Berufsanerkennung: Andere Perspektiven entwickeln

Eigentlich wollte Ayse Terkes nur für wenige Jahre nach Deutschland – doch es kam anders. Heute arbeitet die ehemalige Bankerin bei einer großen Non-Profit-Organisation in Frankfurt.

Als Ayse Terkes (36) nach Deutschland kam, hatte sie bereits mehrere Jahre Berufserfahrung bei der Türkischen Zentralbank. Nach ihrem Bachelor in Volkswirtschaftslehre an der Hacettepe Universität in Ankara arbeitete sie acht Jahre bei der Bank. Nach Deutschland kam sie Ende 2013 aus familiären Gründen. Ihr Mann arbeitet bei einer türkischen Bank und wurde nach Deutschland versetzt. Heute arbeitet Ayse Terkes bei einer großen Non-Profit-Organisation in Frankfurt.

Ursprünglich war das so nicht geplant

Das Ehepaar dachte zunächst, sie würden nur für kurze Zeit nach Deutschland umziehen. „Eigentlich wollten wir nur drei Jahre hier bleiben und dann in die Türkei zurückkehren, doch dann hat mein Mann einen unbefristeten Vertrag bekommen, und uns hat das Leben hier sehr gut gefallen. Da haben wir uns entschieden, in Deutschland zu bleiben“, erinnert sich Ayse Terkes. Eines ihrer beiden Kinder ist in Deutschland geboren.

Anstrengende Adjektivdeklinationen

Sofort nach dem Umzug fing sie an, Deutsch zu lernen. „Zunächst habe ich das eher aus privatem Interesse gemacht. Ich wollte in Deutschland auch außerhalb meiner Familie am Leben teilnehmen können.“ Intensiv lernte sie 15 Monate lang Vokabeln und Grammatik und erwarb das Goethe-Zertifikat C1. „Die Adjektivdeklination fand ich ein bisschen anstrengend, aber eigentlich hat es mir viel Freude gemacht. Deutsch ist für mich wie eine mathematische Sprache. Es gibt zwar viele Ausnahmen, aber auch logische Regeln.“

Die Qualifizierung dauerte fünf Monate

Nach einer fünfjährigen Auszeit und als ihre Kinder in die Kita gehen konnten, reifte bei Ayse Terkes der Wunsch, wieder zu arbeiten. Zunächst wollte sie ihren Studienabschluss in Deutschland bewerten lassen und kontaktierte deshalb die Agentur für Arbeit. In der Beratung wurde sie auf die Brückenmaßnahme „Ready – Steady – Go!“ von beramí für ausländische Wirtschaftswissenschaftler aufmerksam. Fünf Monate sollte die Qualifizierung dauern, mit Fachunterricht bei der Frankfurt University of Applied Sciences. „Das war genau das, was ich wollte. Ich habe mich sofort beworben.“

Auf das Anschreiben wird viel Wert gelegt

Ayse Terkes lernte die Grundlagen des deutschen Wirtschaftsrechts und frischte ihr Wissen über das Steuer- und Rechnungswesen auf. „Bei der Türkischen Zentralbank habe ich im Team Statistik der Abteilung , Forschung und Geldpolitik‘ gearbeitet, das ist ein sehr spezieller Fachbereich. Aus diesem Grund hatte ich den Gedanken, in Deutschland noch eine andere Perspektive zu entwickeln und mich fachlich breiter aufzustellen.“ In der Brückenmaßnahme vertiefte sie deshalb ihre Kenntnisse in der Buchhaltung. Berufsbezogenes Deutsch und Bewerbungscoachings standen ebenfalls auf dem Programm. „In Deutschland sind Bewerbungsunterlagen sehr wichtig, besonders das Anschreiben. Wenn Sie neu nach Deutschland kommen und nicht genau wissen, wie man solche Texte formuliert, haben Sie wenig Chancen.“

Dem Bereich Statistik und Finanzen treu geblieben

Nach fünf Monaten intensiven Lernens hatte Ayse Terkes ein Zertifikat über die Teilnahme an der Brückenmaßnahme in der Tasche. Es hat sich für sie gelohnt: Ein halbes Jahr später fand sie einen Job bei einer großen Non-Profit-Organisation in Frankfurt – eine ganz andere Branche als das Bankwesen, in dem sie viele Jahre beschäftigt war, doch auch in ihrem neuen Job jongliert sie mit Zahlen: „Ich bin dem Bereich Statistik und Finanzen treu geblieben.“

Man sagt, was man denkt

Neu war für sie dagegen manches im deutschen Arbeitsleben. Im Vergleich zur Türkei sei es in Deutschland einfacher, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, meint Terkes und verweist auf das deutsche Modell der Elternzeit. Ein weiterer Punkt, der ihr aufgefallen ist, sind die Gepflogenheiten im alltäglichen Umgang. „Meine deutschen Kolleginnen und Kollegen sagen, was sie denken. Aber daran habe ich mich gewöhnt, das stört mich überhaupt nicht.“ Nach dem Ende der Probezeit bekam Ayse Terkes sofort einen unbefristeten Vertrag und sieht in ihrem Job viele Entwicklungsmöglichkeiten. „Ich bin sehr zufrieden und möchte mich weiterbilden und zum Beispiel Programmiersprachen für Datenbanken lernen.“

Die Brückenmaßnahme „Ready – Steady – Go!“ wurde als Beispiel für „Good Practice“ von IQ ausgezeichnet.

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