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Migrantenökonomie


Erstellt: 13.10.2018  |  Zuletzt geändert: 31.03.2020, 13:24 Uhr

Die Zahl der Unternehmen hat sich in den Jahren zwischen 2005 und 2016 um rund 30 Prozent erhöht. Ihre Gesamtzahl betrug laut Mikrozensus 2016 insgesamt 756.000. Knapp die Hälfte der Selbstständigen kommt aus der EU. Sogenannte migrantische Unternehmen haben längst eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung: Sie schaffen neue Arbeitsplätze (Schätzungen zufolge zwischen 2,2 und 2,7 Millionen, das sind 18 Prozent aller Arbeitsplätze in inhabergeführten mittelständischen Unternehmen) und bieten im Schnitt/ je nach Herkunftsgruppe mehr Ausbildungsplätze an als ihre deutschen Pendants. 

Über ein Viertel (28 %) der Selbstständigen mit Migrationshintergrund bieten inzwischen wissensintensive Dienstleistungen an, gehören damit zu wichtigen Impulsgeber*innen für Innovation und Wachstum. (Zum Vergleich: 16 Prozent im Baugewerbe, 15 Prozent im Handel, 13 Prozent im Gastgewerbe, fünf Prozent im verarbeitenden Gewerbe tätig). Überdies zeichnen sie sich durch eine zunehmende Exportorientierung aus. Bilingualität und Bikulturalität gehören oft zu ihren Alleinstellungsmerkmalen. Ein spezifisches interkulturelles Know-how ermöglicht eine andere, teils unkonventionelle Organisations- und Vertriebsstruktur. Unternehmerisch selbstständig Tätige mit Migrationshintergrund erzielen - so haben Studien gezeigt - im Durchschnitt einen 40 Prozent höheren Nettoverdienst als abhängig Beschäftigte mit Migrationshintergrund. Modellprojekte zeigen, dass gerade migrantische KMU in der Beschäftigungseingliederung von Geflüchteten besonders erfolgreich sind. 

Doch benötigen Gründer*innen mit Migrationshintergrund mehr gezielte migrationsspezifische Unterstützung im Gründungsprozess. Denn der hohen Gründungsneigung einerseits steht eine vergleichsweise hohe Schließungsrate andererseits gegenüber. Bestehende Strukturen der Gründungsberatung ohne migrationsspezifische Angebote erreichen die Zielgruppe erfahrungsgemäß eher nicht. Falls doch, können sie oft nicht hinreichend auf ihre Fragen eingehen. Viele Gründungsinteressierte scheitern so bereits frühzeitig an aufenthaltsrechtlichen und/oder berufsständischen Bestimmungen oder am Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten. Dieser Lücke begegnet das Förderprogramm "Integration durch Qualifizierung" (kurz: IQ), das Personen mit Migrationshintergrund bei ihren Schritten in die Selbstständigkeit begleitet. Diverse Projekte haben sich zum Beispiel speziell der Beratung und Begleitung Gründungsinteressierter gewidmet, die Beratenden leisten Erst- und Folgeberatung im Gründungsprozess (Training, Einzelcoaching, Unterstützung beim Erstellen eines Businessplans u. a.). Sie geben auch praktische Unterstützung (Investorensuche, Erstellen Businessplan, Begleitung zu Behörden und Kammern u. a.). Eine eigens gegründete 'IQ Fachstelle Migrantenökonomie' beim Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism e.V.) fungiert als Forschungs- und Servicestelle rund um die Unternehmensgründung. Eine zielgruppenorientierte Plattform "Wir gründen in Deutschland" ist Anlaufstelle für Gründungswillige mit Migrationshintergrund und bietet mittels eines individuellen Beratungspools in mehreren Sprachen bedarfsgerechte Unterstützung für ausländische Studierende, Akademiker*innen, Fachkräfte im Ausland und geflüchtete Personen.

Die Migrantenökonomie in Deutschland erfährt seit ein paar Jahren neue Impulse. Durch den rückläufigen Anteil Selbstständiger aus den ehemaligen Anwerbeländern (siehe Gastarbeiter*in) und durch die verstärkte Zuwanderung neuer und besser gebildeter Zuwanderergruppen vor allem aus Mittel- und Osteuropa und dem Nahen und Mittleren Osten verändern sich nicht nur die Charakteristika, sondern auch die Entwicklungsbedingungen von Migrantenselbstständigkeit. Und sie stehen für eine enorme Heterogenität, sind in allen Branchen zu finden.

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