch in den bundesweiten Anerkennungsverfahren nieder: Die Antragszahlen auf Anerkennung als Pflegefachmann*frau stiegen seit 2020 stetig an, waren im Vergleich zum Referenzberuf Gesundheits- und Krankenpfleger*in bis zum Jahr 2022 aber deutlich geringer. Als möglicher Grund kann die zunächst schrittweise erfolgte Anpassung der Ausgleichsmaßnahmen an die neue gesetzliche Grundlage gesehen werden. Für das Jahr 2023 ergibt sich ein völlig neues Bild: ein starker Anstieg von Neuanträgen für den Referenzberuf Pflegefachperson mit gleichzeitigem Rückgang der Anträge für Gesundheits- und Krankenpfleger*innen (siehe Abb. 1).
Wichtig: Die Übergangsregelung (§66a PflBG) erlaubt nur noch bis Ende 2024 eine Entscheidung über einen Antrag auf Anerkennung nach den bisherigen Gesetzesgrundlagen (KrPflG, AltPflG). Das nahende Ende dieser Frist macht sich mittlerweile nicht nur in den Neuanträgen bemerkbar, sondern wird sich mit zeitlichem Verzug auch bei den beschiedenen Verfahren (Abb. 2) zeigen.
Anknüpfend an das Pflegeberufegesetz wurde gerade die Einführung einer bundesweit einheitlichen Pflegefachassistenzausbildung ab 2027 beschlossen, was zu mehr Transparenz und Einheitlichkeit bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in diesem Bereich beitragen dürfte (vgl. Pressemitteilung v. 04.09.2024).
Das im Dezember 2023 in Kraft getretene Pflegestudiumstärkungsgesetzes (PflStudStG) beinhaltet wichtige Regelungen, die die Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege erleichtern. Die Änderungen haben wir bereits in unserem ►Newsletter 3/2023 für Sie zusammengefasst. Insbesondere die bundesrechtlichen Regelungen der vorzulegenden Unterlagen, der Verzicht auf Übersetzungen sowie die Möglichkeit, auf eine Gleichwertigkeitsprüfung zu verzichten und direkt eine Ausgleichmaßnahme zu starten, werden in der IQ Praxis positiv wahrgenommen.1 Die Option zur Modularisierung von Anpassungslehrgang (APL) und Abschlussgespräch ermöglicht standardisierte und individuell nutzbare Angebote und kann somit Wartezeiten der Teilnehmenden reduzieren. In Verbindung mit der möglichen Verkürzung/Verlängerung des APL wird außerdem individuellen Bedarfen Rechnung getragen, was zur schnelleren Anerkennung beitragen kann. Dies trifft auch auf die Umsetzung der Kenntnisprüfung in Form einer Parcoursprüfung mit (möglichst) fünf zu prüfenden Personen zu.
Die Pilotierung des Anpassungslehrgangs INGA Pflege geht mit einem weiterentwickelten Konzept in die nächste Runde. Es wird für weitere Ausbildungsländer geöffnet und sieht eine enge Begleitung der Standorte beim betrieblichen Integrationsmanagement vor. INGA Pflege 3.0 findet im zweiten Durchgang in den Bundesländern Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen und Hamburg statt. Als berufsintegrierte Ausgleichsmaßnahme verbindet INGA Pflege eine effiziente Berufsanerkennung mit einer wirksamen Einarbeitung in die aufnehmende Einrichtung und stärkt die kommunikative Handlungskompetenz im Beruf.
In der 92. Gesundheitsministerkonferenz vom 5./6.06.2019 wurde ein Eckpunktepapier zur Überprüfung der für die Berufsausübung erforderlichen fachsprachlichen Deutschkenntnisse in den Gesundheitsfachberufen beschlossen. Die Fachsprachenprüfung (FSP) Pflege B2 wird sukzessive in den Bundesländern eingeführt. Wie ist der aktuelle Stand? Gestartet ist die szenarienbasierte FSP Pflege B2 in den Ländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Berlin. Eine Übersicht zu den Startterminen findet sich hier. In Rheinland-Pfalz wird ebenfalls seit 2024 die Fachsprachprüfung „Deutsch B2 Pflege Fachsprachprüfung Rheinland-Pfalz“ angeboten. In Bayern wurde die Fachsprachenprüfung für die Pflege vorerst ausgesetzt.
1 Im August/September wurde eine Online-Umfrage der IQ Fachstellen Einwanderung und Integration sowie Anerkennung und Qualifizierung mit Vertreter*innen der IQ Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung sowie einschlägiger IQ Qualifizierungsangebote für Pflegefachkräfte durchgeführt (Befragungszeitraum: 22.08.–02.09.2024).
Pädagogische Berufe
FRÜHPÄDAGOGISCHE FACHKRÄFTE
Nach einer aktuellen Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bewerten 87 % der Befragten den Personalmangel und den unzureichenden Personalschlüssel als aktuelle Herausforderung in der Kindertagesbetreuung. Fachkräfte aus dem Ausland können Entlastung bieten, und erfreulicherweise steigen auch die Anträge auf Anerkennung für die Referenzberufe Erzieher*in und Kindheitspädagoge*pädagogin kontinuierlich (s. Grafik). Allerdings bestehen bis zur Berufszulassung von zugewanderten Fachkräfte einige Herausforderungen, wie die im Jahr 2022 publizierte Situationsanalyse „Berufliche Anerkennung frühpädagogischer Fachkräfte mit einer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation“ der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung aufzeigt. Die Situationsanalyse zeigt auch Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der aktuellen Prozesse auf, welche teilweise bereits aufgegriffen wurden: So hat bspw. das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ein Austauschformat mit Anerkennungsbehörden im frühpädagogischen Bereich initiiert und im Rahmen dessen Musterbescheide inklusive Beiblatt für Anerkennungsverfahren von Erzieher*innen erarbeitet.
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) wiederum hat unter Einbindung der Länder und weiterer Expert*innen einen Prozess für eine "Gesamtstrategie Fachkräfte in Kitas und Ganztag" ins Leben gerufen, punktuell wurde auch die IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung einbezogen. Ein im Mai 2024 veröffentlichtes Empfehlungspapier des BMFSFJ benennt daran anknüpfend kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen zur Gewinnung und Qualifizierung von Personen mit ausländischen Qualifikationen, z.B.:
- Ländervereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung von durchgeführten Qualifizierungsmaßnahmen
- Modularisierte Ansätze bei Ausgleichsmaßnahmen
- Prüfung von Optionen für bundeslandübergreifende Anpassungslehrgänge
- Möglichkeiten des Berufszugangs für bestimmte Tätigkeitsbereiche ausweiten, bspw. für die Arbeit mit ausgewählten Altersgruppen
Auch der Entwurf des Dritten Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung legt einen besonderen Fokus auf Maßnahmen in den Bundesländern zur „Gewinnung und Sicherung qualifizierter Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung“ (vgl. Entwurf S. 9). Der Entwurf wurde am 13. August durch das Bundeskabinett beschlossen, das Gesetz soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Zum Ausbau von sprachlich-kommunikativen Kompetenzen für eine Tätigkeit oder die Teilhabe an Qualifizierungen im frühpädagogischen Berufsfeld pilotieren das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit einen Spezial-Berufssprachkurs für frühpädagogische Berufe.
Lesetipp
Die rechtlichen Regelungen zur Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen für Kindheitspädagog*innen und Erzieher*innen variieren je nach Bundesland. Die ►Rechtsexpertise der Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung gibt einen umfassenden Überblick und geht auch auf rechtliche Grundlagen zu Ausgleichsmaßnahmen und Optionen des Berufszugangs ein.
LEHRKRÄFTE
Bundesweit haben im Jahr 2023 knapp 3.000 Personen einen Antrag auf Anerkennung als Lehrer*in gestellt (s. Grafik). Der Weg zur vollen Gleichwertigkeit und Berufszulassung ist für zugewanderte Lehrkräfte – auch im Berufsvergleich – allerdings mit besonders hohen Hürden verbunden. Das ist einerseits in den hohen sprachlichen Anforderungen (i.d.R. muttersprachliches Niveau) begründet und andererseits darin, dass das deutsche Lehramt i.d.R. zwei Unterrichtsfächer voraussetzt – während die Ausbildung als Lehrer*in in vielen Herkunftsländern nur ein Fach umfasst. In der Folge gestalten sich Ausgleichsmaßnahmen für zugewanderte Lehrkräfte meist sehr langwierig, da für die volle Gleichwertigkeit oft zunächst ein zweites Fach studiert werden muss (s. Situationsanalyse der IQ Fachstelle Beratung und Qualifizierung).
Im Rahmen der Kultusministerkonferenz (KMK) tauschen sich die Länder regelmäßig zur Harmonisierung des Verwaltungsvollzugs der Anerkennungsverfahren von im Ausland erworbenen Qualifikationen von Lehrer*innen aus. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK benennt in einer Stellungnahme (2023) zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel folgende Empfehlungen im Kontext der Anerkennung ausländischer Abschlüsse:
- den Verzicht auf ein zweites Unterrichtsfach, insbesondere dann, wenn es sich bei dem studierten Unterrichtsfach um ein Mangelfach handelt;
- ein adressatengenaues Angebot von Qualifikationsmaßnahmen für migrierte Lehrkräfte, eine Zulassung zu Qualifikationsmaßnahmen für Lehrkräfte mit Sprachkompetenzen auf C1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER) und begleitende Sprachbildungsangebote, die den Erwerb von Sprachkompetenzen auf C2 Niveau des GER bis zum Abschluss der Qualifizierungsmaßnahme ermöglichen;
- die geringe Erfolgsquote in den Anpassungslehrgängen zu analysieren und zu verbessern sowie die Anerkennungsrichtlinien generell auf weitere Hürden zu überprüfen;
- eine systematische Begleitung der migrierten Lehrkräfte in der Berufseingangsphase durch Mentor*innen an den Schulen.
Möglichkeiten der Anerkennung für nur ein Unterrichtsfach wurden in einzelnen Bundesländern wie Bremen, Hamburg, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen bereits geschaffen. Auch Sachsen will Optionen der Anerkennung für sogenannte ‚Ein-Fach-Lehrkräfte‘ prüfen und sieht mit dem Entwurf des Gesetzes zur Regelung berufsanerkennungsrechtlicher Verfahren außerdem vor, dass Deutschkenntnisse auf Niveau C1 (GER) für den Berufszugang ausreichen.
Lesetipp
Der Sammelband „Wie gelingt der berufliche Einstieg von geflüchteten und migrierten Lehrkräften in Deutschland?“ befasst sich u.a. mit möglichen Qualifizierungswegen von zugewanderten Lehrer*innen. Ein Beitrag, an dem die Fachstelle Beratung und Qualifizierung mitgewirkt hat, beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen speziell in Berlin und Brandenburg.
Die ►Rechtsexpertise der Fachstelle (Stand 2018, bzgl. Bremen 2020 aktualisiert) gibt für alle 16 Bundesländer einen Überblick zu den Rechtsgrundlagen der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen für Lehrer*innen.
Beiträge von Tatjana Erfurt, Katja Judas, Diana Krahl und Laura Roser für den Newsletter 2/2024 der IQ Fachstelle Anerkennung und Qualifizierung.